Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
 

Künstler, Waltraud

 
 

Das ewigliche Salzniederlagsrecht aus dem Jahr 1364. Der Beginn von Landsbergs wirtschaftlicher Blüte?

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  4. Landsbergs Stellung ab der Mitte des 14. Jahrhunderts
4.1 Der Streit mit München
Der erste Hinweis darauf, dass aufgrund der Salzniederlage in Landsberg Streitigkeiten auftraten, ist unter Herzog Meinhard auszumachen. Wie oben schon ausführlich beschrieben, erteilte Meinhard im Jahre 1362 den Landsbergern das Salzniederlagsrecht. Aber einige Monate später verlegte er die Niederlage nach München, um sich dessen Gunst zu erwerben.
Mit der Verleihung des ewiglichen Salzniederlagsrechtes im Jahre 1364 durch Herzog Stephan II. gaben sich aber die Münchner nicht zufrieden. Sie wollten das regionale Monopol der Salzniederlage nicht aufgeben. Mithilfe älterer Briefe und Urkunden, so heißt es in der an die Landsberger gerichtete Urkunde aus dem Jahre 1368, hätten die Münchner nachweisen können, dass München und nicht Landsberg von alters her im Besitz des Rechtes zur Salzniederlage war.[54]
Inwieweit dieser Entzug Konsequenzen hatte, ist nur schwer abzuschätzen. Die Rechnungsbücher der Stadtkammer, welche Aufschluss über die Einnahmen geben könnten, sind verlorengegangen.[55] Trotzdem ist anzunehmen, dass die Landsberger der Anordnung keine, oder nur begrenzte, Aufmerksamkeit schenkten. Denn ansonsten ergibt die am  6. Juli 1376 [56] von Herzog Stephan III. und seinem Bruder Johann II. ausgestellte Urkunde keinen Sinn. In dieser werden die Bürger der Stadt vom Niederlagszwang zu München befreit, indem sy wol varen mügen [...] gen Reichenhall nach Salz [57]. Fünf Jahre später erlaubten die beiden Herzöge den Landsbergern dieses Durchfahrtsrecht zu nutzen, wie offt und, wenn sy wellent, ohne, dass die von München und andere auf dem Weg liegende Niederlagsorte sie daran hindern könnten. [58] Wäre nun der Salzhandel im Jahre 1368 völlig eingestellt worden, hätte für die Erlaubnis des Durchfahrtsrecht kein Anlass bestanden.
Der Grund für das Einlenken der Herzöge findet sich in der Betrachtung der gesamtpolitischen Lage. Augsburg hatte sich im Jahre 1376 dem sogenannten schwäbischen Städtebund, deren Ziel die Reichsunmittelbarkeit war, angeschlossen.[59] Bei den anschließend einsetzenden Kriegshandlungen, stellte sich Landsberg auf die Seite der oberbayerischen Herzöge. Das Durchfahrtsrecht stellte also eine Art Bestechung dar.
München hatte infolgedessen doppelten Nachteil erlitten. Es wurde fortan nicht nur der schwäbische Markt von den Landsbergern beliefert, sondern München drohte auch als Zwischenhändler ausgeschaltet zu werden.
Zumindest Letzteres konnten die Münchner verhindern. Wie die Bestimmung vom 21. September 1383 zeigt, bezog Landsberg wohl weiterhin sein Salz aus München. Die Urkunde spricht nämlich davon, dass diejenigen die von München Salz dahin [= nach Landsberg] fürten und sazten, dasselbe ausschließlich ainem burger der Stat da selben verkaufen dürften. [60] Selbst von diesem Teilerfolg Münchens, profitierten die Landsberger!
Insgesamt gesehen setzte sich aber doch Landsberg durch. Zum einen blieb Landsberg, trotz erneutem Versuchs der Münchener im Jahre 1420 Landsberg das Niederlagsrecht zu entziehen, fortan im Besitz seines Rechts. [61] Zum anderen konzentrierte sich München mit der Zeit auf den Salzhandel von Wasserburg nach München und überließ den Weitertransport nach Südwesten den Landsbergern. Einen endgültigen Schlussstrich wurde von den Herzögen Albrecht IV. und  Wolfgang (1451 - ?) im Jahre 1507 gezogen. In der Archivbeschreibung von 1783 ist diesbezüglich zu entnehmen, dass die beiden Herzöge die oben genannten Privilegien aus den Jahren 1364, 1376 und 1383 bestätigten. [62]
 
