Hofmann, Andreas C.
Redaktioneller Hinweis

Da einige der veröffentlichten Artikel im Rahmen einer Lehrveranstaltung als Essays geschrieben wurden, enthalten diese keine Literatur- und Quellenangaben in Fußnoten. Die verwendete Literatur ist am Ende der Essays angegeben.


Kuck, Manuel
Die Frankfurter Bundeszentralbehörde 1833-1842. Eine Ermittlungsbehörde zwischen deutscher Gründlichkeit und zwischenstaatlichem Ränkespiel

Die Bundeszentralbehörde wurde im Juni 1833 von den Mitgliedern des Deutschen Bundes auf Bestreben Österreichs als Reaktion auf den Frankfurter Wachensturm vom 3. April 1833 eingerichtet, um diesen zu untersuchen. Sie bestand aus fünf Beamten des Richterstandes der Mitgliedstaaten Österreich, Preußen, Bayern, Württemberg und Hessen-Darmstadt sowie deren Referenten. Bis zum August 1842, als die Bundesversammlung die Bundeszentralbehörde vertagte, sammelte sie Informationen sowie Personaldaten und diente der Koordination der Unterdrückung aufrührerischer Schriften. Ihr wichtigstes Vermächtnis ist neben den 315 Sitzungs-protokollen das von ihr erstellte Gesamtinkulpatenverzeichnis (auch das „Schwarze Buch“ genannt), das 1838 erschien und mit seinem Nachtrag von 1842 insgesamt 2140 Personen tabellarisch erfasst, die von 1830-1842 gerichtlich wegen politischer Vergehen in Erscheinung getreten waren. Es ging jedoch nie in den praktischen Gebrauch der Polizeibehörden über.

Wie sahen die politischen Abläufe im Hintergrund der Behörde aus und passt sie in den geschichtlichen Kontext der Vormärzzeit?

Die neue Behörde stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Bereits vor ihrer Errichtung hatten sich Fronten unter der Führung Preußens und Bayerns gebildet, da kein Konsens herrschte über die Vorgehensweise, wie die Ereignisse vom Frankfurter Wachensturm am effektivsten aufzuklären seien. In den kommenden Jahren wurde die Bundeszentralbehörde immer mehr zum Zankapfel und Platz für politische Dispute der Staaten des Deutschen Bundes.

Bereits 1835 versuchten erst Baden, dann auch Bayern und Hessen-Darmstadt, die Behörde wieder aufzulösen, da die Kosten zu hoch seien. Metternich schlug stattdessen die Einrichung eines Zentralinformationsbüros nach Modell des bereits existierenden Büros in Mainz vor. All diese Pläne scheiterten zum einen an der diametralen Haltung Preußens, das die Arbeit der Behörde noch nicht als erledigt ansah, und am Attentat auf den franzöischen König Louis Philippe am 28. Juli 1835. Danach nahmen die Staaten erst einmal Abstand von der Auflösung, da die Arbeit der Behörde wohl noch nicht getan war. 1836 versuchte Badens neuer Außenminister von Blittersdorf eine Auflösung zu erwirken, um stattdessen lieber eine zentrale Bundespolizei einzurichten. Metternich, der Ähnlichkeiten zu seinem letztjährigen Vorschlag sah, stimmte zu, doch wieder scheiterte man an der ablehnenden Haltung Preußens. 1838 gab Metternich sein Informationsbüro dann letztlich auf und versuchte stattdessen für eine „Justizkommission“ zu werben. Im Grunde aber hatte Metternichs Lieblingsprojekt nur einen neuen Namen bekommen. Dieses Mal aber stimmte Preußen zu, da man wohl hoffte, bei der auf drei Amtsträger verkleinerten Behörde mit Österreich zusammen den Ton angeben zu können. Bayern aber hatte sich bereits 1837 dazu geäußert, dass es keiner Veränderung (welcher Art auch immer) an der Bundeszentralbehörde zustimmen werde. Es befürchtete die Möglichkeit, ausgegrenzt zu werden und blockierte deshalb diese Initiative.

Preußens neuer König Friedrich Wilhelm IV. schränkte 1840 die Demagogenverfolgung ein und erließ im August 1840 eine Kabinettordre, die Behörde schnellstmöglich aufzulösen. Österreich war jedoch gegen die Auslösung, da die Umtriebe weiter fortbestünden und sich eine nur vertagte Behörde im Bedarfsfall schneller wieder einrichten ließe. Außerdem gab es offenkundig ein Problem mit der liberalen Haltung des neuen preußischen Königs. Die Bundesversammlung entschied zwei Jahre später dann zu Gunsten Österreichs und die Bundeszentralbehörde wurde im August 1842 vertagt, blieb formell aber bis 1848 erhalten.

All diese Ereignisse hatten jedoch letztendlich nur am Rande mit der Behörde selbst zu tun. Es ging weniger um die tatsächliche Wirksamkeit, vielmehr war es ein Ränkespiel der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes – Preußen, Österreich und das Dritte Deutschland versuchten auch hier ihre Bestrebungen nach Vormacht- oder Autonomieerhaltsbestrebungen zu wahren, wie sie es seit 1815 taten. Die ständig wechselnden Fronten für oder gegen die Bundeszentralbehörde zeigen dies deutlich.

Verwunderlich, dass sie trotz des ständigen Gegenfeuers die gesamten neun Jahre ihrer Existenz hindurch konsequent gearbeitet hat. Als Beweis für diese Arbeit liegt das „Schwarze Buch“ vor. Als Zeugnis für die unglaubliche Gründlichkeit und extreme Akribie dienen die Protokolle der 315 Sitzungen mit insgesamt über 7300 Paragraphen. Dies wird auch in der Forschung keineswegs bestritten. Die Funktionalität ist also durchaus gegeben gewesen. 


Literatur:

Ernst Rudolf HUBER, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 2: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850, 3. Aufl. Stuttgart u.a. 1988

Werner KOWALSKI, Vom kleinbürgerlichen Demokratismus zum Kommunismus, Bd. 2: Die Hauptberichte der Bundeszentralbehörde in Frankfurt am Main von 1838 bis 1842 über die deutsche revolutionäre Bewegung, Topos Verlag 1978

Theodor Adolf LÖW, Die Frankfurter Bundeszentralbehörde von 1833 – 1842, Frankfurt 1933

Wolfram SIEMANN, Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, die Anfänge der politischen Polizei 1806–1866, Tübingen 1985


Brendel, Raphael
Hippo Regius - Eine Königs- und Bischofsstadt im Lauf der Geschichte

1) Problematiken bei der Beschäftigung mit Hippo Regius

Ohne jeden Zweifel ist Karthago als berühmteste Stadt Nordafrikas zu sehen und obwohl sich hierbei das Problem auftut, dass sämtliche berichtende Quellen römischer oder griechischer Abkunft sind, so beeinflusst dies die rege Beschäftigung mit diesem Thema nicht merklich.

Weniger bekannt, aber durchaus von einer gewissen, wenn auch nicht vergleichbaren Wichtigkeit ist die Stadt Hippo Regius, circa 125 Meilen westlich von Karthago gelegen [1], welche Thema dieser Arbeit sein soll.

Bei der Beschäftigung mit dem Thema „Hippo Regius“ lassen sich einige Probleme feststellen, welche die Arbeit hierüber teilweise deutlich erschweren:

I) Da in Afrika zwei Städte mit dem Namen Hippo vorhanden sind[2], beide jedoch in den Quellen meist ohne ihren Beinamen genannt werden[3], lässt sich oftmals nur schwer unterscheiden, welche Stadt gemeint ist.

II) Allgemein ist über Hippo Regius zu wenig Quellenmaterial vorhanden, um einige Punkte in einer wünschenswerten Vollständigkeit auszuführen[4].

Trotz der gegebenen Hindernisse bieten die Quellen ausreichend Informationen, um  zumindest einen ungefähren Überblick über die Geschichte und den Werdegang von Hippo Regius angeben zu können.

In den nachfolgenden Kapiteln sollen neben einem nach den einzelnen herrschenden Mächten unterteilter Abriss der Geschichte der Stadt auch einzelne erwähnenswerte Aspekte sowie vorhandene Forschungskontroversen zur Sprache kommen.

 

2) Abriss der Geschichte von Hippo Regius

Die folgenden Abschnitte fassen zusammen, was über die Geschichte der Stadt Hippo Regius bekannt ist. Hierbei lässt sich recht schnell feststellen, dass sich nur sporadisch konkrete Ereignisse finden, viel ist daher auch durch die Abgleichung des Entwicklungsprozesses mit anderen Städten zu erschließen[5].

 

2.1) Ursprünge und karthagische Zeit

Die genauen Ursprünge von Hippo Regius liegen im Dunkeln[6] und es kann weder mit Sicherheit gesagt werden, ob es eine tatsächliche Neugründung oder nur die erneute Gründung einer alten libyschen Siedlung ist[7], noch, ob es sich hierbei um eine phönikische oder eine karthagische Gründung handelt[8]. Demzufolge lässt sich auch das genaue Gründungsdatum nicht festlegen[9]; relativ gesichert ist nur, dass die Stadt spätestens Ende des 4. Jhds. n. Chr. gegründet wurde[10] und dass es sich um eine semitische[11] Gründung handelt[12]. Sofern es sich um eine phönikische Gründung handelt, ist von einer Verwendung als Handelsposten in der Frühzeit auszugehen[13], welcher dann, sofern er nicht von ihnen selbst gegründet wurde, spätestens Ende des 4. Jhds. v. Chr. in den Besitz der Karthager überging[14].

Als Teil des karthagischen Imperiums war Hippo Regius demzufolge auch an den Kriegen von selbigen beteiligt[15]. Bereits für die Jahre 310/309 v. Chr. erwähnt Diodorus Siculus die zweimalige Eroberung eines Hippo bei der Expedition des Agathokles von Syrakus[16], wobei es sich hierbei beim ersten höchstwahrscheinlich um Hippo Diarrhytus und beim zweiten möglicherweise um Hippo Regius handelt[17]. Eine Eroberung ist in jedem Fall nicht unwahrscheinlich, da Diodorus Siculus von der Eroberung zahlreicher nordafrikanischer Städte berichtet[18].

Während des 1. Punischen Krieges (264-241 v. Chr.) fand ein Angriff auf ein Hippo statt, bei dem zahlreiche Gebäude und sämtliche Schiffe angezündet wurden[19], hierbei handelt es sich recht wahrscheinlich um Hippo Regius[20].

Bei der Söldnerrevolte nach dem 1. Punischen Krieg fielen einige bedeutende Städte von Karthago ab, unter anderem auch ein Hippo, von dessen Rückeroberung durch Hamilkar, den Vater des großen Feldherrn Hannibal, Cornelius Nepos berichtet[21]. Hier jedoch scheint wieder der Bezug auf Hippo Diarrhytus wahrscheinlicher[22].

Während des 2. Punischen Krieges (218-201 v. Chr.) fand ein weiterer Angriff auf Hippo Regius statt, welcher von Gaius Laelius geleitet wurde[23] und große Schäden in der unvorbereiteten Stadt anrichtete[24], zudem fand wohl eine umfangreiche Plünderung statt[25].

148 v. Chr., also während des 3. Punischen Krieges (149-146 v. Chr.), wird noch von einem Angriff des Konsuls Piso auf ein Hippo berichtet[26]. Hierbei handelt es sich jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um Hippo Regius[27].

 

2.2) Numidische und römische Zeit

Nach dem Ende des 2. Punischen Krieges wurde Hippo Regius Teil des nun von Karthago unabhängigen numidischen Königreiches unter Massinissa[28] und blieb es bis 46 v. Chr., als Numidien nach der Niederlage Jubas I., der auf der Seite der Republikaner kämpfte, bei Thapsus im Bürgerkrieg provinzialisiert wurde[29]. Ob Hippo Regius in dieser Zeit tatsächlich Königsstadt war, soll zu einem späteren Zeitpunkt betrachtet werden[30]. Erwähnenswert ist hierbei noch, dass die Ausweitung der numidischen Landwirtschaft unter Massinissa die notwendige Grundlage für den späteren Wohlstand des römischen Afrika bildete[31].

In die numidische Zeit, genauer in den Bürgerkrieg, fällt auch jenes militärische Ereignis, welches das letzte in Hippo Regius für fast 500 Jahre sein sollte[32]. Hier fand nämlich die Seeschlacht zwischen den Flotten des Publius Sittius und des Scipio 46 v. Chr. statt, die mit einem Sieg der Caesaraner unter Sittius und dem Selbstmord des Scipio endete[33].

Danach sollte Hippo Regius nahezu fünf Jahrhunderte unter römischer Herrschaft bleiben, über die jedoch weniger bekannt ist, als man vermuten könnte. Beispielsweise ist nicht bekannt, wann Hippo Regius den Status einer colonia erhielt[34].

Gesichert ist, dass es auch zu römischen Zeiten weiter als Hafen genutzt wurde[35] und bereits unter Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) dort eine Bautätigkeit stattfand[36], die auch durch den Bau einer Straße nach Tebassa unter Vespasianus (69-79 n. Chr.) nicht endete[37].

Vespasianus unterteilte auch die afrikanische Provinz in Regionen, als deren Hauptstädte Theveste, Hadrumentum und Hippo Regius gesehen werden[38]. Bereits zuvor unter Augustus stellte Hippo Regius einen der drei Verwaltungsbezirke der nordafrikanischen Provinz[39].

