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Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
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Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07) |
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Baumeister, Martin
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Vor der movida: Madrid und die widersprüchliche Modernisierung Franco-Spaniens[*]
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Sowohl
die legislativen als auch die Baumaßnahmen blieben unkoordiniert und ließen
umfassendere stadtplanerische Perspektiven vermissen. Immerhin stellen die 50er
Jahre die bedeutendste Phase öffentlichen Bauens in der Madrider
Stadtentwicklung des 20. Jahrhunderts dar. Bereits 1957 zeichnete sich jedoch
mit der Gründung eines eigenen Wohnungsbauministeriums eine grundlegende
Neuorientierung in der Politik des Regimes ab, weg von der Schaffung billigen
Mietwohnraums durch die öffentliche Hand hin zur Priorität der Bildung privaten
Wohneigentums durch öffentlich begünstigte Privatunternehmer. Anfang der 60er
Jahre lag der Wohnungsbausektor bereits zu weiten Teilen in privater
Trägerschaft, d.h. bei wenigen großen Bauunternehmen, die von den großzügigen
staatlichen Subventionen profitierten und in kurzer Zeit Zehntausende von
Wohneinheiten in hoch aufragenden anonymen uniformen Blocks auf den Markt
brachten. Das öffentliche Engagement im sozialen Wohnungsbau fiel nur noch
wenig ins Gewicht. Waren in den 50er Jahren von öffentlicher Seite in Madrid
65.000 Wohnungen gebaut worden, so waren es in den 60er Jahren 20.000. Dagegen
errichteten private Bauunternehmer im Jahrzehnt 1962-72 knapp 282.000 Wohnungen
mit staatlicher Förderung, davon 41,5% Sozialwohnungen, derselbe Anteil entfiel
jedoch auf lukrativere Objekte, d.h. Wohnungen gehobenen, z.T. sogar
Luxusstandards. Spekulation, die sich in der Diktatur weitgehend ungebremst
durch öffentliche Kontrolle entfalten konnte, extreme Verdichtung und
„Vertikalisierung“ in standardisierten Blocks, die Ausschaltung der Architekten
im Massenwohnungsbau und das Ende einer urbanistischen Debatte, die noch unter
dem Vorzeichen der öffentlichen Bautätigkeit der 50er Jahre zumindest in
Ansätzen aufleben konnte – dies waren die Kennzeichen der „neuen“ Politik, die
dem Marktkapitalismus freie Hand ließ und die Bereitstellung von Wohnraum
endgültig zu einer Frage der Massenproduktion nach fordistischem Muster werden
ließ. Das „chaotische“ Wachstum der informellen Siedlungen, die die ersten
Großfabriken in der Peripherie der Hauptstadt, die Avantgarde der Einführung
tayloristischer Produktionsmethoden in Franco-Spanien, umgeben hatten, wurde
nun domestiziert und uniformiert, „Urbanität“ für die Arbeitermassen endgültig
reduziert auf gewaltige „Wohncontainer“ auf einer urbanen Brache, die,
abgesehen vom Anschluss an Elektrizität und Kanalisation, zumeist auch eine
elementare Infrastruktur wie geteerte Straßen, die Anbindung an den
öffentlichen Nahverkehr, Geschäfte, die Versorgung mit Kindergärten, Schulen
und medizinischen Einrichtungen entbehrten. |
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Die
Entwicklung Madrids nach dem Bürgerkrieg spiegelt die Entwicklung der Diktatur
Francos, die spezifischen widersprüchlichen Formen der Modernisierung Spaniens
unter der autoritären Herrschaft des Generalísimo
wider. Während das Regime im gesellschaftlichen und politischen Bereich einen
autoritär-repressiven Kurs hielt, setzte es bereits seit den 40er Jahren auf
ökonomische Stärkung und Modernisierung durch Industrialisierung mit Hilfe
massiver staatlicher Interventionen. Dem Problemdruck, der aus den daraus
folgenden fundamentalen Umstrukturierungen erwuchs, begegneten die staatlichen
Stellen nach einer langen Zeit der Passivität mit schwachen sozialpolitischen
Instrumenten, deren ohnehin beschränkte Wirkung durch die polykratischen
Kompetenzkämpfe noch weiter gebremst wurde. Die letzte Phase, die bestimmt war
durch den Primat kapitalistischer Profitorientierung, stellte schließlich nur
eine weitere Konsequenz in der Entwicklung des Regimes dar, das den Kräften der
Wirtschaft nun weitgehend freie Hand ließ, seinen repressiven Charakter aber
bis zum Tod des Diktators aufrecht erhielt. Die „urbane Krise“ leitete jedoch
auch entscheidende Weichenstellungen für den Aufbruch nach 1975 ein. Die Massen
der Zuwanderer aus ländlichen Regionen in der städtischen Peripherie
avancierten zu – unfreiwilligen – Protagonisten der Stadtentwicklung. Die explosionsartig
anschwellenden neuen Quartiere wurden zur Plattform für die Politisierung der
aus dem Regime ausgeschlossenen Massen, die entscheiden beitrugen zur
Entwicklung zivilgesellschaftlicher Strukturen im Übergang von der Diktatur zur
Demokratie. In historischen Darstellungen der Transición, die sich meist auf die Aktivitäten von
Regierungsvertretern, Parteien und der Monarchie konzentrieren, erfährt man von
der großen Bedeutung dieser sozialen Bewegungen für die demokratischen Anfänge
in Spanien meist recht wenig. Madridbesucher aus aller Welt interessieren sich
für die Reize und Sehenswürdigkeiten des Stadtzentrums. Die „gesichtslose“
Peripherie hat für sie keine Bedeutung. Und doch hat sich gerade dort der
historische Umbruch in der Entwicklung der Stadt zur modernen Metropole
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Empfohlene Zitierweise:
Baumeister, Martin: Vor der movida: Madrid und die widersprüchliche Modernisierung Franco-Spaniens, in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten [Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07], www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?ausg=3&id=50&subid=48 [Letzter Aufruf am xx.xx.xxxx] |
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Baumeister, Martin |
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Aventinusartikel:
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