Traut, Julian

Gibt es eine allgemeine historische Wirklichkeit? - Der Versuch einer Annäherung


Seit den Anfängen der okzidentalen Geschichtswissenschaft unter Herodot oder Thukydides ist immer wieder der Versuch unternommen worden, die Vergangenheit „nur aus sich selbst heraus“ sprechen zu lassen. Dieser historistische Anspruch, welcher so oft angestrebt aber nur selten erreicht wurde, hatte großen Einfluss auf die letzten Jahrhunderte der Geschichtsforschung in Deutschland. Hiermit drängt sich nun jedoch die Frage auf: Gibt es eine allgemeingültige historische Wirklichkeit?

Historiographisch ist die Verwendung des Begriffes „Faktum“ mit einigen Problemen verbunden. Denn als Historiker wird man den Anspruch, Geschichte rein objektiv „für sich selbst“ sprechen zu lassen, nicht total erfüllen können.

Fakten sind immer interpretierbar und werden erst durch ihre Bewertung und Diskussion zur erfahrbaren Vergangenheit. Damit ist selbst die Genese von „objektiven Fakten“ ein beeinflussbarer Prozess.

Auch ist die Auswahl und Zusammenstellung von bestimmten Daten und Fakten für ein umfassendes Bild von Geschichte enorm wichtig. Diese Auswahl nimmt aber der Historiker mit seinen benutzten Quellen vor, die jedoch wiederum nur ein begrenztes Abbildungsspektrum von Vergangenheit darstellen. Die Vorprägung von Quellen durch ihre Entstehungsgeschichte und Überlieferung beinhaltet also eine weitere Variable, die der Historiker bewerten muss und somit eine allgemeine Objektivität in Frage stellt.

Bestimmte Bereiche der Vergangenheit sind durch Quellen nicht erfasst und besonders in der Alten Geschichte klaffen teilweise große Lücken in der historiographischen Überlieferung.

Hierbei kann der Historiker durch begründbare Hypothesen versuchen, diese Lücken zumindest partiell zu schließen, was jedoch auch diskutierbar und damit variabel bleibt.

Oftmals treten auch allein durch die Übersetzung von Quellen verschiedene Probleme bei der Sinnerfassung auf. Somit kann ein vollständiges Bild der Vergangenheit gar nicht dargestellt werden.

Des Weiteren wird jeder Historiker durch seine Lebensumstände, Gesellschaft und Zeit selbst geprägt. Damit ist seine Bewertung und Gewichtung einzelner Fakten als Teil der Geschichte des „großen Ganzen“ subjektiv unterschiedlich.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das historische Faktum per se kritisch hinterfragt werden muss, um es anschließend interpretieren und bewerten zu können.

Nur so kann man sich dem Anspruch nach einer objektiven Geschichtswissenschaft ehrlich und nachhaltig annähern.