Als umstritten, aber dennoch als wahrscheinlich gilt es, dass Gaius Suetonius Tranquillus, Kaiserbiograph und einer der berühmtesten Autoren der Adoptivkaiserzeit, aus Hippo Regius stammt[40]. Gesichert ist diese Herkunft bei Quintus Servilius Pudens[41].

Von den Krisen im 3. Jhd. n. Chr. in der Zeit der Soldatenkaiser (235-284 n. Chr.) blieb die Stadt weitgehend unbeeinflusst, da das Mittelmeer eine sichere Pufferzone zu Europa darstellte[42]. Erst mit dem Eindringen der Vandalen nach Nordafrika im Jahre 429 n. Chr.[43] begann sich erstmals wieder eine ernsthafte Gefahr abzuzeichnen[44]. Diese wurden nämlich durch ein Abkommen mit Bonifatius, dem Befehlshaber Afrikas[45] zu diesem Schritt ermutigt[46]. Nachdem dieser erkannt hatte, dass er damit einen Fehler begangen hatte und die Vandalen erfolglos zur Räumung Afrikas zu bewegen versucht hatte[47], scheiterte er auch mit militärischen Mitteln und zog sich nach einer verlorenen Schlacht nach Hippo Regius zurück[48]. Dies hatte zur Folge, dass die Vandalen 430 n. Chr. die Belagerung von Hippo Regius aufnahmen[49], jedoch an den Befestigungen scheiterten und die Belagerung aufgrund eigener Versorgungsprobleme 431 n. Chr. abbrachen[50]. Dennoch gelang es einem unter der Führung von Aspar eingetroffenen Heer nicht, die Vandalen zu besiegen, vielmehr unterlag auch dieses Heer und wurde in die Flucht geschlagen[51], wodurch es nun zur Eroberung von Hippo Regius 431 n. Chr. kam[52] und der Vandalenkönig Geiserich die Stadt zu seiner ersten Residenz machte[53].

Die Einwohnerzahlen von Hippo Regius sind aufgrund allgemeiner Probleme nicht bekannt[54], lassen sich allerdings zumindest im groben bestimmen[55].

 

2.3) Vandalische und byzantinische Zeit

Am 11. Februar 435 n. Chr. war Hippo Regius in ihrer Eigenschaft als Hauptstadt des Vandalenreiches dann Ort des Friedensschlusses zwischen Geiserich und Trigetius, dem Gesandten des Kaisers Valentinian III., in welchem den Vandalen unter anderem nun auch offiziell Hippo Regius zugesprochen wurde[56]. Dieser Frieden hielt jedoch nur wenige Jahre, nämlich bis zum 19. Oktober 439, dem Datum der Eroberung Karthagos durch die Vandalen[57]. Mit dieser Aktion wurde Hippo Regius nun als Hauptstadt des Vandalenreiches abgelöst, auch wurden nun möglicherweise die Mauern von Hippo Regius geschleift[58], allerdings behielt die Stadt noch immer eine gewisse Wichtigkeit[59], was auch in byzantinischer Zeit noch blieb[60]. Zu dieser Ära findet sich noch eine weitere Quellenstelle bei Victor von Vita[61], doch ist es mehr als unwahrscheinlich, dass sich diese auf Hippo Regius bezieht[62].

Durch die Eroberungszüge des Belisarius im Auftrag Justinianus I. (527-565 n. Chr.) geriet auch Hippo Regius dann in die Hände des byzantinischen Reiches[63]. Bei der Ankunft des Belisarius in Hippo Regius fiel ihm zudem noch der Staatsschatz des Vandalenreiches in die Hände, welcher sich im Hafen der Stadt befand[64]. Der derzeitige Vandalenkönig Gelimer war auf den nahen Berg Papua geflohen[65] und wurde durch eine Belagerung unter Pharas zur Kapitulation gezwungen[66]. Die Vandalen waren somit als Gefahr gebannt.

 

2.4) Die arabische Eroberung

Auf die arabische Eroberung und das endgültige Ende der Stadt soll hier nur kurz eingegangen werden, da es hier recht wenig Quellenmaterial gibt[67] und diese Thematik zeitlich weit über den Rahmen der Antike hinausgeht.

Wie auch schon das Gründungsdatum[68], so ist auch das genaue Zerstörungsdatum nicht sicher, wahrscheinlich allerdings in die Zeit des Kalifen Othman (645-656 n. Chr.) einzuordnen[69]. Nach der Eroberung blieb es wohl weiterhin bewohnt und wurde wohl erst zwischen dem 11. und dem 16. Jhd. endgültig zerstört oder verlassen[70].

 

3) Einzelaspekte

In den folgenden Abschnitten sollen einige Einzelaspekte zur Sprache kommen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zufriedenstellend in die Punkte 2.1 bis 2.4 eingefügt hätten werden können und zudem besondere Beachtung verdienen.

 

3.1) Name

Die Herkunft des Namens Hippo Regius ist nicht genau bestimmbar; bei Hippo handelt es sich vermutlich um ein phönikisches Wort[71], das Regius ist dagegen klar[72], allerdings sind seine Ursprünge unbekannt[73]. Möglicherweise begründet es sich aus dem Charakter als Residenzstadt der numidischen Könige, allerdings ist nicht gesichert, ob es sich tatsächlich um eine solche handelt[74].

 

3.2) Sprache

Zu den in Hippo Regius gesprochenen Sprachen sind keine genauen Informationen und Statistiken vorhanden, allerdings kann man, ähnlich wie beim geschichtlichen Verlauf[75], anhand der allgemeinen Situation in Nordafrika auf die konkreten Verhältnisse in Hippo Regius schließen. Diese sieht derart aus, dass vier Sprachen weitere Verbreitung gefunden haben: Das Libysche[76], das Phönikische[77] sowie das Griechische und das Lateinische[78].

Auf das Griechische und das Lateinische soll hier nicht näher eingegangen werden[79], zu dem Libyschen sei kurz erwähnt, dass es in Hippo Regius von der Frühzeit an bis zur christlichen Ära gesprochen wurde, danach in den Städten wohl nicht mehr und eher die Sprache der Unterschichten war[80].

Das Phönikische bzw. das Punische wurde ebenfalls von Anfang an in Hippo Regius gesprochen, war bereits recht früh die Sprache der Oberschichten und setzte sich auch nach der Zerstörung Karthagos bis ins 2. Jhd. n. Chr. durch[81]. Danach wurde es immer stärker durch das Lateinische verdrängt, aber immer noch teilweise bis zum 7. Jhd. n. Chr. durch die Bauern in der Umgebung weiter verwendet[82], die sich laut Augustinus aufgrund der sprachlichen Verwandtschaft dadurch als Nachfahren der Kanaaniter sahen[83].

 

3.3) Status

Im Folgenden sollen zwei Teilaspekte genauer betrachtet werden: Die Frage, ob es sich bei Hippo Regius tatsächlich um eine alte Königsstadt handelt und die Überlegung, unter welchem Kaiser es welchen Status innehatte.

Sowohl bei Silius Italicus als auch bei Strabo findet sich jeweils eine Stelle, welche die Vermutung nahe legt, dass es sich bei Hippo Regius um eine Residenzstadt der numidischen Könige handelt[84]. Betrachtet man die unterschiedlichen Meinung in der modernen Forschung[85], so erscheint es sinnvoll, davon auszugehen, dass es sich bei Hippo Regius um eine, wenn auch nicht die wichtigste Königsstadt handelt[86].

Es ist als relativ sicher anzusehen, dass Hippo Regius zunächst municipium und später dann colonia war[87], nur lässt sich keine Angabe darüber machen, zu welchem genauen Zeitpunkt es die jeweiligen Privilegien erhielt. Recht wahrscheinlich ist, dass es unter Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) zu einem selbstständigen latinischen municipium wurde[88] und diesen Status auch mindestens bis 78 n. Chr. innehatte[89]. Am wahrscheinlichsten ist die Aussage, dass es den Status einer colonia zwischen der traianischen (98-117 n. Chr.) und der antoninischen Zeit (138-161/192/235[90] n. Chr.) erhielt[91].

 

3.4) Bischöfe

Da Hippo Regius der Sitz der Diözese Numidien war[92], kann es als eine der wichtigsten Bischofsstädte Afrikas gesehen werden[93]. Als solche hatte es natürlich eine Reihe von Bischöfen, von denen immerhin neun mit Namen, wenn auch manchmal nicht mit viel mehr bekannt sind.

I) Der erste bekannte Bischof von Hippo Regius war Theogenes, welcher als Teilnehmer vom Konzil von Karthago im Jahre 256 n. Chr. belegt ist; scheinbar erlitt er im Jahre 259 n. Chr. zusammen mit 36 anderen unter Valerian (253-260 n. Chr.) den Märtyrertod[94].

II) Über Leontius, den zweiten bekannten Bischof, ist lediglich bekannt, dass er Gründer einer Kirche war, in welcher später Augustinus predigte; auch er erlitt möglicherweise im Jahre 303 n. Chr. den Märtyrertod[95].

III) Als gesicherter Märtyrer ist Fidentius zu sehen, welcher einer der „20 Märtyrer“ war, denen in Hippo Regius eine Kirche geweiht wurde; diese starben nach der Verweigerung des Opfers[96].

IV) Faustinus war der erste bekannte donatistische Bischof von Hippo Regius, über den jedoch lediglich bekannt ist, dass er den Bäckern der Stadt verbot, für Katholiken zu backen und dass er noch zu Zeiten des Augustinus in der Erinnerung der Leute war[97].

V) Mehr Informationen sind über Valerius, den direkten Vorgänger des Augustinus[98] vorhanden, welche allerdings nahezu alle durch den Bischof Possidius von Calama, den Verfasser der Augustinusvita, überliefert sind[99]. Durch seine Initiative wurde Augustinus dann auch erst zum Presbyter und 395 n. Chr. dann auch zum Bischof; Valerius starb wohl kurz nach der Bischofswahl des Augustinus[100].

VI) Augustinus war der sechste bekannte Bischof von Hippo Regius[101]; über ihn sind mit Abstand die meisten Informationen und somit auch die umfangreichste Menge an Forschungsliteratur erhalten[102]. Über ihn sollen nur kurz die wichtigsten Etappen seines Episkopates skizziert werden: 391 n. Chr. kam er nach Hippo Regius[103], 395 n. Chr. wurde er zum Bischof gewählt[104], 387-400 n. Chr. bekämpfte er den Manichäismus, 400-412 n. Chr. den Donatismus und 412-430 n. Chr. den Pelagianismus[105], sein Episkopat endete mit seinem Tod während der Belagerung durch die Vandalen am 28. August des Jahres 430 n. Chr.[106].

VII) Proculeianus war der zweite bekannte donatistische Bischof und übte sein Amt zeitgleich mit Augustinus aus[107]; er wurde dadurch bekannt, dass er und Augustinus als Vertreter beider Seiten zu einer Einigung kommen sollten, was wohl schon vor dem Tod des Valerius stattfand[108].

VIII) Der dritte und letzte bekannte donatistische Bischof von Hippo Regius war Macrobius, der wohl der Nachfolger des Proculeianus war und auch mehrere Male in den Werken des Augustinus erwähnt wird; dennoch ist nicht viel Relevantes über ihn bekannt[109].

IX) Heraclius, der Nachfolger des Augustinus, ist der letzte namentlich bekannte Bischof von Hippo Regius; außer der Tatsache, dass er 426 n. Chr. gewählt wurde und die Debatte zwischen Augustinus und dem arianischen Bischof Maximinus überlieferte[110], sind nicht viele gesicherte Informationen über ihn vorhanden[111]. Auch wenn Heraclius der letzte bekannte Bischof von Hippo Regius ist, so erscheint es doch unwahrscheinlich, dass er tatsächlich der letzte ist, da erst ab dem Jahr 484 n. Chr. kein weiterer katholischer Bischof mehr eingesetzt wurde[112].

 

3.5) Konzilien

Die religiöse Wichtigkeit von Hippo Regius[113] äußerte sich auch darin, dass es Ort von insgesamt vier Konzilien war. Das Material hierüber ist recht unvollständig[114], weshalb hier nur eine kurze zeitliche und räumliche Einordnung und eine ungefähre Einstufung der Wichtigkeit stattfinden soll.

I) Das erste Konzil von Hippo Regius fand am 8. Oktober 393 in der Basilica Pacis statt[115], wobei es sich laut Augustinus um ein gesamtafrikanisches Konzil gehandelt haben soll[116], was als recht wahrscheinlich anzusehen ist, da die Wichtigkeit dieses Konzils als gesichert gesehen werden kann[117].

II) Das zweite Konzil von Hippo Regius fand im Jahr 395 n. Chr. statt[118]; hierüber ist nur wenig bekannt, da nur ein niedergeschriebener Kanon überliefert ist[119].

III) Das dritte Konzil von Hippo Regius fand im Jahr 426 n. Chr. statt[120], hierbei war die Wahl des Heraclius das zentrale Thema, wie in der Rekonstruktion erkennbar wird[121].

