Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06)
 

Fischer, Mark-Oliver

 
 

Hisarlik und Troia

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  So kommt einer der 'Zweifler zu dem Schluß: "Die Grabungsresultate widersprechen mithin offenkundig der 'Rekonstruktion' einer dichtbebauten 'Unterstadt'."[4]  

  Neben der enormen Größendifferenz unterscheidet sich die Korfmannsche Troia-Version von der 'Zweifler'-Version auch durch die Verteidigungsanlage der Unterstadt. Noch bevor die Unterstadt überhaupt von Korfmann ergraben war, zeigte er sich überzeugt, "dass diese äussere Siedlung ummauert war."[5] Und tatsächlich fand man im Jahre 1992 zwar keine Mauer, aber einen Graben, 400 m südlich der Burg, bis zu 4 m breit, 1 bis 2 m tief, und auf einer Länge von 320 m nachgewiesen. Eine Interpretation des Ergebnisses schien klar: Es handelte sich um einen Verteidigungsgraben, der etwa 100 m vor der Unterstadtmauer verlief.  

  Die 'Zweifler' plädieren für den Graben eher auf eine wirtschaftliche Nutzung, möglicherweise einen Bewässerungsgraben. Bisher nachgewiesen wurde der Graben nur südlich von Troia, nicht aber im Nordosten, wo er aufgrund des sehr flachen Geländes als Verteidigungsanlage am sinnvollsten erscheinen würde. Der weitere - prospektierte undergrabene - Verlauf des Grabens zeigt eben auch nicht nach Nordosten, zur Burg, sondern direkt nach Norden, wo er sich einem - für die Bronzezeit nachweisbaren - Flussbett zuwendet. Weiterhin gibt es südlich des "Verteidigungsgrabens" weitere, die ganz ähnlich aufgebaut sind. Diese Gräben stammen wohl zum Teil auch aus Troia VI, zum Teil aber aus dem hellenistischen Ilion. Zwar vermutet einer der Ausgräber schon 1996, es könnte sich um Bewässerungsgräben handeln, aber an anderer Stelle werden all diese Gräben der Verteidigung zugesprochen.  

  Nun könnte es um die Unterstadt natürlich eine ganze Reihe von hintereinander geschalteten, aber auch querenden Verteidigungsgräben gegeben haben, allerdings würde der Befund genauso gut - oder besser? - auf ein Bewässerungssystem passen.  

  Wie oben erwähnt, setzt Korfmann die proklamierte Unterstadtmauer nicht direkt in unmittelbare Nähe des Grabens, sondern hundert Meter davon entfernt. Dies liegt schlicht daran, dass sich in direkter Nähe des Grabens kein Nachweis für eine Mauer finden ließ.  

  Aber welche Beweise fand das aktuelle Archäologenteam für 'ihre' Mauer?  

  Da sich die 'Unterstadt' nur südlich, nicht aber nördlich der Burg erstreckt, müsste eine sie umschliessende Mauer zwangsläufig irgendwo an die Burgmauer reichen. An diesen Anschlussstellen müsste am ehesten der Beweis für diese Mauer zu führen sein. Und es gibt eine Stelle, die Korfmann für ideal hielt: die sogenannte Nordostbastion. Ein Eckturm der Burgmauer, der aussergewöhnlich groß war, einen Brunnen umschloß, einen Zugang sowohl aus der Burg, als auch aus der Ebene bot und ein Stück aus der Burgmauer ragt, das einen Anschluß einer weiteren Mauer zumindest möglich erscheinen lässt.  

  Und genau an dieser Stelle wurde man 1995 fündig. Was man fand, war ein 7 m langes Steinfundament, etwa 1 m hoch, in Ost-West-Richtung an die Bastion angrenzend. Über diesem Fundament befand sich nach Korfmanneine Mauer aus Lehmziegeln. Dies würde auch erklären, warum sonst kein Nachweis der Mauer gelang, da Lehmziegel recht schnell zerfallen. Aber andererseits erschwert das die Deutung des Fundes als 'Unterstadtmauer'. So ist diese Mauer weit weniger beeindruckend als die troianische Burgmauer, entspricht aber auch nicht der Qualität und Größe irgendeiner anderen bronzezeitlichen Stadtbefestigung. Doch das gefundene Steinfundament schließt nicht mal an die Nordostbastion an oder war gar mit dieser verbaut, wie man es von einer Mauer auf dem Niveau der troianischen Burgbefestigung erwarten könnte. Sie weist stattdessen sogar eine Lücke von etwa 2 m zur Bastion auf.  

  Ganz davon abgesehen, dass Homer kein Wort von zwei Mauern schreibt,einem Verteidigungsgraben, oder einer Siedlung ausserhalb der Mauern.  

  Er könnte aber natürlich mögliche Überreste der Unterstadtbefestigung uminterpretiert und vor das Schiffslager der Griechen gelegt haben, das er mit Mauer und Graben beschreibt, zwischen denen Wagen hin und herfahren konnten - die also in einigem Abstand voneinander gebaut gewesen sein müssten.  

Fussnote(n):
[4] Kolb, Frank: War Troia eine Stadt? In: Ulf, Christoph (Hrsg.): Der neue Streit um Troia. Eine Bilanz. München 2003, S. 120-145. Hier S. 127.
[5] Manfred Korfmann: Die prähistorische Besiedelung südlich der Burg Troia VI/VII. In: Studia Troica 2 (1992), S. 123-146, hier S. 144.

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