Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

de la Camp, Vera und Wallner, Mike

 
 

Erasmus in Spanien – ein Augenzeugenbericht

Artikel empfehlen  

  vorherige Seite (Seite 3 von 3)

 

Spanien: Die Englischfalle

Bekanntermaßen leben wir im Zeitalter der offenen innereuropäischen Grenzen und der grenzenlosen Reisemöglichkeiten. Ohne großen Aufwand kann man sehr leicht in weniger als drei Stunden von Deutschland nach Madrid fliegen. Dies kostet dann meist auch noch weniger Geld, als eine Zugfahrt von München nach Hamburg. Außer von jetsettenden Geschäftsleuten wird diese grenzenlose Reisefreiheit ganz besonders von jungen, mobilen Leuten genutzt, die zu jeder Jahreszeit in den diversen Hostels üblicherweise als Backpacker anzutreffen sind. Jenseits von Kurzzeittrips bilden Studenten die größte Gruppe der intereuropäischen 'Migranten', die ein oder zwei Semester, meist mit einem Erasmus-Stipendium der Europäischen Union ausgerüstet, im Ausland verbringen. Das einzige größere Problem hierbei ist wohl lediglich das Faktum, dass trotz eines einheitlichen europäischen Wirtschaftsraumes immer noch zahlreiche unterschiedliche idiomatische Sphären existieren. Sprich: Viele verschiedene Sprachen. In den meisten Fällen reduziert sich diese Problematik aber auf ein Minimum, denn dank Englisch als lingua franca funktioniert eine innereuropäische Kommunikation trotz aller sprachlicher Unterschiede. So ist es beispielsweise in Schweden durchaus möglich, auch ohne ausgeprägte Schwedischkenntnisse in den meisten Lebenslagen ganz gut zu Recht zu kommen. Beinahe jeder Schwede ist auch auf englisch ansprechbar und antwortet auch meistens freundlich in mehr oder weniger geschliffenen Worten, aber doch zumindest so, dass eine für beide Seiten befriedigende Verständigung zustande kommt. Auch werden an schwedischen Unis durchaus Kurse in englischer Sprache angeboten. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass man auch hier in Madrid recht häufig Studenten aus Deutschland antrifft, die mit dem im Grunde in keinster Weise völlig abwegigen Gedanken hergekommen sind, hier mit wenig bis keinem Spanisch schon irgendwie durchzukommen, wenn nicht sogar studieren zu können. Aber sogar heute, in den Zeiten der grenzenlosen Kommunikation gibt es sie nach wie vor: Die idiomatischen weißen Flecken auf der Landkarte, die sich der grenzenlosen Kommunikation nicht nur nicht öffnen, sondern sich ihr beinahe schon verweigern. Spanien ist so ein weißer Fleck, zumindest, wenn man die mangelnden Fähigkeiten der Spanier im Englischen betrachtet. Schon kleine Alltagssituationen können sich als etwas schwierig für jemanden erweisen, der des Spanischen wenig bis nicht mächtig ist. Es beginnt zum Beispiel beim Bäcker, also in der pastelería, wenn man als Anglizismen gewohnter Deutscher einen Muffin bestellt. Denn die kleinen Kuchen in der Auslage sind nach unserem Verständnis zwar ganz eindeutig Muffins, aber man erntet auf der anderen Seite der Theke trotzdem nur unverständiges Kopfschütteln. Erst nach weiteren Erklärungen und dem Zeigen auf das Gewünschte wird dann klar, dass man eine der magdalenas haben möchte. Ganz ähnlich geht es einem mit Hot Dogs, denn dieses wohl auf der ganzen Welt bekannte amerikanische Fastfood ist hier gänzlich unbekannt. Es gibt sie zwar in Spanien natürlich auch, die „heißen Hunde', aber eben als perritos calientes. Auch jenseits der kulinarisch-idiomatischen Eigenheiten gibt es für beinahe jedes allgemein übliche englische Wort eine passende spanische Übersetzung. Ganz schwierig wird es in der Welt der Informationstechnologie. Denn eigentlich könnte man ja annehmen, dass Worte wie Internet oder Computer eine so große internationale Bedeutung haben, dass sie, wenn schon nicht gebräuchlich, so doch zumindest in allen Sprachen bekannt sind. Aber weit gefehlt. Nach dem nächsten Internetcafé kann man auf der Straße niemanden fragen, man muss einfach wissen, dass es hier nur locutorios gibt. Das Internet an Sich ist als solches höchstens in intellektuellen Kreisen bekannt, ansonsten ist es einfach das Netz, also das red, und man geht dort auch nicht auf eine Website, sondern auf eine página web. Und auch der Computer ist hier nicht existent, sondern es gibt ihn lediglich in Form des ordenador.  