IV) Das vierte Konzil von Hippo Regius fand am 24. September 427 in der Basilica Leontina statt[122]; auch über dieses Konzil ist wenig gesichertes bekannt, allerdings lässt es sich zumindest bis zu einem gewissen Grad rekonstruieren[123].

 

4) Eine Forschungskontroverse der 20er-Jahre

Der folgende abschließende Abschnitt beschäftigt sich mit einer Forschungskontroverse, die den Jahren 1924 und 1925 zwischen den Herren Howard und Holmes van Mater im Journal of Roman Studies diskutiert wurde und sich mit der Fragestellung beschäftigt, ob, wie und wann Hippo Regius nach der Eroberung durch die Vandalen durch diese niedergebrannt wurde.

Howard vertritt die Ansicht, dass der verbreitete Ablauf der Ereignisse (Römer verlassen Hippo Regius kurz nach der erfolglosen Belagerung durch die Vandalen, diese brennen es nieder, kurz darauf wird es wieder von den Römern besiedelt) als unwahrscheinlich zu sehen ist[124]. Er beruft sich hierbei eine Aussage der Augustinusvita des Possidius von Calama[125], welche besagt, dass die Kirchen von Karthago, Cirta und Hippo erhalten geblieben sind, welche sich seiner Ansicht nach auf Hippo Diarrhytus beziehen lässt[126]. Die Schlussfolgerung, die er daraus zieht, ist die, dass die Vandalen Hippo Regius nie erobert haben, sondern es stattdessen in einem der späteren Verträge erhielten, worin er auch die Erklärung dafür sieht, warum die Römer die erfolgreich verteidigte Stadt verließen und die Vandalen die eingenommene Stadt nicht in ihrer Gewalt behielten[127]. Die sich daraus ergebende Fragestellung, wie es möglich war, dass Hippo noch stehen konnte, wo es doch niedergebrannt worden war, löst er dadurch auf, dass er die Aussage des Possidius auf den Zeitpunkt des Todes des Augustinus bezieht[128].

Holmes van Mater hingegen bezieht die Aussage der Augustinusvita auf Hippo Regius und widerlegt die Argumentation Howards, die sich für Hippo Diarrhytus ausspricht, im Einzelnen[129]. Dann stellt er folgenden Ablauf der Ereignisse fest: Erst wurde die Belagerung durch die Vandalen aufgehoben, kurz darauf fand eine weitere Schlacht zwischen Bonifatius und den Vandalen statt[130], die mit einer Niederlage des Bonifatius endete, danach kehrten die Vandalen nach Hippo Regius zurück, aus dem in der Zwischenzeit die Bewohner geflohen waren, und brannten es nieder[131]. Die Rückkehr der Vandalen nach Hippo Regius erklärt er mit ihrem Wunsch nach Plünderungen und Beute, die Flucht der Bewohner aus der (erfolgreich gehaltenen) Stadt damit, dass nach der Niederlage des Bonifatius nun kein Schutz mehr durch die römische Armee bestand, die Unfähigkeit der Vandalen, die Stadt zu halten, erklärt sich aus ihrer geringen Zahl und die Rückkehr der Bewohner aus der Wichtigkeit der Stadt und der möglichen Verwüstung der umliegenden Städte[132]. Laut ihm verbleiben nun folgende Fragestellungen: Wie konnte die Stadt niederbrennen und zugleich noch stehen? Wann genau wurde sie verbrannt?[133] Da einerseits das Niederbrennen durch Possidius belegt ist, die Stadt jedoch noch stand, als er schrieb, ist daher wohl davon auszugehen, dass die Stadt nur teilweise niedergebrannt wurde[134]. Demzufolge liegt das genauer Datum des Brandes zwischen 431 und 439 n. Chr., da Possidius zu dieser Zeit auch die Augustinusvita verfasste, in welcher der Brand erwähnt wird[135]. Er weiß das Datum jedoch noch näher einzugrenzen: Einerseits kann der Brand mit hoher Wahrscheinlichkeit erst nach 432 n. Chr. stattgefunden haben, da Possidius wohl auch erst in diesem Jahr sein Werk begann und der Brand wohl auch erst nach der römischen Niederlage gegen die Vandalen, die, wie bereits erläutert, 431 oder (wahrscheinlicher) 432 n. Chr. stattfand[136]; andererseits wird der Brand wohl auch nicht nach dem Jahr 435 v. Chr. stattgefunden haben, da Hippo Regius bereits im selben Jahr offiziell durch den Vertrag an die Vandalen übergeben wurde und bis 439 n. Chr. die Residenz Geiserichs blieb[137].

Zusammenfassend lassen sich somit folgende Schlussfolgerungen aufstellen: 431 n. Chr. wurde die Belagerung durch die Vandalen aufgehoben, zwischen 432 und 435 n. Chr. war Hippo Regius zeitweilig verlassen und wurde von den Vandalen teilweise niedergebrannt und war spätestens ab 435 n. Chr. wieder bewohnt[138].


5) Verzeichnis der verwendeten Quellen und Sekundärliteratur

5.1) Verwendete Quellen[139]

- Appianus; Appiani historia Romana 2; ed. Paul Viereck; Leipzig u.a. 1986.

- Augustus; Res gestae Divi Augusti – das Monumentum Ancyranum (Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen 29/30); hrsg. von Hans Volkmann; Berlin 1969.

- Caesar; C. Ivli Caesaris commentarii 3 – Commentarii belli Alexandrini, belli Africi, belli Hispaniensis; ed. Alfred Klotz; Leipzig u.a. 1982.

- Cassius Dio; Diōnos Kassiu Kokkēianu rōmaikē historia 1; rec. Johann Melber; Leipzig 1890.

- Cassius Dio; Diōnos Kassiu Kokkēianu rōmaikē historia 2; rec. Johann Melber; Leipzig 1863.

- Cornelius Nepos; Cornelii Nepotis vitae cum fragmentis; ed. Peter K. Marshall; Stuttgart u.a. 1991.

- Diodorus Siculus; Diodōru bibliothēkē istorikē 6; rec. Kurt Th. Fischer; Leipzig u.a. 1991.

- Florus; L. Annaei Flori Epitomae libri II; ed. Otto Rossbach: Leipzig 1896.

- Herodotus; Herodoti Historiae 1 – Libros I - IV continens; ed. Hayim Barukh Rozen; Stuttgart u.a. 1987.

- Livius; Titi Livi Ab urbe condita libri 3,2 - Libri XXVII - XXX; rec. Wilhelm Weissenborn; Leipzig 1914.

- Orosius; Pauli Orosii historiarum adversum paganos libri VII; rec. Karl Zangemeister; Leipzig 1889.

- Plinius der Ältere; C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII 1 – Libri I - VI; ed. Karl Mayhoff; Stuttgart u.a. 1985.

- Procopius; Procopii Caesariensis opera omnia 1 – De bellis libri I - IV; rec. Jakob Haury; Leipzig 1962.

- Ptolemäus; Claudii Ptolemaei opera quae exstant omnia 1,1 – Syntaxis mathematica 1, Libros I - VI continens; ed. Johan L. Heiberg; Leipzig 1898.

- Sallust; Catilina, Iugurtha, fragmenta ampliora; ed. Alfons Kurfess; Leipzig 1981.

- Silius Italicus; Sili Italici punica 1 – Libros I - X continens; ed. Ludwig Bauer; Leipzig 1890.

- Strabo; Strabonis geographica 3; rec. August Meineke; Leipzig 1903.

- Victor Vitensis; Victoris Vitensis Historia persecutionis Africanae provinciae - sub Geiserico et Hunirico regibus wandalorum (MGH SS auct. Ant. 3,1); rec. Karl Halm; München 1981.

- Zonaras; Iōannu tu Zōnara epitomē historiōn 2; ed. Ludwig Dindorf; Leipzig 1869.

 

5.2) Verwendete Sekundärliteratur

- Birley, Anthony Richard; Septimius Severus, the African emperor; London u.a. 1999.

- Brown, Peter; Augustinus von Hippo – eine Biographie; München 2000.

- Charles-Picard, Gilbert; Das wiederentdeckte Karthago; Frankfurt am Main 1957.

- Charles-Picard, Gilbert; Nordafrika und die Römer; Stuttgart 1962.

- Charles-Picard, Gilbert; Karthago – Leben und Kultur; Stuttgart 1983.

- Decret, Francois; L’Afrique du Nord dans l’Antique – histoire et civilisation des origines au Ve siècle (Bibliotheque historique Payot); Paris 1998.

- Elliger, Winfried; Karthago – Stadt der Punier, Römer, Christen (Urban-Taschenbücher 412); Stuttgart u.a. 1990.

- Gsell, Stéphane; Histoire ancienne de l’Afrique du Nord 1 – Les conditions du developpenment historique. Les temps primitifs, la colonisation Phénicienne et l’empire de Carthage; Paris u.a. 1914.

- Gsell, Stéphane; Histoire ancienne de l’Afrique du Nord 2 – L’etat Carthaginois; Paris u.a. 1918.

- Gsell, Stéphane; Histoire ancienne de l’Afrique du Nord 3 – Histoire militaire de Carthage; Paris u.a. 1918.

- Gsell, Stéphane; Histoire ancienne de l’Afrique du Nord 4 – La civilisation Carthaginoise; Paris u.a. 1929.

- Gsell, Stéphane; Histoire ancienne de l’Afrique du Nord 5 – Les royaumes indigènes: Organisation sociale, politique et économique; Paris u.a. 1929.

- Gsell, Stéphane; Histoire ancienne de l’Afrique du Nord 6 – Les royaumes indigènes: Vie materielle, intellectuelle et morale; Paris u.a. 1929.

- Gsell, Stéphane; Histoire ancienne de l’Afrique du Nord 7 – La republique Romaine et les rois indigènes; Paris u.a. 1930.

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- Teutsch, Leo; Das Städtewesen in Nordafrika – in der Zeit von C. Gracchus bis zum Tode des Kaisers Augustus; Berlin 1962.

- Warmington, Brian Herbert; Carthage; London 1969, 2. rev. ed..


 


 

[1] Vgl. PTOLEMÄUS; Claudii Ptolemaei opera quae exstant omnia 1,1 – Syntaxis mathematica 1, Libros I - VI continens; ed. Johan L. Heiberg; Leipzig 1898; IV,3,5 und HOLMES van Mater, Dennis III.; Hippo Regius from the earliest times to the Arab conques; Amsterdam 1970, S. 1.

[2] Hierbei handelt es sich um Hippo Regius und Hippo Diarrhytus, vgl. dazu Holmes, Hippo Regius, S. 22 und LEPELLEY, Claude; Hippone aux époques numide et romaine; in: Delestre, Xavier (Hrsg.); Hippone – Hippo Regius, Bûna, Bône, Annaba; Aix-en-Provence 2005; S. 19.

[3] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 22 und Lepelley, Hippone, S. 19. Konkrete Beispiele folgen zudem im weiteren Verlauf dieser Arbeit.

[4] Dies gilt insbesondere für die Punkte 2.1 (Ursprünge und karthagische Zeit), 3.1 (Name), 3.3 (Status), 3.4 (Bischöfe) und 3.5 (Konzilien), wie in selbigen auch noch deutlich wird.

[5] Holmes, Hippo Regius, S. 24 vermutet ebenfalls eine Entwicklung, die sich von den meisten anderen nordafrikanischen Städten nicht wesentlich unterscheidet.

[6] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 2 und Lepelley, Hippone, S. 19.

[7] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 2.

[8] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 23, der sich jedoch nicht festlegt. Lepelley, Hippone, S. 19, STORM, Elfriede; Massinissa – Numidien im Aufbruch (Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main: Geisteswissenschaftliche Reihe 16); Stuttgart 2001; S. 109 und GSELL, Stéphane; Histoire ancienne de l’Afrique du Nord 3 – Histoire militaire de Carthage; Paris u.a. 1918; S. 51 vermuten hier eine phönikische Gründung, BROWN, Peter; Augustinus von Hippo – eine Biographie; München 2000; S.163 legt sich sogar auf eine solche fest, während WARMINGTON, Brian Herbert; Carthage; London 1969, 2. rev. ed.; S. 66 eher Tendenzen zu einer karthagischen Gründung aufweist. DECRET, Francois; L’Afrique du Nord dans l’Antique – histoire et civilisation des origines au Ve siècle (Bibliotheque historique Payot); Paris 1998 ; S. 58 ELLIGER, Winfried; Karthago – Stadt der Punier, Römer, Christen (Urban-Taschenbücher 412); Stuttgart u.a. 1990; S. 79 merken hier zwar punische Spuren an, äußern sich zu dieser Thematik jedoch nicht näher. Umbenstock hält eine ägypto-phönikische Gründung für am wahrscheinlichsten, vgl. dazu Holmes, Hippo Regius, S. 24, Anm. 14. SALLUST; Catilina, Iugurtha, fragmenta ampliora; ed. Alfons Kurfess; Leipzig 1981; Iugurtha 19,1 erwähnt zwar ein von den Phönikern gegründetes Hippo, jedoch nicht, um welches es sich handelt, PLINIUS DER ÄLTERE; C. Plini Secundi naturalis historiae libri XXXVII 1 – Libri I - VI; ed. Karl Mayhoff; Stuttgart u.a. 1985; V,22 erwähnt zwar eine Küstenstadt Hippo, bei der es sich mit recht großer Sicherheit um Hippo Regius handelt, geht jedoch nicht näher auf die Umstände der Gründung ein. Bei HERODOTUS; Herodoti Historiae 1 – Libros I - IV continens; ed. Hayim Barukh Rozen; Stuttgart u.a. 1987; IV,197 findet sich lediglich ein kurzer Verweis auf den Zuwanderercharakter der Phöniker, jedoch auch kein verwerbares Indiz.

