Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Hofmann, Andreas C.

 
 

Studium, Universität und Staat in Bayern 1825 bis 1848.Eine Skizze der Universitätspolitik Ludwigs I.[*]

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Mit der Translokation stellte Ludwig der Ludwig-Maximilians-Universität zugleich neue Statuten in Aussicht. Er wollte ihr "als Normaluniversität exemplarische Bedeutung für die anderen bayerischen Universitäten zukommen" lassen.[18] Einer einflußreichen Gruppe um Friedrich Thiersch und Friedrich Wilhelm Schelling gelang es schließlich, den König auf die Studienfreiheit der Georgia Augusta in Göttingen als Vorbild festzulegen. Hatte Ludwig diese Universität doch selbst besucht und die Vorteile ihrer Studienfreiheit genossen.[19] Die am 27. November 1827 in Kraft getretenen Statuten hoben den Kollegienzwang sowie die Semestralprüfungen auf und ersetzten die Studienpläne durch unverbindliche Belehrungen, die den Charakter eines Studienleitfadens hatten.[20] Der Lockerung des Studienwesens folgte auch eine Liberalisierung der Vorschriften über studentische Verbindungen. Den zuvor nur tolerierten Gesellschaften war es seit August 1827 möglich, unter bestimmten Voraussetzungen von der Regierung bestätigt zu werden.[21]

Die Beratungen über die neuen Organisationsstatuten der Universitäten in Bayern brachten Ludwigs liberale Universitätspolitik erneut zum Ausdruck. Der Entwurf gab den Universitäten einen Teil ihrer alten Rechte zurück und - das ist das Bemerkenswerte - sah die außerordentlichen Ministerialkommissionen an den Universitäten nicht mehr vor.[22] Der für das Bildungswesen zuständige Innenminister Eduard v. Schenk schrieb 1829 an Ludwig, daß die Absicht bestehe, Antrag auf die Auflösung der Ministerialkommission zu stellen, - "um die freie Bewegung der Universität nicht mehr und nicht länger zu hemmen, als der politische Zweck es erforderte." -[23] Dies verblüfft insofern, als Bayern bereits 1819 die Karlsbader Beschlüsse nur mit Vorbehalten geltend machte und einen außenpolitischen Eklat mit den deutschen Großmächten in Kauf nahm.[24] Ob das Königreich bereit gewesen wäre, ähnliche Verwerfungen erneut zu riskieren, ist  unklar.

Die weitere politische Entwicklung seit den Dezemberunruhen 1830 machte eine Genehmigung allerdings unmöglich. Diese Tumulte entstanden, als einige Studenten - überwiegend Mitglieder der Münchener Burschenschaft Germania -, dem unbeliebten Rektor Allioli in der Christnacht eine Katzenmusik darbrachten. Als sie hierauf mit der Polizei wegen Ruhestörung in Konflikt gerieten, verhaftete diese einige der Unruhestifter. Bei den folgenden Versuchen, die Kameraden zu befreien, kam es zu schweren Auseinandersetzungen. Da die Staatsspitze eine Revolution befürchtete, zogen die Behörden das Militär hinzu, wodurch die Situation weiter eskalierte. Der König verfügte hierauf die Schließung der Universität, die er erst nach eindringlichen Vorstellungen der Münchener Bürgerschaft zurücknahm. Das Vertrauen Ludwigs in die studentische Jugend war nachhaltig geschädigt. Die Germania wurde aufgelöst, ihre Mitglieder durften nur in München bleiben, sofern sie einen Bürgen stellen konnten.[25]

 

Fussnote(n):
[18] Dickerhof-Fröhlich: Studium, S. 13.
[19] Zur Studienzeit Ludwigs I. in Göttingen vgl. Hermann Thiersch: Ludwig I. von Bayern und die Georgia Augusta. Berlin 1927, ND Nendeln 1970; zu seiner Studienzeit in Landshut vgl. Hans-Michael Körner: Kurprinz Ludwig in Landshut (1803), in: Laetitia Boehm / Gerhard Tausche (Hrsg.): Von der Donau an die Isar. Vorlesungen zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität 1800-1826 in Landshut (=Ludovica Maximilianea: Forschungen Bd. 20). Berlin 2003, S. 101-114.
[20] Die revidierten Satzungen für Studierende [!] an den Hochschulen des Königreichs Bayern, 26.11.1827, in: Döllinger: Sammlung Bd. 9, § 207. - Zu den Statuten und ihrer Entstehungsgeschichte ausführl. Huber: Ludwig I., S. 64-83; ferner Seidel-Vollmann: Philologie, S. 107-111; Dickerhof-Fröhlich: Studium, S. 9-15; kurz Boehm: Bildungswesen, S. 1014f.
[21] Allerhöchste Entschließung, die Studentenvereine betr., 31.7.1827, in: Döllinger: Sammlung Bd. 9, § 334.
[22] Entwurf für die Organisation der Universitäten in Bayern, 28.9.1829, in: Huber: Ludwig I., S. 151-177.
[23] Doeberl: Ludwig I., S. 37; Huber: Ludwig I., S. 92.
[24] Zur bayerischen Rolle bei den Karlsbader Beschlüssen exemplarisch Büssem: Beschlüsse, Kap. 2.4.2.1; Lieselotte Klemmer: Aloys von Rechberg als Bayerischer Politiker (1766-1849) (=Miscellanea Bavarica Monacensia Bd. 60). München 1975, Kap. IX; Karl-Otmar v. Aretin: Die deutsche Politik Bayerns in der Zeit der staatlichen Entwicklung des Deutschen Bundes 1814-1820. Phil. Diss. [masch.] München 1954, Kap. 4f.
[25] Zu den ereignisgeschichtlichen Vorgängen ausführl. Wilhelm Heinloth: Die Münchener Dezemberunruhen 1830. Neumarkt i. d. Oberpfalz 1930, Kap. 1; Philipp Wehner: Die Burschenschaftliche Bewegung an der Universität Landshut-München in den Jahren 1815 bis 1833, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte 61 (1918), S. 63-163, insbes. S. 111-116; Doeberl: Entwicklungsgeschichte Bd. 3, S. 100f.; ferner Schmeller: Tagebücher Bd. 2, Einträge vom 25. u. 29.12.1830, hier S. 120f.

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