Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Schmid, Alois

 
 

Die bayerische Königspolitik im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

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Die wittelsbachischen Königsträume  lebten nach Kaiser Ludwig IV. weiter, einerseits in der Realpolitik, andererseits in der Theorie. In der Realpolitik gelang es schon ein halbes Jahrhundert später einem zweiten Wittelsbacher, dieses Mal freilich aus der pfälzischen Linie, den von den Söhnen Kaiser Ludwigs zwar angestrebten, aber verlorenen Reichsthron wieder zu erringen. Freilich konnte auch Rupprecht von der Pfalz (1400-1410)  ihn nur ein Jahrzehnt mit sehr begrenzter Ausstrahlung behaupten. Die pfälzische Linie besetzte mit Christoph von Bayern von 1440 bis 1448 sogar den Königsthron in Dänemark und den zugehörigen skandinavischen Königreichen Schweden und Norwegen. Die altbayerischen Wittelsbacher richteten zur gleichen Zeit den Blick nach dem Ende der Luxemburger auf das benachbarte Böhmen, wo aber Herzog Albrecht III. 1440 seine Kandidatur nicht mit Erfolg durchsetzen konnte. Hauptursache seines Rückzuges war nicht die nachträglich behauptete Verzichtbereitschaft, sondern einmal mehr der überstarke Widerstand der nunmehr endgültig zu Hauptkonkurrenten aufsteigenden Habsburger. Sie kehrten nach dem Ende der Luxemburger 1437 wieder an die Reichsspitze zurück, die sie nun über ein halbes Jahrtausend hinweg nahezu kontinuierlich behaupteten. Diesen Aufstieg  verfolgten die benachbarten Wittelsbacher mit unerkennbarer Missgunst. Daß sie gegen die herkömmlichen Rivalen nun auf Dauer den kürzeren ziehen sollten, wollten sie nicht kampflos hinnehmen.

Die andere Plattform, auf der die Auseinandersetzung geführt wurde, war die Historiographie. Gerade in diesem 15. Jahrhundert wurde im Herzogtum Bayern eine ungewöhnlich rege Pflege der Landesgeschichte aufgenommen. Die frühen Landeschroniken des Andreas von Regensburg, Ulrich Füetrer, Hans Ebran von Wildenberg oder Veit Arnpeck werden im einzelnen von sehr unterschiedlichen Motivationen getragen, gemeinsam ist ihnen die betonte Ausrichtung auf Dynastie und Land, deren Glanz und Ansehen sie so nachdrücklich unterstrichen, dass geradezu von politischer Propaganda und nationaler Geschichtspflege (Jean-Marie Moeglin)  gesprochen wurde. Leitmotiv war der Nachweis der großen Vergangenheit des von Arnpeck vielsagend mit einer Rose verglichenen Herzogtums Bayern in Konkurrenz zu Habsburg, das als traditionsloses Haus aus gräflichen Verhältnissen kommender Aufsteiger gezielt erniedrigt wurde. Bairn - vor zeiten ain königreich gewesen heißt es in einer wichtigen Urkunde. Beyrn - nicht allein ain land, sonder auch  ein konigkreich  betonte selbstgewiß Hans Ebran von Wildenberg[13] und verlieh damit dem Geschichtsdenken dieser Epoche geradezu programmatischen Ausdruck. Absichtlich verfolgte man die Reihe der bayerischen Landesherren bis in biblische Zeiten zurück. Für die historischen Jahrhunderte stellte die Scheyerer Fürstentafel die Verbindung zum abendländischen Idealkönig Karl dem Großen her, als dessen Geburtsort nun sogar die Reismühle bei Gauting in Anspruch genommen wurde. Andreas von Regensburg belegte Kaiser Ludwig schließlich mit dem Attribut "der Große"  (Magnus).