[9] Holmes, Hippo Regius, S. 23 grenzt den möglichen Zeitraum im Falle einer phönikischen Gründung zwischen dem 12. und dem 9. Jhd. v. Chr., im Falle einer karthgischen Gründung zwischen dem 9. und dem 4. Jhd. v. Chr. ein. Brown, Augustinus, S. 163 gibt an, dass die Stadt bei Antritt des Bischofsamtes durch Augustinus (395 n. Chr.) schon tausend Jahre besteht, was demnach in den Zeitraum einer karthagischen Gründung fällt.

[10] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 24.

[11] Somit entweder eine phönikische oder eine karthagische Gründung.

[12] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 23, der hierfür auch eine Reihe von Gründen nennt. Umstritten ist jedoch, dass es sich bei der Mauer um eine typisch phönikische handelt, vgl. auch Holmes, Hippo Regius, S. 23, Anm. 10. Lepelley, Hippone, S. 19 ordnet die Mauern als punischen Typs ein, ebenso KAHRSTEDT, Ulrich; Geschichte der Karthager 3 – Geschichte der Karthager von 218-146; Berlin 1913; S. 91-92, der die Mauern in karthagische Zeit einordnet, im Gegensatz dazu Storm, Massinissa, S. 124, welche zumindest die Seemauer als numidisch einordnet.

[13] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 24, Lepelley, Hippone, S. 19, Storm, Massinissa, S. 109

[14] Vgl. Gsell, Histoire 3, S. 51 und Holmes, Hippo Regius, S. 24.

[15] Das Quellenmaterial hierfür, aber auch für die militärischen Ereignisse im allgemeinen ist jedoch eher dünn gesät, vgl. dazu Holmes, Hippo Regius, S. 56.

[16] DIODORUS SICULUS; Diodōru bibliothēkē istorikē 6; rec. Kurt Th. Fischer; Leipzig u.a. 1991; XX,55,3 und XX,57,6. In XX,55,3 wird es als Hippu und in XX,57,6 als Hippu Akra bezeichnet.

[17] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 56, Lepelley, Hippone, S. 19 und Storm, Massinissa, S. 123 geben hier ebenfalls die erste Erwähnung von Hippo Regius in der Literatur an, GSELL, Stéphane; Histoire ancienne de l’Afrique du Nord 2 – L’etat Carthaginois; Paris u.a. 1918; S. 149 dagegen vermutet, dass es sich bei dem von Diodorus Siculus erwähnten Hippo um Hippo Diarrhytus handelt. Zu den Gegenpositionen vgl. auch Holmes, Hippo Regius, S. 57, Anm. 6.

[18] Diodorus Siculus, bibliothēkē istorikē, XX,17.

[19] ZONARAS; Iōannu tu Zōnara epitomē historiōn 2; ed. Ludwig Dindorf; Leipzig 1869; VIII,16 und daraus ergebend CASSIUS DIO; Diōnos Kassiu Kokkēianu rōmaikē historia 1; rec. Johann Melber; Leipzig 1890; XII.

[20] Da sich in der von mir verwendeten Forschungsliteratur keine Erwähnung dieser Quellenstelle, weder den Bezug auf Hippo Regius bestätigend noch ihn bestreitend, fand, bin ich daher auf eigene Vermutungen angewiesen. Meiner Meinung nach ist ein Bezug auf Hippo Regius recht wahrscheinlich, da dieses über einen Hafen von großer Bedeutung verfügte. Brown, Augustinus, S. 163 stellt den Status als zweitgrößter Seehafen Afrikas fest, auch RAVEN, Susan; Rome in Africa; London u.a. 1993, 3. rev. ed.; S. 79 und Storm, Massinissa, S. 15 stellen die Bedeutung oder zumindest die Brauchbarkeit des Hafens fest. Merkwürdig erscheint dagegen die Aufzählung der großen Häfen bei CHARLES-PICARD, Gilbert; Nordafrika und die Römer; Stuttgart 1962; S. 30, bei der Hippo Regius keine Beachtung findet. Ein weiterer Beleg für die günstige Hafenlage ist die (als wahrscheinlich angesehene) Verwendung als Handelsposten durch die Phöniker, vgl. dazu insbesondere Anm.13.

[21] CORNELIUS NEPOS; Cornelii Nepotis vitae cum fragmentis; ed. Peter K. Marshall; Stuttgart u.a. 1991; Hamilkar 2,4.

[22] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 57.

[23] LIVIUS; Titi Livi Ab urbe condita libri 3,2 - Libri XXVII - XXX; rec. Wilhelm Weissenborn; Leipzig 1914; XXIX,3,7. Da an dieser Stelle konkret von Hippo Regius gesprochen wird, kann kein Zweifel am Bezug auf diese Stadt gesehen werden.

[24] Livius, Ab urbe condita XXIX,3,8.

[25] Dies ergibt sich aus Livius, Ab urbe condita XXIX,5,1, vgl. auch Holmes, Hippo Regius, S. 57.

[26] Zonaras, epitomē historiōn, IX,12 und daraus ergebend Cassius Dio, rōmaikē historia, XXI.

[27] Wie bereits in der in Anm. 19 angeführten Stelle (sh. auch Anm. 20) findet sich auch hier keine Erwähnung in der Sekundärliteratur. Es kann allerdings deshalb mit Sicherheit gesagt werden, dass es sich hierbei um Hippo Diarrhytus handeln muss, da Hippo Regius zu diesem Zeitpunkt bereits Teil des mit Rom verbündeten numidischen Königreiches war, während Hippo Diarrhytus noch dem karthagischen Imperium unterstand, vgl. dazu auch Holmes, Hippo Regius, S. 22.

[28] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 24. Zwar war Hippo Regius schon unter Massinissas Vater Gaia Teil des numidischen Königreiches (Massylerreiches), doch war zu diesem Zeitpunkt die karthagische Dominanz noch stark spürbar, zudem kam es im 2. Punischen Krieg unter die Herrschaft des Syphax, dem König der Masaesyler, für die genauen Hintergründe vgl. Lepelley, Hippone, S. 19 und insbesondere Storm, Massinissa, S. 123.

[29] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 26 und Lepelley, Hippone, S. 19. Danach wurde es zwar noch einmal kurzzeitig an Juba II. übergeben, aber recht schnell gegen Mauretanien eingetauscht.

[30] Dies wird in 3.3 (Status) noch ausführlich behandelt.

[31] Vgl. Storm, Massinissa, S. 104, zu der Ausweitung der Landwirtschaft sh. Storm, Massinissa, S. 103.

[32] Bis zur Belagerung durch die Vandalen 430 n. Chr., sh. 2.3 (Vandalische und byzantinische Zeit).

[33] CAESAR; C. Ivli Caesaris commentarii 3 – Commentarii belli Alexandrini, belli Africi, belli Hispaniensis; ed. Alfred Klotz; Leipzig u.a. 1982; Bellum Africanum 96. Er verwendet hier den Beinamen, wodurch auch diese Stelle eindeutig zuzuordnen ist, allerdings redet er nur vom Tod, nicht aber vom Selbstmord Scipios. APPIANUS; Appiani historia Romana 2; ed. Paul Viereck; Leipzig u.a. 1986; Bellum Civilum 2,100 berichtet zwar über die Schlacht und erwähnt auch den Selbstmord Scipios, geht aber nicht auf Details der Schlacht ein, sondern begnügt sich mit dem Ergebnis von selbiger. Sämtliche anderen Autoren, welche hierüber berichten, gehen nur auf den Selbstmord Scipios ein, diese wären: Cassius Dio, rōmaikē historia XLIII,9,5, FLORUS; L. Annaei Flori Epitomae libri II; ed. Otto Rossbach: Leipzig 1896; II,13,68 und OROSIUS; Pauli Orosii historiarum adversum paganos libri VII; rec. Karl Zangemeister; Leipzig 1889; VI,16,4. Zu der Schlacht vgl. auch Holmes, Hippo Regius, S. 56, Lepelley, Hippone, S. 19, Decret, L’Afrique, S. 156 und Gsell, Histoire 3, S. 105.

[34] Auch dies soll in 3.3 (Status) eine ausführlichere Behandlung erhalten.

[35] Vgl. Warmington, Carthage, S. 66, CHARLES-PICARD, Gilbert; Das wiederentdeckte Karthago; Frankfurt am Main 1957; S. 123 gibt es zudem als Ort des Baus römischer Kriegsschiffe an. Auch zur Zeit des Augustinus wurde der Hafen noch regelmäßig genutzt, vgl. dazu Brown, Augustinus, S. 164.

[36] Vgl. KIENAST, Dietmar; Augustus – Prinzeps und Monarch; Darmstadt 1999; 3. erw. Auflage; S. 433.

[37] Vgl. MANTON, E. Lennox; Roman North Africa; London 1988; S. 85. Eine genaue Auflistung aller Straßen findet sich bei Holmes, Hippo Regius, S. 4-8.

[38] Vgl. LEVICK, Barbara; Vespasian; London u.a. 1999 ; S. 105.

[39] Neben Hadrumentum und Karthago, vgl. HÖNN, Karl; Augustus und seine Zeit; Wien 1953; 4. verb. Auflage; S. 182.

[40] MORGAN, Gwyn; 69 A.D. – the year of four emperors; Oxford u.a. 2006; S. 274 legt sich hier nicht fest, führt allerdings Indizien dafür an. BIRLEY, Anthony Richard; Septimius Severus, the African emperor; London u.a. 1999; S. 24 und Brown, Augustinus, S. 163 sehen es beide als erwiesen an.

[41] Vgl. Birley, Septimius Severus, S. 238, Anm. 2. Jener Quintus Servilius Pudens war der Schwiegervater von Lollius Gentianus, welcher ein prominenter Anhänger des Septimius Severus war.

[42] Vgl. Lepelley, Hippone, S. 22.

[43] Eine Behandlung von Hippo Regius unter Augustinus bleibt hier aus, da dies in den Punkten 3.4 (Bischöfe) und 3.5 (Konzilien).

[44] Vgl. hierzu den Teilabschnitt über die numidische Zeit.

[45] Procopius; Procopii Caesariensis opera omnia 1 – De bellis libri I - IV; rec. Jakob Haury; Leipzig 1962; Bellum Vandalicum I,3,14-16 berichtet über Bonfatius und seine Erhebung zum Befehlshaber von Afrika.

[46] Procopius, Bellum Vandalicum, I,3,26. Zu der Überquerung vgl. auch Holmes, Hippo Regius, S. 21, der die Überquerung jedoch schon auf 428 ansetzt, PACK, Edgar; Valentinian III.; in: Clauss, Manfred (Hrsg.); Die römischen Kaiser – 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian; München 2005; S. 395-401; S. 398, Raven, Rome, S. 451, Manton, Africa, S. 135, KORNEMANN, Ernst; Geschichte der Spätantike (Beck’sche Schwarze Reihe 175); München 1978; S. 137, HOLMES van Mater, Dennis III.; Another note on the Vandal occupation of Hippo Regius; in: Journal of Roman Studies 15 (1925); S. 263-268; S. 263 und KÖNIG, Ingemar; Die Spätantike; Darmstadt 2007; S. 89-90.

[47] Procopius, Bellum Vandalicum, I,3,30.

[48] Procopius, Bellum Vandalicum, I,3,31. Hippo Regius wird hier konkret mit Beinamen und als befestigte Seestadt in Numidien erwähnt. Vgl. dazu auch König, Spätantike, S. 90, Raven, Rome, S. 151 und Manton, Africa, S. 135.

[49] Procopius, Bellum Vandalicum, I,3,32. Vgl. dazu auch Holmes, Hippo Regius, S. 58, Lepelley, Hippone, S. 23, LAPORTE, Jean-Pierre; Hippone vandale et byzantine; in: Delestre, Xavier (Hrsg.); Hippone – Hippo Regius, Bûna, Bône, Annaba; Aix-en-Provence 2005; S. 37-39; S. 37, Brown, Augustinus, S. 372, Pack, Valentinian III., S. 298, Raven, Rome, S. 151 und 161 und Holmes, Note, S. 264. Während der Belagerung starb auch Augustinus am 28. August 430, zu seinem Tod vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 58, LANCEL, Serge; Saint Augustin et Hippone; in: Delestre, Xavier (Hrsg.); Hippone – Hippo Regius, Bûna, Bône, Annaba; Aix-en-Provence 2005; S. 25-31; S. 31, Laporte, Hippone, S. 37, Brown, Augustinus, S. 374-379, König, Spätantike, S. 90, Raven, Rome, S. 151, Elliger, Karthago, S. 202, Kornemann, Spätantike, S. 137 und Holmes, Note, S. 264.

[50] Procopius, Bellum Vandalicum, I,3,34. Vgl. dazu auch Holmes, Hippo Regius, S. 59, Holmes, Note, S. 264 und HOWARD, E.-C.; A note on the Vandal occupation of Hippo Regius; in: Journal of Roman Studies 14 (1924); S. 257-258; S. 257.