Jenseits solcher singulären Wortschwierigkeiten beginnen die wahren Probleme eigentlich erst. Als Erasmus-Student darf man nicht davon ausgehen, an der Uni im Büro für Internationale Angelegenheiten einen Angestellten anzutreffen, der einem als nicht-spanisch Sprechenden bei der Einschreibung helfen kann. Und wenn man das trotz aller Hindernisse dennoch irgendwie zu Wege gebracht hat, dann stellt sich einem in den Vorlesungen und Kursen die gleiche Problematik. Es ist nicht selbstverständlich, dass man sich mit den Professoren auf Englisch unterhalten kann, und die Lehre wird in den meisten Fällen beinahe ausschließlich in der Landessprache gehalten. So wird sogar in Zeiten des grenzenlosen Europa dem Fremdsprachenunterricht an Schulen keine besondere Priorität eingeräumt, so dass es immer noch Leute jeden Alters gibt, die außer Spanisch überhaupt keine andere Sprache sprechen. Und wenn einem tatsächlich einmal jemand begegnen sollte, der ein wenig Englisch beherrscht, dann spricht derjenige meist mit einem so starken Akzent, dass man sowohl im Spanischen als auch im Englischen sehr gut sein muss, um sich ungefähr erschließen zu können, wovon die Rede ist.

Von Arztbesuchen bis hin zur zwischenmenschlichen Kontaktaufnahme, das Spanische ist also der Schlüssel zu allem. Sobald man aber diesen Schlüssel besitzt, hat man die besten Voraussetzungen für einen einmaligen Aufenthalt in Spanien, und es eröffnet sich einem hier nicht nur die Möglichkeit, von den wirklich guten Universitäten etwas sinnvolles mitzunehmen, sondern man hat tatsächlich die Chance, jenseits der üblichen Erasmus-Dunstkreise auch Kontakte und sogar echte Freundschaften zu Spaniern aufzubauen.

Deswegen hier zum Schluss ein allgemeiner Aufruf für alle diejenigen, die nicht nur wegen Fiesta und Sangría nach Spanien gehen wollen, sondern die wirklich in Spanien STUDIEREN wollen (einschließlich Prüfungen, Scheinen und Kontakt zu Kommilitonen): Man kommt in Spanien nicht mit Englisch durch, also lernt zur eigenen Frustersparnis vor Reiseantritt unbedingt Spanisch!! Und zwar mehr als der Kurs Anfänger I hergibt.

Und ganz allgemein: Jedem, der gerne ins Ausland gehen möchte, dem kann Spanien absolut uneingeschränkt empfohlen werden.
 

 
Empfohlene Zitierweise:

de la Camp, Vera und Wallner, Mike: Erasmus in Spanien – ein Augenzeugenbericht, in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten [Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07],
www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?ausg=3&id=53&subid=48
[Letzter Aufruf am xx.xx.xxxx]

 

de la Camp, Vera und Wallner, Mike

Vera de la Camp
Die Autorin wurde in Baden-Baden geboren, hat aber einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend in Erlangen verbracht. Nach dem Abitur im Jahr 2001 und einer anschließenden Ausbildung zur Fremdsprachen-Korrespondentin für Spanisch und Englisch begann sie in Bonn das Studium der Politikwissenschaft mit den Nebenfächern Neuere Geschichte und Kunstgeschichte. Nach dem Grundstudium wechselte sie im Oktober 2005 an die LMU nach München und ist seit September diesen Jahres für ein Jahr im Rahmen des Erasmus-Programms in Madrid an der Universidad Autónoma. Neben der Uni engagiert sie sich für das europäische Studentennetzwerk AEGEE (Association des États Généraux des Étudiants de l´Europe).

Mike Wallner
Der Autor ist 1984 in München geboren. Er besuchte dort die Grundschule und legte sein Abitur am humanistischen Maximiliansgymnasium im Jahre 2004 ab. An der LMU studiert er Neue Geschichte, Sozial-/Wirtschaftsgeschichte und Politik. Nach dem Grundstudium und gleichzeitiger Arbeit für die Studierendenvertretung hat er seiner Heimat nun für ein Jahr den Rücken gekehrt, um in der spanischen Hauptstadt ein Jahr zu studieren. Sein Interesse gilt der Internationalen Politik und besonders den europäischen Beziehungen.

Aventinusartikel:

  vorherige Seite  


[1]  [2]  [3]