Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Brendecke, Arndt

 
 

„Diese Teufel, meine Papiere ...“ Philipp II. von Spanien und das Anwachsen administrativer Schriftlichkeit [*]

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  Eine weitere Strategie bestand darin, in der Fülle des Schrifttums eindeutige Präferenzen zu setzen, d.h. das Wichtige vom Unwichtigen scheiden zu können. In bürokratischen Prozessen wird dies typischerweise durch die Markierung des Eiligen erreicht, nicht immer mit den gewünschten Verbesserungseffekten. Dieses ist auch im Falle Philipps II. zu beobachten, dessen Sekretäre aufgefordert waren, eilende Schriften zu markieren. 1588 merkte Philipp jedoch gegenüber seinem Sekretär an, daß ihn die eiligen Angelegenheiten ‚zerstören’ würden, da sie ihn von dem abhielten, was er eigentlich zu tun geplant hatte. [37] Die Unterscheidung des Wichtigen und des Unwichtigen gipfelt letztlich einerseits in der Archivierung von Schriften, andererseits in ihrer Verbrennung. Das Archiv von Simancas diente nicht nur dazu, wichtige Staatspapiere sicher zu bergen, sondern natürlich auch dazu, den Überlauf der Papiere in den einzelnen Ratsgremien organisiert aufnehmen zu können, zumal sich an allen möglichen Orten, nicht zuletzt in den Privathäusern der Räte, kleine de facto-Archive (archivillos) ausbildeten und man von dieser Desorganisation der Dokumente großen Schaden befürchtete. Die Sekretäre des Indienrates hatten dementsprechend jährlich ihre Register durchzugehen und zu deklarieren, welche Papiere nach Simancas übersendet würden. Eine andere Anweisung lautete, daß die Übersendung jeweils dann stattzufinden habe, wenn das eigene Archiv des Indienrates voll sei. [38] Dies zeigt, daß die Auslagerung auch zu einem ad hoc-Verfahren werden konnte, bei dem die Dokumente aus dem Rat ins Archiv, aus der Hauptstadt Madrid in die Festung Simancas über­führt wurden. Ein anderes Beispiel für einen solchen Prozeß des ‚Überlaufens’ der zentralen In­stanzen enthält der Reisebericht der Madame d’Aulnoy von 1691. Demnach wurden die sich in Madrid ansammelnden Prozeßschriften einmal jährlich in Säcken zusammengeschnürt und an weit entfernte Gerichte versandt. In die Hauptstadt sollte nur das Urteil zurückgemeldet werden. [39]  

  Philipp II. selbst hatte Instruktionen für das Archiv von Simancas formuliert, aus denen seine Vorstellungen über dessen Funktionsweise klar herauslesbar ist. Auffällig ist dabei einerseits die direkte Verfügungsgewalt des Königs über Archiv-Auskünfte und die Genehmigung von Abschriften, die seiner persönlichen Anordnung bedurften. [40] Andererseits ist die Sorge um ein Feuer im Archiv bestimmend. Jegliche Beheizung oder auch Beleuchtung der Festung von Simancas wurde untersagt und die Arbeitszeiten entsprechend streng an die Verfügbarkeit des Tageslichtes angepaßt. [41] Ein dort Ende des 16. Jahrhunderts arbeitender Schreiber berichtet, daß man wegen der Kälte und des mangelnden Lichts im Archiv selbst sehr wenig geschrieben habe. [42]  

  Die bewußte Verbrennung von Schriften war indes außerhalb des Archivs eine relativ übliche Praxis. Sie geschah interessanterweise nicht nur mit dem Zweck, Geheimnisse bewahren zu können oder häretische Schriften zu vernichten, sondern auch aus dem ganz pragmatischen Grund, sich alter und nutzloser Schriften zu entledigen. Philipp II. ließ so einerseits den Schriftwechsel mit seinem Beichtvater Diego de Chaves und die hinterlassenen Dokumente seines Sohnes Don Carlos verbrennen, andererseits aber auch „Papiere, die alte Dinge betreffen würden und keinen Nutzen mehr besäßen“ – „que no sean ya menester“. So schlug Philipp auch die Verbrennung eines Teils der Korrespondenz mit seinen geliebten Töchtern vor, nicht etwa, um so die Vertraulichkeit der Korrespondenz zu wahren, sondern schlicht aus pragmatischen Gründen: „por no cargar más de papeles“. [43]  

Fussnote(n):
[37] Parker 2000, 30; Escudero 2002, 51–56.
[38] Recopilación [ 1681 ] 1973, lib. II, título VI, ley 51; ebenda, lib. II, título II, ley 70.
[39] Navarro Bonilla 2003, 137 f.
[40] Instrucción ([ 1588 ] 1989), 110.
[41] Instrucción ([ 1588 ] 1989), 111 f.
[42] Bouza 2001, 44 f.
[43] Alvar Ezquerra 2000, 230; Bouza 1996/97 I, 4.

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