[51] Procopius, Bellum Vandalicum, I,3,35. Vgl. dazu auch Pack, Valentinian III., S. 398 und Holmes, Note, S. 266.

[52] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 26 und 59, Brown, Augustinus, S. 379, Pack, Valentinian III., S. 398, König, Spätantike, S. 90, Raven, Rome, S. 151, Manton, Africa, S. 135, Elliger, Karthago, S. 202, Howard, Note, S. 257 und Holmes, Note, S. 267.

[53] Vgl. Laporte, Hippone, S. 37, König, Spätantike, S. 90, Raven, Rome, S. 151, Elliger, Karthago, S. 202

[54] Es finden sich nämlich allgemein keine Angaben über die Einwohnerzahlen afrikanischer Städte, vgl. dazu Charles-Picard, Nordafrika, S. 123.

[55] Decret, L’Afrique, S. 205 schätzt 20000-30000 Einwohner für die Zeit des Septimius Severus (193-211 n. Chr.), KRAUSE, Jens, Uwe; Die Spätantike; in: Gehrke, Hans-Joachim/Schneider, Helmuth; Geschichte der Antike – ein Studienbuch; Stuttgart 2006; 2. erweiterte Auflage; S. 409-477; S. 441 setzt für die Spätantike 30000-50000 Einwohner an. Charles-Picard, Nordafrika, S. 129 ordnet Hippo Regius als Stadt mittlerer Größe ein, ohne jedoch näher darauf einzugehen, welche Dimensionen er hierunter versteht. Da auch Krause, Spätantike, S. 441 zu entnehmen ist, dass er mit seiner Zahl auch eine ungefähr mittelgroße ansetzt, ist davon auszugehen, dass die beiden im wesentlichen in ähnlich großen Kategorien denken.

[56] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 59, Laporte, Hippone, S. 37, König, Spätantike, S. 89, Kornemann, Spätantike, S. 146 und Holmes, Note, S. 268.

[57] Vgl. hierzu Laporte, Hippone, S. 37, Pack, Valentinian III., S. 399, König, Spätantike, S. 90, Raven, Rome, 151, Elliger, Karthago, S. 202, Kornemann, Spätantike, S. 147 und Holmes, Note, S. 264.

[58] Procopius, Bellum Vandalicum, I,5,8 berichtet von der Schleifung der Mauern aller Städte mit Ausnahme Karthagos, Holmes, Hippo Regius, S. 59 geht daher auch von der Zerstörung der Mauern aus, Raven, Rome, S. 168 dagegen betont, dass weder die Mauern von Karthago noch die von Hippo Regius geschleift wurden.

[59] Laporte, Hippone, S. 38. Dies bietet sowohl ein Argument für als auch gegen die Schleifung der Mauern von Hippo Regius durch die Vandalen. Dafür, dass im Falle eines Aufstandes diese wichtige Stadt leichter wiedereinzunehmen ist; dagegen jedoch insofern, dass die Stadt somit auch von Feinden leichter einzunehmen wäre. Zudem lässt die Tatsche, dass die Vandalen bei der Eroberung Nordafrikas auf keinerlei Widerstand seitens der Bevölkerung stießen, vgl. dazu Brown, Augustinus, S. 371, die Formierung einer Widerstandsbewegung eher als unwahrscheinlich erscheinen.

[60] Vgl. Holmes, Note, S. 264. Dieser Tatbestand und die Tatsache, dass die Truppen des Belisarius wohl keine Wiedererrichtung der Mauer anfingen, vgl. dazu Holmes, Hippo Regius, S. 59, könnten ebenfalls dafür sprechen, dass die Mauer der Stadt noch existent und unzerstört war.

[61] Victor Vitensis; Victoris Vitensis Historia persecutionis Africanae provinciae - sub Geiserico et Hunirico regibus wandalorum (MGH SS auct. ant. 3,1); rec. Karl Halm; München 1981; I,13.

[62] Die in Anm. 61 angegebene Stelle berichtet über die blutige Beendigung eines Osterfestes in einem Ort namens Regia, wobei es allerdings keinen Anhaltspunkt gibt, dahinter Hippo Regius zu vermuten. Zudem wäre die Nennung des Beinamens, nicht aber des Stadtnamens an sich, nicht nur eine unübliche, sondern obendrein auch eine sehr unpraktische Vorgehensweise.

[63] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 26

[64] Procopius, Bellum Vandalicum, II,4,41, zur Vorgeschichte sh. Procopius, Bellum Vandalicum, II,4,33-41, vgl. dazu auch Holmes, Hippo Regius, S. 60 und Laporte, Hippone, S. 39.

[65] Procopius, Bellum Vandalicum, II,4,26, vgl. dazu auch Holmes, Hippo Regius, S. 60 und Laporte, Hippone, S. 39.

[66] Procopius, Bellum Vandalicum, II,4,27-31, vgl. dazu auch Holmes, Hippo Regius, S. 61.

[67] Vgl. Laporte, Hippone, S. 39 und Holmes, Hippo Regius, S. 62, der das Material zudem als sehr unzuverlässig einstuft. Belegt wird dies durch Holmes, Hippo Regius, S. 62-64.

[68] Sh. 2.1 (Ursprünge und karthagische Zeit), insbesondere Anm. 6-12.

[69] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 63-64.

[70] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 64-65.

[71] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 22, Storm, Massinissa, S. 123 hält eine Verbindung mit ubbon (phön. = Golf) für möglich.

[72] Regius = lat. königlich.

[73] Holmes, Hippo Regius, S. 22 vermutet hier die Übersetzung eines punischen Wortes zur Unterscheidung der beiden Hippos, da Hippo Regius nach dem Fall Karthagos zum numidischen Königreich, Hippo Diarrhytus dagegen zur römischen Provinz Africa proconsularis gehörte.

[74] Die hierzu vorhandenen Thesen werden in 3.3 (Status) genauer betrachtet.

[75] Sh. 2 (Abriss der Geschichte von Hippo Regius), insbesondere Anm. 5.

[76] Zur hamitischen Sprachgruppe gehörig, vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 17.

[77] Sowie das später daraus hervorgehende Punische, zur semitischen Sprachgruppe gehörig, vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 17.

[78] Zur indogermanischen Sprachgruppe gehörig, vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 17.

[79] Eine angemessen ausführliche Behandlung dieser Thematiken würde zu weit ausufern, daher sei hier lediglich auf Holmes, Hippo Regius, S. 20-21 verwiesen.

[80] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 18.

[81] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 19.

[82] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 20, Storm, Massinissa, S. 124, CHARLES-PICARD, Gilbert; Karthago – Leben und Kultur; Stuttgart 1983; S. 129 und 260,  Charles-Picard, Karthago, 1957, S. 184, Gsell, Histoire 2, S. 151 und LEPELLEY, Claude; Aspects de l’Afrique romaine – les cités, la vie rurale, le christianisme; Bari 2001; S. 96.

[83] Vgl. Decret, L’Afrique, S. 33 und Charles-Picard, Karthago, 1983, S. 129 und 260.

[84] SILIUS ITALICUS; Sili Italici punica 1 – Libros I - X continens; ed. Ludwig Bauer; Leipzig 1890; II,259 bezeichnet Hippo als eine von den Königen geschätzte Stadt, während STRABO; Strabonis geographica 3; rec. August Meineke; Leipzig 1903; XVII,3,13 das Vorhandensein beider Hippos erwähnt und beiden die Eigenschaft eines Königssitzes zuschreibt.

[85] Gsell, Stéphane; Histoire ancienne de l’Afrique du Nord 5 – Les royaumes indigènes: Organisation sociale, politique et économique; Paris u.a. 1929; S. 248 sieht das Regius als möglichen Hinweis für einen besonderen Stand der Stadt bei Numiderfürsten und erwägt, dass es sich möglicherweise um eine Residenzstadt handeln könnte, vgl. Gsell, Histoire 5, S. 248, Anm. 4, Holmes, Hippo Regius, S. 22 weist ebenfalls darauf hin, dass diese Vermutung anhand des Regius nahe liegt, sieht es aber als nicht bewiesen an, dass dies auch tatsächlich der Fall ist, auch Storm, Massinissa, S. 122 stellt fest, dass Hippo Regius als Königsstadt bekannt ist, jedoch auch, dass es sich deshalb allerdings nicht unbedingt um eine königliche Residenz handelt.

[86] Wie bereits aus den vorherigen Kapiteln der Arbeit hervorgeht, besaß Hippo Regius durchaus eine gewisse Bedeutung und somit auch über ein gewisses Prestige, wodurch es gute Voraussetzungen für eine zumindest zeitweilige Residenzstadt hatte.

[87] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 28.

[88] Vgl. Teutsch, Leo; Das Städtewesen in Nordafrika – in der Zeit von C. Gracchus bis zum Tode des Kaisers Augustus; Berlin 1962; S. 69, 133 und 164. Möglicherweise wurde dort auch eine Veteranenkolonie errichtet, vgl. dazu Holmes, Hippo Regius, S. 29, Anm. 11. Augustus; Res gestae Divi Augusti – das Monumentum Ancyranum (Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen 29/30); hrsg. von Hans Volkmann; Berlin 1969; 28 berichtet zwar von der Ansiedlung von Soldaten unter anderem in Afrika, doch weder, wo genau das der Fall war, noch von sonstigen Aspekten der Afrikapolitik des Augustus.

[89] Vgl. Teutsch, Städtewesen 163-164. Auch findet sich  bei Plinius der Ältere, naturalis historiae, V,29 eine Aufzählung aller in Nordafrika zu seiner Zeit vorhandenen Kolonien, unter welcher Hippo Regius nicht vertereten ist.

[90] Abhängig davon, ob sich das „antoninisch“ nur auf die Regierungszeit des Kaisers Antoninus Pius oder auf die der gesamten „Dynastie“ der Antoninen bezieht. Hier wiederum kann sowohl die severische Dynastie (193-235 n. Chr.), welche in Berufung auf Antoninus ebenfalls diesen Namen annahm noch miteinbezogen werden.

[91] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 30, angesichts der in Anm. 90 angeführten Erläuterungen stimmt dies mit Charles-Picard, Nordafrika, S. 29-30 überein, der den gesamten Prozess in Afrika an sich betrachtet und ebenfalls Traianus als Anfangspunkt nimmt, als Endpunkt dagegen führt er bereits Septimius Severus (193-211 n. Chr.), den Begründer der severischen Dynastie an. Brown, Augustinus, S. 163 stellt fest, dass die Stadt zu Zeiten des Augustinus bereits 200 Jahre civitas romana ist, die Verleihung des Privileges somit recht genau in die Zeit des Septimius Severus fallen würde.

[92] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 34, Lepelley, Aspects, S. 59 und Charles-Picard, Nordafrika, S. 129. Eine ungefähre, aber recht unsichere Angabe der Ausdehnung des Bistums anhand einer Liste der Lokalitäten findet sich bei Holmes, Hippo Regius, S. 33.

[93] Endgültig bestätigt wird diese Position dadurch, dass auch noch jener große Kirchenvater Augustinus Bischof von Hippo Regius war (395-430 n. Chr.).

[94] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 35.

[95] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 35.

[96] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 36.

[97] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 36.

[98] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 36 und Brown, Augustinus, S. 164.

[99] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 36.

[100] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 36-37.

[101] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 37.

[102] Für umfangreichere Informationen zu seinem Leben und Wirken sei auf das hier ebenfalls oftmals verwendete Standardwerk von Peter Brown verwiesen.

[103] Vgl. Raven, Rome, S. 147, Decret, L’Afrique, S. 303 und Brown, Augustinus, S. 542.

[104] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 37, Lepelley, Hippone, S. 22, Manton, Africa, S. 134 Raven, Rome, S. 147 und Brown, Augustinus, S. 543.

[105] Vgl. Decret, L’Afrique, S. 310.

[106] Vgl. Anm. 49.

[107] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 37 und Lepelley, Aspects, S. 350.

[108] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 37.

[109] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 37.

[110] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 38.

[111] Augustinus erwähnt in Sermo 356,7 (sh. Holmes, Hippo Regius, S. 38) einen „Eraclius diaconus“, welcher von seiner Jugend an ein Vorbild an Religiosität, Tugend und Menschlichkeit gewesen sein soll, es ist allerdings nicht sicher, ob dieser mit dem Bischof Heraclius identisch ist, vgl. dazu Holmes, Hippo Regius, S. 38.

[112] Vgl. Laporte, Hippone, S. 38. Da Heraclius, wie bereits erwähnt, im Jahr 426 n. Chr. zum Bischof gewählt wurde, ist es bei der damaligen Lebenserwartung und der religiösen Verfolgung durch die Vandalen (sh. Victor Vitensis, Historia persecutionis, I,2) eher unrealistisch, davon auszugehen, dass er die 58 Jahre von seiner Wahl (bei der er auch schon ein gewisses Alter gehabt haben muss) bis zum endgültigen Ende des Episkopates von Hippo Regius überlebt hat

[113] Soeben in 3.4 (Bischöfe) demonstriert.

[114] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 43, der das vorhandene Material zudem als wenig vertrauenswürdig einstuft.

[115] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 43.

[116] Retractiones I,17 (sh. Holmes, Hippo Regius, S. 43, Anm. 3).

[117] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 43 und 55.