4.2  Die Bevölkerung der Silbergrueb
Die oben analysierte Urkunde Herzog Stephans aus dem Jahre 1364 bietet mit der Erlaubnis einen mülslakch [63] zu bauen, einen ersten Anhaltspunkt für Zuwachs und Wohlstand der Bevölkerung. Offenbar konnten die bisherigen Mühlen, welche sich an Nebenarmen des Lechs angesiedelt hatten, so etwa die wenige Kilometer lechaufwärts gelegene Mühle Pitzling, den geforderten Bedarf nicht mehr decken. Um das kostenintensive Vorhaben zu realisieren, musste ein etwa 700 m langes Bachbett ausgehoben und der Fluss über seine gesamte Breite mit einem Wehr gestaut werden. Da nun beide Wege von den Flößern nicht mehr befahren werden konnte, musste für diese zusätzlich eine Wasserstraße gebaut werden. [64]
Deutlicher tritt der Bevölkerungszuwachs beim Häuser- und Befestigungsbau zutage. Im ausgehenden 14. Jahrhundert dehnte sich die Stadt nach Norden aus. Bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts entstanden am Oberen bzw. Unteren Anger [65] insgesamt 22 neue Anwesen. In diesen zwei bis vier Stockwerke umfassenden Gebäuden wohnten bis zu drei Familien. Das Erdgeschoss wurde meist nicht bewohnt, sondern diente als Geschäftsfläche.[66] 
Die immer wieder, bis heute anhaltenden, baulichen Veränderungen in der Altstadt, sowie nicht vorhandene Bürgerlisten oder ähnliches, erschweren es den damaligen Bevölkerungszuwachs zu erfassen. Hilfreich ist es, sich die gesamte gewachsene Fläche der Stadt anhand der, noch immer gut erhaltenen, Wehrmauer vor Augen zu führen. Die Fläche, die nach der gegen 1425 beendeten Erweiterung [67], von einer Stadtmauer umschlossen wurde, ist annährend dreieinhalb mal so groß wie zuvor. Die Stadt wuchs innerhalb von nur 70 Jahren, der erste Bering aus der Zeit um 1270/80 wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erweitert,[68] um etwa 250%! [69]
Nicht nur die Bevölkerung sondern auch die "Geldsäckel" wuchsen. Waren die nördlichen Häuser des Vorderen und Hinteren Angers überwiegend von Handwerkern bewohnt, so fanden sich, vornehmlich im Vorderen Anger, gleichermaßen als Verlängerung der Ludwigstraße, die drei- bis viergeschossigen Bürgerhäuser. Ebenso setzte die lange Befestigungsanlage eine enorme Finanzkraft der Bevölkerung voraus. Für den Bau der Mauer, sowie deren Unterhalt, hatte die Stadt und damit die Bürger Sorge zu tragen.
Am eindruckvollsten zeigt sich der Wohlstand der Stadt aber an und vor allem in der neugebauten Stadtpfarrkirche. Zwischen 1458 und 1488, also innerhalb von nur drei Jahrzehnten (!), errichteten die Landsberger eine neue dreischiffige Basilika. Diese war nicht nur dreimal so groß wie ihre, im Jahre 1380 vergrößerte, Vorgängerkirche, sondern auch reich ausgeschmückt.[70] Noch heute zeugen die reich verzierten Seitenaltäre der Zünfte und Bruderschaften und die kostbaren Stifterfenster davon.
Ihren wirtschaftlichen Höhepunkt erlangte die Stadt wohl gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Um das Jahr 1470 war Landsberg der vierte Landstand und bei einer von Ober- und Niederbayern gemeinsam abgehaltenen Landschaft im Jahre 1508, nahm Landsberg nach den vier Residenzstädten München, Ingolstadt, Landshut und Straubing den fünften Rang ein.[71]
Dass dieser Aufschwung eng mit dem Salzhandel zusammenhängt, zeigen die zu dieser Zeit zahlreich eröffneten Gasthäuser am deutlichsten. Allein im Hinteren Anger sind vier zu dieser Zeit entstandene Brauereigasthöfe belegt.[72] Selbst eine gut verdienende Stadtbevölkerung konnte nicht zu einer derart ausgedehnten Gastwirtschaft geführt haben. Vielmehr verdienten die Gastwirte an den zur Niederlage gezwungenen Salzsendern und anderen durchfahrenden Kaufleuten.
 

