3. Nach der konservativen Wende Ludwigs I. - Schrittweise Restriktion des Studienwesens in Bayern 1830/32 bis 1847
In der Regierungszeit Ludwigs I. stellen die auf die Julirevolution folgenden Jahre eine Schlüsselphase dar. Die französische Julirevolution wirkte auf Bayern wie ein "Katalysator, der politische, wirtschaftliche und soziale Spannungen [in Form von Tumulten und Flugblattaktionen, AH] zum Ausbruch kommen ließ".[26] Auch wenn diese "spontanen Erhebungen" des Jahres 1830 nicht die Form "organisierte[r] Revolten" annahmen,[27] bewirkten sie bei Ludwig I., daß "sich der Akzent seiner Politik entsprechend seinem Temperament und der polizeistaatlichen Mentalität vormärzlicher Regierungsweise insgemein [!] auf repressives Vorgehen" verlagerte.[28] Die Münchener Dezemberunruhen 1830 enttäuschten vor allem sein Vertrauen in die studentische Jugend, weshalb er "nun zu schroff zufahrenden Maßnahmen" neigte.[29]
Es verwundert nicht, daß eine Reihe von Zusatzverordnungen die 1827 erreichte Studienfreiheit nun wieder einschränkte. Eine erste restriktive Einschränkung erfuhr das Immatrikulationsverfahren. Studierende mußten nun zu Beginn eines jeden Semesters ihre Studentenkarte erneut gegenzeichnen lassen, sich bei Unterbrechung des Studiums dem kompletten Immatrikulationsverfahren erneut unterziehen und bei der Immatrikulation die Kollegien angeben, die sie besuchen wollten. Diejenigen, die sich über die Dauer der Vorlesungszeit an der Universität aufhielten, hatten dies zu begründen.[30] Ein weiteres Instrument zur Kontrolle der Studierenden waren die Strafprüfungen. Eltern der Studierenden, Universitätsbehörden und der Ministerialkommissär konnten diese bei politischen Verdachtsmomenten und nachlassendem Studienfleiß anordnen bzw. beantragen. Die Prüfungen sollten den Charakter einer "ernsten Mahnung" haben,[31] die Studierenden von politischer Betätigung abhalten und sie zu erhöhtem Studieneifer ermuntern. Ein wiederholtes Nichtbestehen der Prüfung zog die Verweisung von der Universität nach sich.[32] Es ist unklar, ob diese Maßnahmen wegen dem wenig "hörsaalfüllenden Erfolg" der gültigen Statuten entstanden oder durch den Politikwandel des Königs nach den Jahren 1830/32 motiviert waren.[33] Die neue Statutenauflage vom 18. Mai 1835 faßte diese Einzelverordnungen zusammen.[34]
Ihren Höhepunkt erreichte die Einschränkung der Studienfreiheit mit der unter Innenminister Karl v. Abel erlassenen Verordnung zur Regelung der philosophischen Studien vom 10. Mai 1838, die das philosophische Vorstudium wieder einführte, es - in Angleichung an die Lyzeen - einer strengen Reglementierung unterzog und die philosophischen Sektionen der Lyzeen mit der philosophischen Fakultät gleichsetzte.[35] Die Ende 1838 erschienenen Anhänge zu dieser Verordnung unterwarfen die Studierenden der allgemeinen Wissenschaften darüber hinaus der disziplinarischen Aufsicht eines Ephors.[36] Dies ist aber nicht als reaktionäre Maßnahme Ludwigs I., sondern als hochschulplanerischer Akt zur Vereinheitlichung des höheren Bildungswesens der Universitäten und Lyzeen zu sehen.[37] Die näheren Ausführungsbestimmungen regelten die revidierten Vorschriften vom 13. Februar 1842.[38]
Mit der Verschärfung des Studienwesens erlangten auch die Ämter der Ministerialkommissäre wieder eine höhere Bedeutung. Ludwig besetzte diese Positionen bereits 1832 in München und Würzburg wieder hauptamtlich.[39] Anlaß zur Besorgnis gab den Studierenden vor allem der Münchener Ministerialkommissär Anton v. Braunmühl - der Mann, der bereits als Landshuter Stadtkommissär 1825/26 - "die Studenten so lieb gehabt habe, daß er so viele als möglich immer zu sich in den Karzer genommen." -[40] Nachdem er bereits aus Anlaß des Hambacher Festes 1832 und des Frankfurter Wachensturms 1833 einen beachtlichen Überwachungseifer entfaltet hatte, kam das studentische Verbindungsleben in München seit 1833/34 entweder zum Erliegen oder war weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Die genehmigten Gesellschaften mußten verschiedene "Knebelungs- und Erdrosselungsversuche" Braunmühls, den KAUFMANN zu Recht als den "spiritus rector dieses [...] Zermürbungs- und Aushungerungskrieges" sieht, über sich ergehen lassen.[41] Hochschüler mit kleiner Matrikel (Pharmazeuten, Forststudenten und Technikschüler) durften keiner Verbindung beitreten; ordentlichen Studierenden war dies nur gestattet, sofern sie das den Fachstudien vorgelagerte Studium der allgemeinen Wissenschaften absolviert hatten. Durch Kneipvisitationen - den zeitgenössisch sogenannten "Philosophenfang" - versuchten die Polizeibehörden festzustellen, ob Philosophiestudenten unerlaubt an Verbindungstreffen teilnahmen.[42] Um das Aufspüren von Verbindungsmitgliedern zu vereinfachen, ließ Braunmühl außerdem ihre Legitimationskarten farblich kennzeichnen - eine Vorschrift, die der König nach eindringlichen Vorstellungen der Landsmannschaften allerdings zurückzog.[43]