Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06)
 

Ginster, Regina

 
 

Das so genannte Wirtschaftswunder der 1950er - Westdeutschland springt auf den Zug der Moderne

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  An die Visionen der sozialen Marktwirtschaft, die 1948 parallel zur Währungsreform eingeführt wurde und damit einen wirtschaftsorientierten Kurs in der Politik bestimmte, glaubte noch lange nicht jeder. Hinter dieser Entscheidung stand eine grundlegende Debatte deren Kontrahenten sich um die Pole Marktwirtschaft gegenüber Planwirtschaft stritten. Dennoch konnten die Vertreter der Marktwirtschaft, deren bekanntester Ludwig Ehrhard war und welcher damals noch in seiner Funktion als Vorsitzender des alliierten Wirtschaftsrates tätig war, gegen den Widerstand des linken Parteienflügels und den Gewerkschaften, ihr Konzept durchsetzen. Die Rückgewinnung ökonomischer Handlungsfreiheit galt dann als wichtigste Voraussetzung für den Aufbruch in den Wohlstand.
Auch außenpolitisch war mit der Wirtschaftsreform ein erster großer Schritt zurück in die europäische Staatengemeinschaft getan. Da die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin der Weimarer Republik neben den Kriegsschulden auch Vorkriegsschulden zu begleichen hatte, war ein funktionierender Wirtschaftskreislauf wichtig, um als Handelspartner wieder Vertrauen zu finden.
 

  Bereits im Juni 1950 bangte man um die neu gewonnene Hoffnung: Der Ausbruch des Koreakrieges ließ Rohstoffpreise in die Höhe schnellen und bescherte Deutschland erneut Preissteigerungen und Devisenmangel. Die Lage war prekär genug, dass Amerika die Fortführung der Dollarhilfe kurzfristig an das Gebot von rüstungsrelevanten Investitionen band. Erst seit dem "Investitionshilfegesetz" von 1952 konnte die Korea-Krise in den Korea-Boom verwandelt werden: Mit Hilfe einer einmaligen Zwangsanleihe von 1 Milliarde DM für die Konsumgüterindustrie und der Möglichkeit von Sonderabschreibungen für wirtschaftliche Problembereiche stabilisierte sich die Industrieentwicklung.
Nachdem die Staatskasse wieder über eigenes Geld verfügte, ging Bundeskanzler Adenauer noch im gleichen Jahr die Verhandlungen zur Wiedergutmachung zwischen Deutschland, Israel und den Abordnungen der "Jewish Claims Conference" an. In dieser "Conference of Jewish Material Claims against Germany" (kurz: "Claims Conference") wurde damals über die Summe von mehreren Milliarden DM verhandelt. Auf deutscher Seite versuchte man diese neuen, wenn auch notwendigen Zahlungsverpflichtungen möglichst gering zu halten und konnte sie schließlich auf 3,5 Milliarden DM, die zudem vor allem in Warenlieferung an Israel gingen, festschreiben. De facto sind die Verhandlungen der "Claims Conference" noch nicht abgeschlossen: Abordnungen der "Claims Conference" befinden sich mit Vertretern der Länder Deutschland und Österreich sowie mit Repräsentanten von Industrie und Banken bis heute in Gesprächen. Seit 1952 wurden so mehr als 50 Milliarden US Dollar als Kriegsentschädigung für Leid und Verlust, welches durch die nationalsozialistische Herrschaft entstand, transferiert.
Eine weitere Entwicklung, die zur Konsolidierung der Finanzen beitrug, war das "Londoner Schuldenabkommen" (1953). Konrad Adenauer und sein Berater Hermann Josef Abs betrachteten die Kreditwürdigkeit Deutschlands als unabdingbare Voraussetzung für den deutschen Wirtschaftsaufschwung. Dieses Schuldenabkommen sah vor, den Abbau sämtlicher Auslandsschulden, der hauptsächlich durch Wirtschaftshilfe entstanden war, vertraglich zu garantieren. Zu diesem Betrag wurden auch besagte Vorkriegsschulden und der Anteil, der nach geltendem Recht der DDR zugefallen wäre, gerechnet. Ein zweiseitiges Abkommen zwischen Schuldner und Gläubiger besiegelte eine jährliche Rate von 7,5 Milliarden DM. Durch die rapide steigende Wirtschaftsleistung konnte man bald vorzeitige Tilgungsraten leisten.
 

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