Schlussbemerkung
Landsbergs politische Stellung im 15. Jahrhundert, und die zahlreichen, Ende des 14. Jahrhunderts entstandenen, Neu- und Erweiterungsbauten zeugen von Landsbergs wirtschaftlicher Blüte. Für diesen Aufstieg war eine enorme Finanzkraft Voraussetzung. Das wiederum bedeutet, dass die Stadt eine ertragreiche und über einen längeren Zeitraum garantierte Einnahmequelle benötigte. Diese fanden die Landsberger im Salzhandel.
Hierbei profitierte Landsberg einerseits von den immer wieder aufkeimenden Streitigkeiten zwischen den Herrschern, aufgrund ungeklärter Erbfolge, und andererseits von seiner besonderen Lage als oberbayerische Grenzstadt zu Schwaben. Die Landsberger unterstützten stets die oberbayerischen Herzöge. Im Gegenzug erhielt die Stadt durch den Wagen- und Salzpfennig zunächst indirekten und mit Verleihung des Niederlagsrechts im Jahre 1364 sogar direkten Anteil am Salzhandel. Die kleine, vor Selbstbewusstsein strotzende Stadt schaffte es trotz kleinerer Niederlagen, nicht nur den Niederlagszwang in der Residenzstadt außer Kraft zu setzen, sondern auch den gesamten Salztransport zwischen München und Landsberg zu kontrollieren. 
Schlussendlich bleibt festzuhalten: Als garantierte Einnahmequelle markierte das im Jahr 1364 auf alle Zeiten verliehene Salzniederlagsrecht den Beginn von Landsbergs wirtschaftlicher Blüte.
 

Fussnote(n):
[54] Münzer: Die Bedeutung des Salzhandels, S. 11.
[55] Das einzig erhaltene Rechnungsbuch der Stadt vor dem 30jährigen Krieg stammt aus dem Jahre 1537.
[56] In der Urkunde steht: Suntag nach sand ulrichs tag 1376. Zur Umrechnung vgl. Grotefend: Zeitrechnung, S. 104 u. S. 134f (Tafel I u. II).
[57] StadtA LL, Rechtsbuch, fol. 107.
[58] StadtA LL, Rechtsbuch, fol. 108.
[59] Spindler: Handbuch, S. 226ff.
[60] StadtA LL, Rechtsbuch, fol. 109'.
[61] Münzer: Die Bedeutung des Salzhandels, S. 12; Vietzen: Der Münchner Salzhandel, S. 29.
[62] StadtA LL, Archivsbeschreibung, Nr. 41.
[63] StadtA LL, Urk. 33 v. 15. Jun. 1364.
[64] Dietrich: Stadt Landsberg 1, S. 461ff.
[65] heute: Vorderer bzw. Hinterer Anger. Vgl.: Dietrich: Stadt Landsberg 1, S. 42; http://www.stadtinfo-landsberg.de/ ®STADTPLAN STARTEN
[66] Dietrich: Stadt Landsberg 1, S. 42 – 45.
[67] Dies ist unter anderem an der feldseitig angebrachten Inschrift über dem Torbogen des Bayertors abzulesen. Vgl. auch: Dietrich: Stadt Landsberg 1, S. 209.
[68] Dietrich: Stadt Landsberg 1, S. 170.
[69] Dietrich: Stadt Landsberg 1, Abb. 141.
[70] Dietrich: Stadt Landsberg 1, S. 43ff.
[71] Dietrich: Stadt Landsberg 1, S. 44; Hofmann: Landsberg, S. 544.
[72] Dietrich: Stadt Landsberg 3, S. 200 f.

 
Empfohlene Zitierweise:

Künstler, Waltraud: Das ewigliche Salzniederlagsrecht aus dem Jahr 1364. Der Beginn von Landsbergs wirtschaftlicher Blüte?, in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten [Ausgabe 04 - Wintersemester 07/08],
www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?ausg=4&id=78&subid=70
[Letzter Aufruf am xx.xx.xxxx]

 

Künstler, Waltraud

Geboren am 12. 02. 1986
Studiert auf Magister Alte Geschichte, Didaktik der Geschichte, Alte Kirchengeschichte seit Wi Se 05/06

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