Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06)
 

Günther, Wolfgang

 
 

Konkurrenz für Olympia (?). Wie man Olympionike werden konnte, ohne in Olympia gesiegt zu haben.

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  Das Prestige dieser Agone, die auf Grund ihrer gesamtgriechischen Bedeutung in  römischer Zeit auch oikoumenikoi, "Weltagone", hießen, war seit dem 3.Jh.v.Chr. für eine zunehmende Zahl griechischer Poleis Anlaß, ihre eigenen, bislang nur auf lokaler Ebene gefeierten Feste und Agone entsprechend aufzuwerten und sie auf panhellenisches Niveau zu heben. Hierbei hatten die Olympien und die delphischen Pythien Modellcharakter, deren Organisation und Regelungen bis ins Detail übernommen wurden, so daß die neuen penteterischen Agone sich als "isolympisch"  bzw. "isopythisch" präsentierten, d.h. den Anspruch erhoben, in Konzeption und Rang mit den Olympien bzw.Pythien gleichgestellt zu sein.[13] Sieger bei diesen neuen "heiligen Kranzagonen" waren nun ebenfalls Hieroniken, welche in der hellenistischen Poliswelt eine in ihrem gesellschaftlichen Status herausgehobene Gruppe
darstellten.[14]
Um einen solchen neuen "heiligen" Agon zu etablieren und dessen Attraktivität und Prestige durch eine offizielle Anerkennung seitens der griechischen Welt zu sichern, wurden die Poleis in aufwändigen Werbekampagnen diplomatisch aktiv. Am besten dokumentiert dies die    westkleinasiatische Stadt Magnesia am Mäander, welche gegen Ende des 3. Jhs.v.Chr. für ihre Hauptgottheit Artemis Leukophryene die Feier und den isopythischen Agon der Leukophryeneia einrichtete; die aus "aller Welt" eingehenden Bescheide, den Agon anzuerkennen (womit eine Zusage verbunden war, künftig offizielle Delegationen zur Teilnahme am Fest zu entsenden), ließ die Stadt auf den Wänden einer Halle an der Agora inschriftlich aufzeichnen. Von diesem umfangreichen Dossier, dem durch den Ort seiner Anbringung höchste Publizität gesichert war, ist noch ein beträchtlicher Teil der Dokumente erhalten geblieben.[15]
Der Trend, neue Kranzagone einzurichten, setzte sich in der römischen Kaiserzeit fort; nur mußten fortan die betreffenden Initiatoren sich der kaiserlichen Bewilligung in Rom
vergewissern. Bei einer ganzen Reihe neu begründeter Agone ging die Angleichung an das olympische oder delphisch-pythische Vorbild so weit, daß das Modell auch mit seinem Namen Pate stand und daß Olympien sowie Pythien in der griechischen Welt sich in vielfacher Zahl verbreiteten16. Welche Folgen dies für die Selbstdarstellung agonistischer Sieger hatte, soll im Folgenden an dem kaiserzeitlichen Monument eines Athleten aufgezeigt werden.
 

  Mit seiner optisch höchst effektvollen, geradezu plakativen Gestaltung ist der im Museo Nazionale von Neapel aufbewahrte Marmorstein aus der 2.Hälfte des 2. Jhs.n.Chr. ein besonders charakteristisches Beispiel dafür, daß Inschriften nicht nur als Schriftdenkmäler historische Zeugnisse, sondern zugleich auch archäologische Denkmäler sind. Der die wichtigsten biographischen Daten skizzierende Hauptteil des Textes steht in oberen Teil innerhalb der Umrahmung einer tabula ansata , während der ganze anschließende untere Teil, der eigentliche Blickfang des Ganzen, in vier Reihen angeordnete, "vom Ruhm" des Athleten "kündende" Kränze[17] bedecken, innerhalb derer Beischriften den Agon, meist mit ausdrücklicher Erwähnung des Austragungsortes, sowie die Anzahl der jeweils errungenen Siege nennen:[18]  

 
  Zeichnung: Dr. Wolfgang Guenther
 

Fussnote(n):
[13] Die Wahl des Modells war nicht zuletzt durch das agonistische Programm bedingt. Enthielt dieses auchmusische Disziplinen (agon musikos), die in Olympia komplett fehlten, kam nur das Vorbild der delphischenPythien in Frage.
[14] S. hierzu H.W.Pleket, Zur Soziologie des antiken Sports, Nikephoros 14, 2001, 157 - 212, v.a. 186 - 191 (revidierte Fassung eines Beitrags von 1974). Zu dem Athleten- "Weltverband" (Synodos), in dem dieHieroniken seit dem 1. Jh.v.Chr. zusammengeschlossen waren, s. dens., Some Aspects of the History of theAthletic Guilds, Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 10, 1973, 197 - 227.
[15] O. Kern, Die Inschriften von Magnesia, Berlin 1900, Nr. 18 - 87.
[16] Zu solchen neugegründeten Olympien zuletzt J. Seibert, In Kokurrenz zu den Olympischen Spielen: DieNachahmung der Olympien, in: L.-M. Günther (Hg.), Olympia und seine Spiele. Kult -Konkurrenz - Kommerz(Sources of Europe 2), Berlin 2004, 127 - 139 mit Auflistung der bekannten 38 Veranstaltungsorte in Griechenland, Kleinasien und in der Levante. Von den weitverbreiteten Pythien sind die bemerkenswertesten dieseit ca. 200 n.Chr. in Karthago gefeierten; hierzu L. Robert, Une vision de Perpétue martyre à Carthage, Comptes Rendus de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 1982, 228 - 276, v.a. 228 f. und 268 - 271.
[17] Zum Topos des auf Monumenten den Ruhm verkündenden Kranzes s. z.B. das Epigramm auf einen Athleten bei Ch. Roueché, Performers and Partisans at Aphrodisias in the Roman and Late Roman Period,London 1993, 204 II 13 - 15.
[18] Abb. s. M. Guarducci, Epigrafia Greca III, Rom 1974, 139 fig. 57; dies., L'epigrafia greca dalle origini al tardo imperio, Rom 1987, 411; St. De Caro (Hg.), Il Museo Archeologico di Napoli, Napoli 1994, 31. Edition der Inschrift: Inscriptiones Graecae XIV 739; L. Moretti, Iscrizioni agonistiche greche, Rom 1953, 224 - 226 Nr. 77 (mit Kommentar).

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