[118] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 53.

[119] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 53 und 55.

[120] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 43, eine genaue Schilderung des Konzils findet sich bei Holmes, Hippo Regius, S. 38-42.

[121] Sh. Anm. 120.

[122] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 53.

[123] Vgl. Holmes, Hippo Regius, S. 55, für die Rekonstruktion sh. Holmes, Hippo Regius, S. 54.

[124] Vgl. Howard, Note, S. 257.

[125] Die hier angegebene Stelle ist Vita 28, sh. Howard, Note, S. 257.

[126] Vgl. Howard, Note, S. 257.

[127] Vgl. Howard, Note, S. 257.

[128] Vgl. Howard, Note, S. 258.

[129] Der genaue Gang der Argumentation und der Widerlegung der einzelnen Argumente findet sich bei Holmes van Mater, Note, S. 265-266.

[130] Holmes, Note, S. 266 und 268 setzt diese Schlacht für 431 oder 432 n. Chr. an, wobei sich hier eine deutliche Tendenz zu 432 n. Chr. feststellen lässt.

[131] Zu dem Ereignisablauf vgl. Holmes, Note, S. 267.

[132] Zu diesen Gedankengängen vgl. Holmes, Note, S. 267.

[133] Zu diesen Fragestellungen vgl. Holmes, Note, S. 267.

[134] Vgl. Holmes, Note, S. 267.

[135] Vgl. Holmes, Note, S. 267.

[136] Vgl. Holmes, Note, S. 268.

[137] Vgl. Holmes, Note, S. 268.

[138] Vgl. Holmes, Note, S. 268.

[139] Sämtliche angegebenen Quellenausgaben sind, sofern nicht anders angegeben, aus der „Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana“.

Folgende Autoren wurden im Verlauf der Arbeit zusätzlich zu den angegebenen herangezogen, erwiesen sich jedoch als unergiebig: Ammianus Marcellinus, Eutropius, Herodianus, Historia Augusta, Lucan, Plutarch, Polybios, Sueton, Tacitus, Velleius Paterculus und Zosimos.

 


Brendel, Raphael
Rezension: Die Salier – Das erste deutsche Königshaus

Laudage, Johannes; Die Salier – Das erste deutsche Königshaus – C. H. Beck-Wissen 2397; München 2006.
128 Seiten.
EUR 7,90.
ISBN: 978-3406535970. (mehr…)


Hofmann, Andreas C.
Als Regierungsbeamte noch eimerweise mit Wein besoldet wurden. Anekdoten aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Ein Jeder kennt es: Man sitzt in der Bibliothek über einem Buch oder Aufsatz, fertigt fleißig Exzerpte an. Je nach Schreibstil des Autors kommt es vor, dass sich Erschöpfung oder gar Müdigkeit bemerkbar machen. Und dann passiert es: Man stolpert über einen Satz und erwacht aus dem Halbschlaf. Man liest ihn ein zweites Mal und fragt sich, ob das, was dort zu lesen ist, der Wahrheit entspricht. Es wirkt übertrieben und ein wenig surreal, besonders vor dem ernsthaften Hintergrund historisches Dokumente und Darstellungen. Aber man hat sich nicht verlesen, Schwarz auf Weiß steht es vor einem. Gerade hat eine Anekdote dem Leser zu neuer Aufmerksamkeit verholfen.

Als Anekdote bezeichnet der Online-Brockhaus „die skizzenhaft kurze, pointierte Erzählung einer bemerkenswerten Begebenheit bzw. eines wahren oder erfundenen charakteristischen Ausspruchs einer bekannten Persönlichkeit.“

I. “Mia san mia.” Frühe Formen bayerischer Dickköpfigkeit

Im Jahre 1819 verschärften die Karlsbader Beschlüsse die Repression im Deutschen Bund. Vor allem das Königreich Bayern hatte sich einer Einigung lange widersetzt, trat schließlich aber doch bei. Allerdings war den Bayern bereits im 19. Jahrhundert ein gewisser Eigensinn anzumerken. Die Beschlüsse des Deutschen Bundes mussten zu ihrer Wirksamkeit in den Einzelstaaten noch verkündet werden und genau hier setzte der bayerische Eigensinn ein: Das Königreich publizierte die Beschlüsse nicht wie vorgeschrieben, sondern mit eigenmächtigen Einschränkungen und nahm die sich hieraus ergebenden diplomatischen Verstimmungen in Kauf. Die entsprechenden Reaktionen lassen auch an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig: Der österreichische Gesandte überreichte dem bayerischen König ein Schreiben seines Kaisers, welches „in höflichster Form einige Drohungen enthielt“, der preußische Staatsminister v. Bernstorff war „durch den unerwarteten Vorbehalt schmerzlich befremdet worden.“ Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es bei höflichen Drohungen bleiben sollte und auch der erwähnte Staatsminister sich von seiner schmerzlichen Befremdung wieder erholte. (A. C. Hofmann)

II. Wenn der Alkohol mit der Gehaltstüte kommt. Burnout-Syndrom im Staatsdienst

Einer der vier Karlsbader Beschlüsse war das Universitätsgesetz. Sein Kern bestand darin, an allen Universitäten Regierungsbevollmächtigte einzusetzen, welche Dozenten und Studierende zu überwachen hatten. Dass dieser Job nicht immer auf die größte Gegenliebe der Universitäten stieß, kann man sich gut vorstellen. Dass allerdings die Leber des Regierungsbevollmächtigten der Universität Königsberg bereits kurz nach seinem Amtsantritt derart angeschlagen sein sollte, dass er um einen mehrmonatigen Kuraufenthalt nachsuchen musste, spricht Bände. Wenn ihm das Amt bereits derart zu schaffen machte, dass die Kompensation durch Alkoholkgenuss seine Leber schädigen sollte, bleibt nur die Frage, ob es eine gute Idee war, in eben den Badeort namens Karlsbad zur Kur zu gehen, in welchem wenige Jahre zuvor sein Amt erst geschaffen worden war. (GStAPK, Rep. 76 Va, Sekt. 11, Tit. 2, Nr. 2)

Aber auch der Staat tat nicht sein Bestes, um seine Diener bei guter Gesundheit zu halten. Tritt man heutzutage nach dem Studium in den öffentlichen Dienst, so erhält man als Beamter für gewöhnlich eine Stelle der Besoldungsgruppe A 13 – das sind derzeit knapp 3.000 Euro brutto. Wenn man sich glücklich schätzen darf, findet sich auf dem Gehaltszettel noch eine ominöse allgemeine Stellenzulage oder für Münchener ein Ortszuschlag zum Ausgleich der hohen Lebenshaltungskosten. Wie aber wurden Beamte im 19. Jahrhundert entlohnt? Der Posten eines Regierungsbevollmächtigten an einer Universität zum Beispiel war ein ranghohes Amt. Dementsprechend waren 1.000 Taler für den damaligen Kurator der Universität Jena ein angemessen stattliches Gehalt. Aber scheinbar machte auch diesem Beamten seine Tätigkeit derart zu schaffen, dass der Staat ihm als Gehaltszulage jährlich sechs Eimer Wein gewähren musste. Von einer Lebererkrankung ist in diesem Fall nichts überliefert. (M. Vollert)

III. Wie die Bundesversammlung in Gartenhäuschen tagt und ihre Sitzungsprotokolle sich im Fleischfachhandel wiederfinden. Schmankerl deutscher Politikgeschichte.

Wie aber wurde Politik im Großen gemacht? Das Entscheidungsgremium des Deutschen Bundestages war die Bundesversammlung in Frankfurt am Main. Hier versammelten sich die Gesandten der bis zu 41 Einzelstaaten. Den Vorsitz hatte der österreichische Präsidialgesandte inne, welcher in einer bestimmten Reihenfolge von den Gesandten der Einzelstaaten vertreten wurde. 1826 sollte es hierbei zu einer besonders ärgerlichen Szene kommen: Der bayerische Gesandte ließ sich als amtierender Präsidialgesandter entgegen der festgesetzten Reihenfolge gleich von Baden vertreten, wobei er Hannover, Sachsen und Württemberg ignoriert hatte. Und was machte der hannoversche Gesandte, der sich bei der Vertretung im Vorsitz übergangen fühlte? Er übte das ihm zustehende Recht, den Bundestag einzuberufen trotzdem aus. Um dem bayerischen Gesandten eins auszuwischen, wählte er als Versammlungsort allerdings sein ebenso idyllisches, wie ungeeignetes Frankfurter Gartenhäuschen. (K. Fischer)

Über die Bundestagssitzungen wurden selbstverständlich Protokolle geführt. Ein besonders schönes Kuriosum findet man in einer Akte, welche mit einem Schreiben des Frankfurter Polizeiamtes beginnt, dem schließlich äußerst verschmutzte Protokollbögen folgen. Blättert man in der betreffenden Akte weiter, so offenbart sich einem der Leidensweg der Protokolle. Die Köchin eines Bundestagsgesandten verkaufte selbige als Verkaufspapier an eine Frankfurter Metzgerei. Diese Entwürdigung flog auf, als ein Legationssekretär feststellte, dass seine Wurst auf ihm unerklärliche Weise in Bundestagsprotokolle eingewickelt war. (K. Fischer)


Fischer, Karl: Die Nation und der Bundestag. Leipzig 1880, S. 23f. 

GStAPK, Rep. 76 VA, Sekt. 11, Tit. 2, Nr. 2: Die Anstellung und Besoldung des außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten und des Universitätsrichters bei der Universität zu Königsberg 1819-1833.

Hofmann, Andreas C.: „Schwere Gewitterwolken am politischen Horizont“. Eine Einordnung der Karlsbader Beschlüsse in die bayerische Außenpolitik von 1815 bis 1820, in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten Ausg. 3 (Winter 2006), http://www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/ index.php?id=55&subid=49 (24.1.2009) [dort die entsprechenden Quellenbelege].

Vollert, Max: Geschichte der Kuratel der Universität Jena. Nach den Kuratorialakten bearbeitet, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde N.F. 23 (1918), S. 1-54, hier S. 7.


Rentz, Andreas
Die Entprivatisierung des kaiserlichen Patrimoniums beim Tode des Tiberius als Indiz für die Institutionalisierung des Prinzipats

1. Einleitung

Ein beliebter Forschungsgegenstand der Althistoriker ist die verfassungsgeschichtliche Metamorphose des römischen Reiches von einer Republik zu einer Monarchie, zwei bekanntlich eher unterschiedlichen Staatsformen. Tatsächlich erstreckte sich dieser Wandel über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrhunderten, umfasste sowohl das Jahrhundert der Bürgerkriege wie auch die Zeit der Adoptivkaiser,[1] ehe man vom römischen Reich als einer Monarchie und vom Kaisertum als einem „Amt“ oder einer „Institution“ sprechen könnte. Diese langsame und allmähliche Institutionalisierung des Kaisertums aus einer „Anzahl von besonderen und gewichtigen Rechten herkömmlicher Art“[2] heraus verlief über viele einzelne Schritte, von denen die Verleihung des Augustus-Titels an Octavian nur einen (wenn auch gewichtigen) darstellte. Als einen weiteren Schritt hat die Forschung gelegentlich den Regierungswechsel von 37 n. Chr. von Tiberius auf Caligula betrachtet, als das Testament des erstgenannten Kaisers vom Senat aufgehoben und dessen gesamtes Privatvermögen auf Caligula übertragen worden ist, wie von Sueton,[3] Cassius Dio[4] und indirekt von Philo[5] überliefert worden ist. Timpe[6] stellte als erster die Behauptung auf, dass aufgrund der fortgeschrittenen Institutionalisierung des Prinzipats eine privatrechtliche Vererbung des Patrimoniums, wie von Tiberius noch gewünscht, nicht mehr möglich gewesen wäre und deshalb das Patrimonium dem jeweiligen Thronfolger übertragen worden wäre, in diesem Fall also Caligula. Dabei erhielt Timpe Zuspruch von Bellen[7] und Winterling,[8] während Castritius[9] und Alpers[10] dagegen Einspruch einlegten. Da außerdem die letzte Studie zu dieser Thematik weit zurückliegt und die Forschung bezüglich der Institutionalisierung des Kaisertums sich seitdem grundlegend gewandelt hat, soll die Übertragung des Patrimoniums von Tiberius auf Caligula dahingehend überprüft werden, ob und wenn ja, inwiefern aus ihr Rückschlüsse auf den Stand der Institutionalisierung im Jahre 37 n. Chr. gewonnen werden können. Hierbei soll zuerst aber der aktuelle Forschungsstand zum Charakter des Prinzipats und seinem Stand der Institutionalisierung beim Tod des Tiberius rezitiert werden. 

