Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06)
 

Günther, Wolfgang

 
 

Konkurrenz für Olympia (?). Wie man Olympionike werden konnte, ohne in Olympia gesiegt zu haben.

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  Es sei ein "altehrwürdiger und  der ruhmreichste Agon", wird in einer jüngst in der nordwestkleinasiatischen Küstenstadt  Alexandreia/Troas gefundenen Inschrift mit einer Festordnung des Kaisers Hadrian (117 - 138 n.Chr.) von den zu Ehren des Zeus von Olympia abgehaltenen Wettkämpfen, den Olympien (griechisch: ta Olympia), gesagt.[1] Stets waren diese Olympien (ihre geläufige,  modernisierende Bezeichnung als 'Olympische Spiele' ist eher irreführend und verfälscht den Ton[2]), die nach der antiken, kanonisch gewordenen, aber historisch nicht unumstrittenen Datierung seit dem Jahr 776 in regelmäßigem Turnus alle vier Jahre stattfanden, in ihrer über elf  Jahrhunderte langen Geschichte[3] das bedeutendste Fest, stets war der olympische Agon in der Hierarchie aller Agone der "heiligste".[4]
Im grundlegenden Unterschied zur Ideologie des modernen Sports war jedoch "Dabeisein" nicht "alles", vielmehr zählte nur der Sieg, der keinen Zweit- oder Drittplazierten berücksichtigte und alle anderen Teilnehmer der betreffenden Kampfdisziplin als Verlierer disqualifizierte.[5] Sinnbild olympischen Ruhms war die offizielle Ehrung des Siegers mit einem Kranz aus dem (gebogenen, nicht geflochtenen) "Zweig des wilden Ölbaums",[6] den zu erringen nach den Worten des kaiserzeitlichen Redners Dion Chrysostomos (ca. 40 - 120 n. Chr.) "schon viele höher geschätzt haben als selbst das Leben".[7]
 

  Am Ruhm des Olympioniken partizipierte auch seine Heimat, deren Name bei der Proklamation des Sieges in Olympia mit ausgerufen wurde; häufig wird deshalb in den Siegerinschriften thematisiert, daß der Sieger durch seinen Erfolg seine Heimatstadt bekränzt habe.[8} Zur Verewigung des Ruhmes trug schließlich bei, daß Olympioniken die Erlaubnis erhielten, im Heiligtum des olympischen Zeus eine Siegerstatue zu errichten, die in Bild und in Wort - letzteres in Form  einer auf der Basis der Statue aufgezeichneten Inschrift - den agonistischen Erfolg für die historische Erinnerung festhielt. Im Lauf der Jahrhunderte entstand auf diese Weise in Olympia ein in der antiken Welt ganz singuläres Ensemble zahlloser Siegesdenkmäler. Sie sind zwar - bis auf einen Teil der Statuenbasen mit ihren für den Historiker bedeutsamen Inschriften - untergegangen, doch vermittelt uns der im späten 2. Jh.n.Chr. verfaßte, ausführliche Bericht des Pausanias in seiner "Beschreibung Griechenlands" ein sehr farbiges, eindrucksvolles Bild vom Gesamterscheinungsbild des Heiligtums und seiner einzelnen Siegesdenkmäler, von denen er, in Auswahl,  knapp zweihundert Monumente, hauptsächlich des 6. bis 2. Jhs.v.Chr., ausführlich mit historischen Erläuterungen und epigraphischem Kommentar beschreibt.[9]
Zu den Ehrungen in Olympia selbst konnten für einen Olympioniken noch handfeste materielle Vorteile in seiner Heimat hinzukommen. Schon früh ist uns dies für Athen bezeugt, wo Olympiasieger seit Anfang des 6. Jhs.v.Chr. die stattliche Prämie von 500 Drachmen erhielten , die dem Wert einer Herde von 500 Schafen entsprach;[10] im 5. Jh. verfügte der athenische Staat zusätzlich, daß sie - mit den Nachkommen der als politische Märtyrer verehrten Tyrannenmörder gleichgestellt - das "Recht der Speisung im Prytaneion", d.h. einen lebenslänglichen Freitisch, erhielten.[11] Dasselbe Privileg besaßen im übrigen auch die Sieger bei den ebenfalls panhellenischen Agonen der Pythien, Isthmien und Nemeen. Diese drei Agone waren  im frühen 6.Jh. eingerichtet worden: 582 die nach Apollon Pythios, dem Orakelgott von Delphi, benannten, wie die Olympien penteterischen, d.h. alle vier Jahre gefeierten Pythia und die ungefähr gleichzeitig eingeführten trieterischen, d.h. alle zwei Jahre stattfindenden Isthmia bei Korinth sowie die wohl 573 begründeten, ebenfalls trieterischen Nemeia.[12]
 

