Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Schmid, Alois

 
 

Die bayerische Königspolitik im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

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Freilich war mit dieser Entscheidung kein Präjudiz für die Zukunft getroffen. Vielmehr war das Gegenteil der Fall. Nun wurde die Überzeugung vom königlichen Rang des Landes Bayern und den daraus abzuleitenden Ansprüchen der Dynastie immer mehr ein tragender Grundpfeiler bayerischer Staatsideologie. Die entscheidenden Sprachrohre wurden die mit Einsatz geförderte Geschichtsschreibung und Publizistik. Das bezeichnendste Werk ist sicherlich die Staatstheorie des "Mundus Christiano-Bavaro-Politicus", die um das Jahr 1711 einer der Söhne des Staatskanzlers Ferdinand Marias, Kaspar von Schmids, in weit ausholender Diktion anfertigte; von ihr sind vier umfängliche Quartbände in den Beständen der Bayerischen Staatsbibliothek München überliefert (cgm 3009, 4006 a,b,c). Als zentrales Thema der Historiographie rückten die Verbindungen der Wittelsbacher zu Karl dem Großen in den Mittelpunkt. Sie werden mit größter Zielstrebigkeit weiter untermauert. Karl der  Große galt als Stammvater (fundator), dem gegenwärtigen Landesherrn oblag die vornehmliche Pflicht, die von diesem begründete Tradition als propagator nach Kräften zu festigen. Hauptaufgabe der Politik der Kurfürsten von Bayern wurden im Jahrhundert nach dem Dreißigjährigen Krieg der Ausbau des königlichen Ranges des Hauses Wittelsbach. Nun erreichten die bayerischen Königsgedanken ihren Höhepunkt; sie mündeten in eine zu jedem Einsatz bereite Königspolitik.

Dazu trugen auch die erfolgreichen Bemühungen vergleichbarer Dynastien um Königswürden wesentlich bei: Das Haus Wettin erlangte 1697 die begehrte Krone im Wahlkönigreich Polen. Die Hohenzollern stiegen 1701 zu Königen in Preußen, die Hannoveraner 1714 zu Königen von England auf. Die Kurfürsten in der Pfalz  kehrten 1654 mit Karl X., Karl XI. und Karl XII. für drei Generationen  auf den Thron im skandinavischen Königsreich Schweden zurück. Diesen zeitgenössischen  Vorbildern wollte es die Münchner Wittelsbacher gleich machen.

 Mit Maximilian Emanuel (1726-1745)[16] trat die bayerische Königspolitik in die entscheidende Phase. Mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln setzte er sich für die Verwirklichung dieses Zieles ein. Dabei richtete sich auch sein Blick auf auswärtige Königsreiche. Mit dem Sonnenkönig Ludwig XIV. wurden Verhandlungen über den Erwerb einer Krone in der Lombardei oder im Königreich Neapel-Sizilien geführt. Die Verbindung in den italienischen Raum stellten die Agilolfinger her. Tassilos III. Gattin war die Tochter des Langobardenkönigs Desiderius gewesen. Wegen dieser Verwandtschaft wurde Tassilo verschiedentlich als König der Lombarden betitelt. Auch Theudelinde rückte in diesem Zusammenhang in den Mittelpunkt des Interesses. Diese alten Südverbindungen sollten reaktiviert werden. Vor allem aber überlegte sich Max Emanuel in den Jahren 1693/94 eine Kandidatur um die polnische Königskrone; sie war durch seine Ehe mit Therese Kunigunde gut begründet. Dennoch entfaltete Max Emanuel letztlich nur begrenzte Aktivitäten. Der Grund dafür war, dass er seinen Blick gänzlich auf Spanien konzentrierte. Seine Ernennung zum Statthalter der Spanischen Niederlande 1691 und die Einsetzung seines Sohnes Joseph Ferdinand zum Universalerben des Königreiches Spanien durch das Testament Karls II. von 1698 eröffneten weitergehende Perspektiven. Sie begründeten die Hoffnung auf ein Weltreich. Deswegen konzentrierte der Kurfürst alle seine Hoffnungen auf die spanische Krone. Max Emanuel und sein Haus schienen endlich dem Ziel ihrer Wünsche sehr nahe gekommen zu sein.

Dann aber trat das Ereignis ein, das alle diese Hoffnungen und Erwartungen urplötzlich zerstörte: der Tod des Erbprinzen Joseph Ferdinand am 6. Februar 1699. Mit einem Schlag brachen alle diese Pläne wie ein Kartenhaus zusammen. Im durch diesen Todesfall ausgelösten Spanischen Erfolgekrieg wollte der Kurfürst das Ruder noch einmal herumreißen und seinen Anspruch durch eine Entscheidung auf dem Schlachtfeld durchsetzen. Die Niederlage von Höchstädt am 13. August 1704 raubte ihm auch diese Hoffnung. Er musste den Traum von einem Königtum für sich, seine Familie und sein Territorium begraben und unerfüllt mit ins Grab in der Theatinerhofkirche St. Cajetan zu München  nehmen.

 

Fussnote(n):
[16] Ludwig HÜTTL, Max Emanuel, der Blaue Kurfürst (1679-1726). Eine politische Biographie, München 31976.

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