2. Die Institutionalisierung des Prinzipats anhand der Übertragung des kaiserlichen Privatvermögens bei der Thronerhebung Caligulas

2.1. Charakter und Institutionalisierung des Prinzipats: Überblick über den aktuellen Forschungsstand

Wie oben bereits erwähnt, haben sich viele Generationen von Forschern über das Naturell des Kaisertums die Köpfe zerbrochen oder gegenseitig eingeschlagen[11], ohne dass all ihre Arbeiten hier aufgezählt werden könnten. Dabei hat sich die oft verpönte[12] Interpretation aus Mommsens Werk „Das römische Staatsrecht“,[13] der das Kaisertum streng staatsrechtlich von den vom Senat übertragenen Vollmachten (v. a. das imperium proconsulare und die tribunicia potestas) her begründet, letztlich doch weitestgehend durchgesetzt, wenn auch nicht in exakt der Art, wie Mommsen es sich vorgestellt hat, da auch eher soziologische und praxisbezogene Ansichten zu einem gewissen Teil Berücksichtigung gefunden haben.[14] Heuss[15] machte dabei auf eine Stelle in Mommsens „Staatsrecht“ aufmerksam, in der die „revolutionäre“ Natur des Kaisertums beschrieben wird[16]: Mommsen geht nämlich davon aus, dass der Prinzipat als „außerordentliches Amt“[17] im Gegensatz zu den republikanischen Magistraturen keine Kontinuität besessen hätte und daher bei jedem Princepswechsel die Republik wieder in Kraft getreten wäre; der Hauptaugenmerk galt folglich vor allem den Herrscherwechseln. Dadurch, dass die Erhebung eines neuen Kaisers schließlich allein Sache von Senat und Volk gewesen wäre, wäre der Prinzipat, seinerseits selbst aus einer „Revolution“ entstanden, ständig von einer solchen bedroht gewesen, da die Bestellung eines neuen Kaisers ja nicht selbstverständlich gewesen wäre, was das Kaisertum als Autokratie, die es aufgrund seiner unbegrenzten Vollmachten gewesen wäre, „temperiert“, also gemäßigt hätte. Heuss modifiziert in seiner Interpretation diejenige Mommsens dahingehend, dass auch dem Heer bei der Bestellung eines neuen Princeps eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zugekommen wäre und weist ferner auf die Schwierigkeit einer staatsrechtlichen Begründung des Kaisertums hin, wie man sich allgemein in der Forschung zu seiner Zeit davor hütete.[18]

Die moderne Forschung[19], die Mommsens staatsrechtliche Herangehensweise wieder aufgreift, geht von einer Kontinuität der Republik in der Kaiserzeit aus; dabei sieht sie in der restauratio rei publicae durch Augustus eine „historische und rechtliche Realität“,[20] da damit nicht die Wiederherstellung der Macht des Senats gemeint gewesen sei, sondern die Wiederherstellung der „Regeln des Staatsrechts“ und der „sie zusammenhaltenden Gewohnheiten“.[21] Was die Stellung des Kaisers innerhalb des republikanischen Systems angeht, so sieht der aktuelle Forschungsstand diese durch die rechtlichen, vom Senat verliehenen Vollmachten ausreichend begründet,[22] wobei auch nicht-rechtliche Aspekte[23] des Kaisertums Berücksichtigung finden, wie beispielsweise die Klientelbeziehungen zwischen dem Kaiser auf der einen und dem römischen Heer, dem italischen Stadtadel und der stadtrömischen Bevölkerung auf der anderen Seite, deren Bedeutung bei der Bestellung eines neuen Princeps zutage getreten ist, wenn die Klientelbeziehungen vom Vorgänger auf den Nachfolger übertragen worden sind; vor allem die Bedeutung, die dem Patronat des Kaisers über das Heer beigemessen wird, veranlasst auch heute noch manch einen dazu, die Herkunft des Kaisertums als Militärdespotie zu betonen, das sich aber allmählich institutionalisiert hätte.[24]

Für die vorliegende Arbeit ist vor allem der Stand des Institutionalisierungsprozesses für die Zeit beim Tod des Tiberius von Bedeutung; zu diesem Aspekt ist auch heute noch die Studie von Schrömbges[25] aktuell, der der Regierung von Tiberius auf überzeugende Art und Weise eine hohe Bedeutung für die Institutionalisierung des Prinzipats beimisst. Dabei betont er, dass das Kaisertum beim Tode des Tiberius soweit institutionalisiert war, dass die Thronerhebungen von Caligula und auch von Claudius selbstverständlich gewesen wären. Hier wird als Argument aufgeführt, dass es für die Nachfolge Caligulas im Gegensatz zu der von Tiberius nicht mehr notwendig gewesen wäre, durch eine Propagandapolitik die persönlichen Leistungen des Thronfolgers hervorzuheben; stattdessen hätte man sich auf die Angehörigkeit zum Kaiserhaus mit seiner „göttergewollten Funktion“[26] als Legitimation beschränken können. Aufgrund der sakralen Überhöhung der domus Augusta ebenso wie die respektvolle Interaktion zwischen Kaiser, Senat und Volk wäre ein Konsens geschaffen worden, der den Prinzipat als Herrschaftsform anerkannt hätte[27], wobei Schrömbges betont, dass die Regierungszeit des Tiberius nur eine Etappe im Prozess der Institutionalisierung des Kaisertums darstellte.[28]

2.2. Das Testament des Tiberius und die Übertragung des Patrimoniums auf Caligula bei seiner Thronerhebung

2.2.1. Chronologischer Ablauf der Ereignisse und Hintergründe bei der Thronerhebung 

Dass Caligula aufgrund einer „klar umrissenen Nachfolgepolitik“ des Tiberius zu dessen Lebzeiten zum Thronfolger aufgebaut worden wäre, wie Schrömbges meint[29], der die Verleihung der toga virilis durch den kaiserlichen Großvater auf Capri, die Erhebung zum Quästor, die Ausstattung mit dem Recht, öffentliche Ämter fünf Jahre vor dem eigentlichen Alter anzutreten, sowie die Heirat mit der Tochter des Suffektkonsuln Silanus als Indizien anführt, ist nicht unwidersprochen geblieben. Ganz im Gegensatz dazu ist Winterling in seiner Caligula-Biographie[30] der Ansicht, dass durch die Toga-Verleihung auf Capri der damals noch in der Bevölkerung beliebte Caligula dem Einfluss Sejans hätte entzogen werden und für die Stabilisierung der Position des Tiberius hätte sorgen sollen[31]; ferner hätten weder die Quästur, noch die Heiratspläne etwas an den Chancen des Gemellus, des anderen, um einige Jahre jüngeren Enkels des Tiberius, auf den Thron etwas geändert.[32] Auch Timpe kann zu Lebzeiten des Tiberius keine Nachfolgepolitik erkennen und interpretiert dies als loyales Verhalten dem Senat gegenüber[33], wobei er ebenso wie Schrömbges[34] darauf hinweist, dass die Öffentlichkeit wohl Caligula im Gegensatz zu Gemellus als Nachfolger wahrgenommen hat.[35] Dabei meint Timpe, dass eine Nachfolgerdesignation nur über die Vererbung des Patrimoniums möglich gewesen wäre, das dem Testament des Tiberius zufolge zwischen beiden Enkeln geteilt werden sollte.

Wie dem auch gewesen sein mag, sowohl Winterling[36] als auch Timpe[37] sehen im Gegensatz zu Schrömbges[38] im Prätorianerpräfekten Macro denjenigen, der nach dem Tod des Tiberius für die reibungslose Thronerhebung Caligulas verantwortlich gewesen wäre, was auch meines Erachtens die überzeugendere Variante ist. Hierbei veranlasste Macro seine Prätorianergarde, Caligula zum Imperator zu akklamieren, während er einerseits die Provinzheere davon in Kenntnis setzte, um ihre Unterstützung sicherzustellen und andererseits in Verhandlungen mit den führenden Senatoren und Konsuln eintrat, die in der Anerkennung Caligulas durch den Senat und in der Verleihung des imperium proconsulare, der tribunicia potestas und aller anderen Gewalten gipfelte.[39] Schlussendlich wurde auf derselben Senatssitzung bei Anwesenheit Caligulas das Testament seines verstorbenen Großvaters verlesen und als Zeugnis eines Geisteskranken[40] für ungültig erklärt, wobei das gesamte Privatvermögen auf Caligula übertragen wurde; sein Vetter Gemellus wurde stattdessen vom neuen Princeps adoptiert, womit seine eigene Nachfolge im Kaiseramt wie auch im Patrimonium in Aussicht gestellt wurde. Damit war die Thronerhebung Caligulas abgeschlossen und sein Prinzipat von allen, Senatoren wie Prätorianern, anerkannt. 

2.2.2. Überblick über die Forschungsdiskussion 

Die Übertragung des Patrimoniums und die damit verbundene Entprivatisierung des ursprünglich privaten Vermögens[41] des Augustus (und des Privatvermögens all derjenigen noch zu folgenden Kaiser, die nicht dem julisch-claudischen Kaiserhaus angehörten[42]), manchmal in der Literatur auch mit dem umstrittenen Begriff der „Verstaatlichung“[43] umschrieben, wurde bereits häufig in der Forschung thematisiert, da keine explizite Erklärung dieses Phänomens in den Quellen zu finden ist. Hierbei sind in der älteren Forschung vor allem die Princepswechsel der Jahre 41 und 68/69 n. Chr. untersucht worden,[44] ohne dass man zu ernsthaft überzeugenden Ergebnissen gekommen wäre.

Als Erster hat schließlich Timpe im Regierungswechsel von Tiberius zu Caligula die entscheidende Zäsur gesehen.[45] Dabei geht er von einem privatrechtlichen Charakter des Testaments des Tiberius aus, der, wie oben erwähnt, Caligula und Gemellus zu gleichen Teilen als Erben und den einen als Nacherben des jeweils anderen eingesetzt hatte; über die Gründe, die Tiberius zu einer Teilung bewogen hatten (Furcht des Tiberius davor, dass Gemellus umgangen werden könnte? Rückkehr zu republikanischen Traditionen?), kann auch Timpe nur spekulieren.[46] Jedenfalls, so Timpe, hätte Tiberius dem Senat eine gewisse Entscheidungsfreiheit bei der Nachfolgererhebung überlassen wollen. Caligula aber, der die Teilung des Vermögens ebenso wie der Senat als Problem empfunden haben könnte[47], hätte das Testament als Nachfolgerdesignation interpretiert und dieses deshalb vom Senat für ungültig erklären lassen; aufgrund eines „irregulären Gewaltaktes“[48] hätte er sich daraufhin des gesamten Privatvermögens bemächtigt, das aber bei der Ungültigkeit des Testaments durch die Intestaterbfolge ebenfalls an Caligula und Gemellus gefallen wäre. Allein durch die Politisierung des Testaments durch Caligula wäre das Vermögen des Tiberius, über das er noch privatrechtlich verfügt hätte, „verstaatlicht“ worden, worin Timpe einen weiteren Schritt in die Institutionalisierung des Prinzipats sah.[49] Bellen widerspricht dem „irregulären Gewaltakt“ und sucht nach einer rechtlichen Erklärung dafür, weshalb die Intestaterbfolge nicht eingetreten ist, die er bei Sueton findet:[50] Dieser behauptet, dass Caligula kraft ius arbitriumque omnium rerum[51] das Vermögen des Tiberius erhalten hätte, was Bellen als „Kurzform“ der in der Forschung viel diskutierten[52] diskretionären Klausel der lex de imperio Vespasiani[53] interpretiert, einem Gesetz, das Vespasian bei seinem Regierungsantritt 69 n. Chr. auf einem Schlag alle Vollmachten erteilt hatte, die seine Vorgänger innegehabt hatten, und von dem Bellen ausgeht, dass es in der Form auch schon vor Vespasian bestanden hätte und dass die diskretionäre Klausel erstmals 37 n. Chr. mobilisiert worden wäre, um Caligula, nachdem er bereits alle Vollmachten erhalten hatte, zu allem Überfluss auch noch das Privatvermögen des Tiberius übertragen zu können.

Ganz im Gegensatz zu Timpe und Bellen sind zuvor die meisten Forscher der Ansicht gewesen, dass das kaiserliche Patrimonium über das erste Jahrhundert hinweg einen rein privaten Charakter als Privatvermögen des jeweiligen Kaisers besessen hätte, das auch ohne Weiteres privatrechtlich vererbt werden konnte, so beispielsweise Kränzlein[54] oder Herzog;[55] während letzterer allgemein bei allen nicht-erbberechtigten Kaisern von einer Konfiskation des Vermögens des Vorgängers ausgeht, spricht jener lediglich davon, dass es Caligula verstanden hätte, „das Auseinanderfallen des auf Augustus zurückgehenden kaiserlichen patrimoniums zu verhindern“[56]. Aber auch nach den Arbeiten Timpes und Bellens fanden sich einige Historiker, die vom privaten Charakter des Patrimoniums überzeugt waren, so Castritius[57] und Alpers.[58] Da die Übertragung auf Caligula unter Umgehung des Gemellus aber nicht abzuleugnen war, ganz gleich ob privat oder nicht, mussten sie eine andere Begründung dafür finden, wie es dazu hatte kommen können. Der „irreguläre Gewaltakt“ ebenso wie die diskretionäre Klausel der lex de imperio Vespasiani wurden als Erklärungen abgelehnt, ersterer unter Hinweis auf das Einverständnis des Senats, ohne dessen Zustimmung Caligula nicht willkürlich hätte handeln können, letzterer aus dem Grund, da es sich zum einen hierbei um eine sehr extreme Auslegung der Klausel gehandelt hätte, die so von ihren Schöpfern wohl nicht beabsichtigt gewesen wäre, und da zum anderen die diskretionäre Klausel womöglich erst zur Zeit Vespasians geschaffen worden war, um die auctoritas seiner Vorgänger rechtlich einzufangen. Während Castritius der Ansicht ist, dass die Adoption des Gemellus durch Caligula ihn aus der Intestaterbfolge ausgeschlossen hätte, da er nun ja nicht mehr gleichberechtigt mit Caligula als Enkel des Tiberius, sondern als dessen Urenkel gegolten hätte, vermutet Alpers, dass ein schlichter senatus consultum das Privatvermögen des Tiberius auf Caligula übertragen hätte.