Diese Gedanken hatten Rückwirkungen auf die Politik. Vor allem der machtvolle, an Italien orientierte Herzog von Bayern-München Albrecht IV. (1465-1508) träumte von einem süddeutschen Reich der Wittelsbacher, an dem er ein Leben lang baute. Dieses Ziel brachte ihn notwendigerweise in Konkurrenz zu den Habsburgern, mit denen er deswegen in vielfältige Auseinandersetzungen verwickelt wurde. Nicht ohne Grund wählte er sich gerade Kaiser Ludwig den Bayern zum Vorbild. Grundlage seiner vielfältigen politischen und kulturellen Aktivitäten  waren die herkömmlichen Königspläne der Wittelsbacher, an denen er seine Politik ausrichtete.

Konkrete Schritte zu deren Verwirklichung wurden nach dem Eintritt ins 16. Jahrhundert unternommen. Die Beendigung des Zeitalters der Herrschaftsteilungen und das Primogeniturgesetz von 1506 hatten die Voraussetzungen wesentlich verbessert. Tatsächlich meldeten die wittelsbachischen Herzöge nach dem Tod Kaiser Maximilians I. 1519 wieder  ernsthafte Ansprüche auf die Reichskrone an. Die bayerischen Herzöge Wilhelm IV. (1508-1550) und Ludwig X. (1516- 1545) wurden in den zwanziger Jahren das Herz einer machtvollen Fürstenopposition im Reich. Sie betrieben den Aufbau einer antihabsburgischen Partei, die den habsburgischen Kaiser Karl V. mit der Frage der Königswahl weiter in die Defensive drängen wollte. Erneut liebäugelte ersterer ab 1524 mit der Königskrone im Reich und ab 1526 in Böhmen. Der große Johannes Aventinus nährte diese Hoffnungen, indem er den bayerischen Königsgedanken ein erstrangiges literarisches Kleid verlieh. Für ihn war Bayern ein königliches Land, das in früheren Jahren von Kaisern und Königen regiert worden sei. Der Erstdruck der deutschen Fassung seiner Gesamtdarstellung erhielt den bezeichnenden Titel: Chronica, Darinn nit allein deß gar alten Hauß Beyern, Keiser, Könige, Hertzogen, Fürsten, Graffen, Freyherrn Geschlechte Herkommen, Stamm und Geschichte - zusammen getragen (Frankfurt 1566). Nicht ohne Grund stellte für ihn Kaiser Ludwig der Bayer den unbestrittenen Höhepunkt der bayerische Geschichte überhaupt dar, den er in einem eigenen Buch breit ausführte[14]. In gleichem Sinne beschäftigten sich Hofmaler wie Hans Werl gerade mit den Abschnitten, in denen die königlichen Ambitionen am wirkungsvollsten zum Tragen gekommen waren. Freilich sollte es dem Hause Habsburg gelingen, mit der Wahl Ferdinands I. zum Römischen König 1531 einen erfolgreichen Schlusspunkt hinter die Auseinandersetzungen zu setzen und damit das Haus Habsburg an der Reichsspitze weiter zu stabilisieren. Aus diesem Grunde musste der Münchner Herzogshof seine Königspläne in der Folgezeit wieder zurückstellen. Im höfisch orientierten Schrifttum des Umkreises, vor allem bei den Jesuiten, wurden sie aber mit Nachdruck  weitergeführt. So rühmte die Festschrift der "Trophaea Bavarica", die 1597 zur Weihe der Münchner Jesuitenkirche St. Michael vorgelegt wurde, die Stifterfamilie an mehreren Stellen ausdrücklich als königliches Geschlecht  (sate sanguine Regum).

 

Fussnote(n):
[13] Hans Ebran von Wildenberg, Chronik von den Fürsten aus Bayern, hg, von Friedrich ROTH, München 1905, S. 33.
[14] Johannes Turmair´s genannt Aventinus, Sämmtliche Werke, hg. von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München 1881-1908.

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