Fussnote(n):
[1] Die Publikation dieses bedeutenden epigraphischen Neufundes wird von E.Schwertheim/Münster vorbereitet und wird in der Reihe der Asia Minor Studien erscheinen.
[2] Der griechische Begriff betont den Kampf (das Bedeutungsspektrum reicht bis zum politischen, kriegerischenKonflikt). Gleichfalls fremd war der Antike die Benennung des Festes und Agons als Olympiade; mit diesemBegriff bezeichnete man das Vierjahresintervall zwischen zwei Feiern. Daß die Olympiadenzählung zu einerweitverbreiteten Zeitrechnung in der griechischen Welt wurde, unterstreicht einmal mehr die überragendeBedeutung Olympias.
[3] Aus der Fülle der zu Olympia erschienenen Literatur seien hier nur wenige Titel genannt. Vorzüglich ist nochimmer die Monographie von J. Ebert u.a., Olympia. Von den Anfängen bis zu Coubertin, Leipzig 1980. Sehrgute Einführungen sind die jüngst erschienenen Darstellungen von U. Sinn, Olympia. Kult, Sport und Fest inder Antike, München 1996 (Beck Wissen) ; ders., Das antike Olympia. Götter, Spiel und Kunst, München 2004,und von R(osemarie) Günther, Olympia. Kult und Spiele in der Antike, Darmstadt 2004.
[4] So in einer Inschrift von Olympia aus hadrianeischer Zeit; W. Dittenberger, Sylloge Inscriptionum Graecarum III, Leipzig 19203 ,1073 II 22.
[5] "Alle brachte ich um den Kranz", berühmt sich ein Olympionike in seinem Siegesepigramm; s. J. Ebert, Griechische Epigramme auf Sieger an gymnischen und hippischen Agonen, Berlin 1972, 225 Nr. 76 B 8.
[6] Ebert (wie A.5) a.a.O. B 2; ähnlich in dem Epigramm ebda Nr. 178, 3.
[7] Dion Chrys.1, 110.
[8] So schon in einem Epigramm für den Aigineten Theognetos (1. H. 5. Jh.v.), "der die Stadt seiner trefflichenVäter mit dem Kranz geschmückt" (Ebert a.a.O. 58 f. Nr. 12, 4 mit weiteren Belegen 59; zum Motiv vgl. auchdie Bemerkungen von L. Robert, Revue de Philologie 41, 1967, 21 - 25).
[9] Beschreibung des Heiligtums und seiner Geschichte: Pausan. Buch 5, 7 - 27; der Siegerstatuen Buch: 6, 1 - 18;s. dazu V.-H. Herrmann, Die Siegerstatuen von Olympia, Nikephoros, Zeitschrift für Sport und Kultur imAltertum 1, 1988, 119 - 183; O. Peim, Die Siegerstatuen von Schwerathleten in Olympia und ihre Zusammenstellung durch Pausanias, Nikephoros 13, 2000, 95 - 109. Die Bedeutung Pausanias als Historiker ist in jüngerer Zeit aufgewertet worden; s. hierzu die grundlegende Monographie von Ch. Habicht, Pausanias und seine "Beschreibung Griechenlands", München 1985.
[10] Plutarch, Solon 23.
[11] Inscriptiones Graecae I3 131, 11 - 14.
[12] Pythia: I.Weiler, Der Sport bei den Völkern der Alten Welt, Darmstadt 1989, 128 - 131; W. Decker, Sport inder Antike, München 1995, 48 - 52; Isthmia: Weiler 131 - 133; Decker 52 - 55; Nemeia: Weiler 134f.; Decker 55 - 59; S.D. Lamberts, The Date of the Nemean Games, Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 139, 2002, 72 - 74.

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