Winterling[59] schließt sich demgegenüber wieder Timpe an, lehnt aber das Erklärungsmodell Bellens, ebenso wie das von Alpers, dem er eine ungenaue Formulierung des „Privaten“ vorwirft, ab; unter Hinweis auf die revolutionäre Struktur des Kaisertums, die Mommsen und auf dessen Grundlage Heuss ausgearbeitet haben,[60] greift er wieder darauf zurück, was Timpe einen „irregulären Gewaltakt“ genannt hat; dadurch aber, dass der Senat den Prinzeps als solchen anerkennt hätte, wäre ein solcher usurpatorischer Vorgang nachträglich verrechtlicht worden. Eine rechtliche Begründung der Patrimoniumsübertragung gab es aus der Sicht Winterlings somit nicht. Dabei ist es in der Forschung geblieben, einig sind sich die Historiker darin, dass sie sich nicht einig sind und was die Übertragung des Vermögens als Schritt zur Institutionalisierung des Prinzipats angeht, so stehen sich zwei Lager in der Forschung gegenüber: Während Castritius und Alpers von einem streng privatrechtlichen Charakter des Patrimoniums ausgehen und damit jedwede Form einer Institutionalisierung verneinen, sehen Timpe, Bellen und Winterling in der Vermögensübertragung von Tiberius auf Caligula durchaus ein Element fortgeschrittener Institutionalisierung des Kaisertums.

2.2.3. Quellenorientierte Untersuchung der Patrimoniumsübertragung und seine Aussage zum Institutionalisierungsprozess

Im Folgenden sollen einmal mehr die vorhandenen Quellen zum Thronwechsel des Jahres 37 n. Chr. betrachtet werden, um vielleicht eine Lösung für die Pattsituation in der Forschung zu finden. Wie in der Einleitung bereits angesprochen, werden das Testament des Tiberius und die Vermögensübertragung auf Caligula bei Sueton und Cassius Dio erwähnt. Vor allem ersterem verdankt man das Wissen darüber, dass Tiberius seine beiden Enkel als gleichberechtigte Erben unter gegenseitiger Nachfolge eingesetzt hat[61] und dass das Testament vom Senat für ungültig erklärt worden ist.[62] Cassius Dio schildert die Geschehnisse genauso und fügt dem die Geschichte von der geistigen Erkrankung des Tiberius hinzu, die von den damals Beteiligten als Begründung für die Nichtigkeit des Testaments angeführt worden ist.[63] Interessanterweise erwähnen aber beide das Testament in direktem Zusammenhang mit der Herrschaftsübertragung,[64] als wären beide Aspekte wie selbstverständlich miteinander verknüpft: Dabei soll Caligula die Herrschaft mit sämtlichen Vollmachten gerade aus dem Grund erhalten haben, dass das Testament des Tiberius, in dem dieser beide Enkel zu Erben nicht nur seines Privatvermögens, sondern auch des Reiches gemacht hätte, für ungültig erklärt und Caligula zum alleinigen Erben erhoben worden wäre. Aus beiden Quellen, Sueton wie Cassius Dio, geht eindeutig hervor, dass im Testament des Tiberius nicht oder nicht nur eine privatrechtliche Vererbung eines privaten Vermögens gesehen worden ist, sondern auch die Vererbung der Herrschaft im Reich an sich. Natürlich könnte man nun einwenden, dass beide Autoren zu späterer Zeit gelebt haben[65], als die Institutionalisierung des Patrimoniums wie auch des Prinzipats längst Realität gewesen wäre, was einfach auf die Zeit Caligulas rückprojiziert worden wäre. Doch werden die Schilderungen Suetons und Cassius Dios durch Philo, eines Zeitgenossen Caligulas, dem er auch persönlich begegnet ist, unterstützt.[66] Zwar erwähnt er nicht explizit das Testament, doch kann die Bezeichnung des Gemellus als „Miterben des Imperiums“ nur als Hinweis darauf gemeint gewesen sein; die testamentarische Vererbung des Patrimoniums sowie die Herrschaftsübertragung gehen auch hier Hand in Hand. Alle weiteren Autoren, die sich zum Herrscherwechsel von Tiberius auf Caligula geäußert haben, Tacitus[67] und Flavius Josephus[68], schweigen sich dagegen zum Testament aus.

Ob das Testament nun bewusst von Caligula „politisiert“ worden ist, wie Timpe meint,[69] während Tiberius selber im Glauben gestorben war, eine rein privatrechtliche Vererbung niedergeschrieben zu haben oder ob bereits Tiberius damit eine Nachfolgeregelung entworfen hatte, sei es im vollen Bewusstsein oder aufgrund einer gestörten Psyche, ist hierbei unerheblich.[70] Tatsache ist, dass sowohl Caligula als auch die politische Öffentlichkeit Roms das Testament des Tiberius als Nachfolgeregelung verstanden und die Übertragung des kaiserlichen Vermögens auf Caligula durch dessen Einsetzung als Princeps bedingt war. Die Einwände von Castritius und Alpers gehen an diesem Faktum vorbei und ihre Modelle zur rechtlichen Erklärung der Patrimoniumsübertragung, um die in der Forschung gestritten worden ist, widersprechen dem noch nicht einmal; ganz im Gegenteil ist es wohl am Plausibelsten anzunehmen, dass das Patrimonium durch ein senatus consultum oder eher noch durch Intestaterbfolge, nachdem Gemellus, nun ein Adoptivsohn Caligulas, als Enkel des Tiberius „weggefallen“ war, auf diesen übergegangen ist. Was aber genau beide, Castritius und Alpers, dazu veranlasst, davon auf einen rein privaten Charakter des Patrimoniums zu schließen, ist nicht ganz verständlich. Weder wird in den Quellen von einem Privatvermögen gesprochen (der Zusammenhang des kaiserlichen Patrimoniums mit der Herrschaft ist, wie in diesem Kapitel gezeigt, in den Köpfen der Römer präsent gewesen), noch liefern sie irgendwelche Indizien, von denen man darauf schließen könnte.

Die Einwände von Castritius und Alpers beziehen sich aber nicht auf den Charakter des Patrimoniums als eines „kaiserlichen“ Vermögens, das nicht privatrechtlich vererbt werden konnte, als sie sich vielmehr auf dessen rechtliche Übertragung, die weder von Timpe, noch von Bellen überzeugend erklärt worden war, beschränken. Während letztere die Patrimoniumsübertragung geradezu als eine Revolte beschreiben, wenn sie die lex de imperio Vespasiani als Erklärung hinzuziehen oder gar von einem „irregulären Gewaltakt“ sprechen, so handelt es sich bei einem senatus consultum oder bei einer Intestaterbfolge um rein konventionelle Methoden, um ein testamentarisch nicht abgedecktes Vermögen auf andere zu übertragen. Auf diese Art und Weise hätte man durchaus auch privatrechtlich ein Patrimonium übertragen können, was aber noch lange nicht heißt, dass das kaiserliche Vermögen selbst rein privatrechtlich auf Caligula übertragen worden wäre; wie oben bereits erwähnt, sehen mit Sueton, Cassius Dio und Philo ganze drei antike Autoren zwischen der Vererbung bzw. Übertragung des kaiserlichen Vermögens und der Berufung zum Herrscher einen direkten und untrennbaren Zusammenhang, der nicht verleugnet werden kann. Und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass alle anderen Zeitgenossen dies anders gesehen hätten.

3. Zusammenfassung

Wie aus der Interpretation und dem Vergleich der Schilderungen Suetons, Cassius Dios und Philos zum Herrschaftswechsel von Tiberius auf Caligula hervorgeht, ist das einst private Vermögen des Augustus zu dieser Zeit nicht mehr als privatrechtlich erachtet worden, sondern als „kaiserlich“. Hierbei ist das Kaisertum als eine Art „Amt“ zu verstehen, das aus einer Häufung verschiedener einzelner Befugnisse und Kompetenzen, wie sie die Grundlage der Macht des Augustus dargestellt haben, entstanden ist und innerhalb der Verfassung des römischen Staates immer mehr Formen und Konturen angenommen hat. Und eben diesem unterstand eine spezielle Kasse, das kaiserliche Patrimonium, das nicht mehr privatrechtlich vererbt werden konnte, sondern demjenigen vorbehalten war, der zum Kaiser erhoben worden war, in diesem Fall Caligula. Auch wenn nicht von einem entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Institutionalisierung gesprochen werden kann, da es sich nicht um eine rechtliche Außergewöhnlichkeit handelt, so ist hierbei doch ein entscheidendes Indiz für den fortgeschrittenen Prozess der Institutionalisierung zu erkennen, der nicht zu unterschätzen ist. Und im weiteren Verlauf der Geschichte des römischen Reiches verdichtete sich der Prinzipat immer weiter zu einer exakt zu definierenden und eingrenzbaren Institution. Ebenso wurde das kaiserliche Patrimonium konsequent von Kaiser auf Kaiser weitergegeben, auch bei dynastischen Kontinuitätsbrüchen wie 41 oder 68/69 n. Chr., bis sich Antoninus Pius in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts sogar dazu genötigt sah, neben dem Patrimonium eine „res privata“ mit rein privatrechtlichem Charakter zu begründen.

 


[1] Francois Jacques, John Scheid, Rom und das Reich in der hohen Kaiserzeit I. Die Struktur des Reiches. Übersetzt von Peter Riedlberger. Stuttgart/Leipzig 1998, 28-30; Jochen Bleicken, Verfassungs- und Sozialgeschichte des römischen Kaiserreiches 1. Paderborn 1981, 42.

[2] Bleicken, Sozialgeschichte, 24.

[3] Suet. Tib. 16, Cal. 14.

[4] Cassius Dio, 59, 1.

[5] Philo, leg. ad G. 23.

[6] Dieter Timpe, Untersuchungen zur Kontinuität des frühen Prinzipats. Wiesbaden 1962, 70-75.

[7] Heinz Bellen, Die „Verstaatlichung“ des Privatvermögens der römischen Kaiser im 1. Jahrhundert n. Chr., in: ANRW 2, 1 1974, 92-112.

[8] Aloys Winterling, Aula Caesaris. Studien zur Institutionalisierung des römischen Kaiserhofes in der Zeit von Augustus bis Commodus (31 v. Chr. – 192 n. Chr.). München 1999, 108-109.

[9] Helmut Castritius, Der römische Prinzipat als Republik. Husum 1982, 91-93.

[10] Michael Alpers, Das nachrepublikanische Finanzsystem. Fiscus und Fisci in der frühen Kaiserzeit. Berlin 1995, 193-194.

[11] Einen kleinen Überblick über Forschungsliteratur zu dieser Thematik bieten Jacques/Scheid, Rom und das Reich, 5-25, wobei sie selbst die Zahl der Arbeiten als „immens“ und deren Aufzählung als „ebenso unmöglich wie überflüssig“ (S. 5) bezeichnen.

[12] Alfred Heuss, Theodor Mommsen und die revolutionäre Struktur des römischen Kaisertums, in: derselbe, Gesammelte Schriften. Stuttgart 1995, 1730; die Studie von Heuss, die als eine der ersten Mommsens Interpretation rehabilitiert, entspricht noch ganz seinem Zeitgeist, als die Forschung sich kaum noch mit staatsrechtlichen Fragen auseinanderzusetzen wagte, vgl. auch Jacques/Scheid, Rom und das Reich, 6-7.

[13] Theodor Mommsen, Römisches Staatsrecht II 2. Leipzig 1887 (Nachdruck Darmstadt 1952 und Basel 1963).

[14] Jacques/Scheid, Rom und das Reich, 7.

[15] Die Ergebnisse der Studie von Heuss, Revolutionäre Struktur, werden von Winterling, Aula Caesaris, 108 in einem engen Zusammenhang mit der Entprivatisierung des Patrimoniums gesehen, vgl. dazu weiter unten Kapitel 2.2.2.

[16] Mommsen, Staatsrecht II 2, 1133: „Der römische Prinzipat ist nicht bloß praktisch, sondern auch theoretisch eine durch die rechtlich permanente Revolution temperierte Autokratie.“ Was Jacques/Scheid, Rom und das Reich, 6 dazu veranlasst, dies als Beschreibung der „tatsächlichen Machtverhältnisse“ aufzufassen, bleibt unklar; bei der Ersetzung von „Autokratie“ durch „Aristokratie“ handelt es sich jedenfalls um einen Übersetzungsfehler, da in der französischen Originalausgabe Francois Jacques, John Scheid, Rome et l’intégration de l’empire I. Les Structures de l’Empire romain. Paris 1990, 6 eindeutig von „autocratie“ die Rede ist.

[17] Mommsen, Staatsrecht II 2, 1143.

[18] Heuss, Revolutionäre Struktur, 86-89.

[19] Jacques/Scheid, Rom und das Reich, 7-9, fassen die Ansicht der modernen Forschung zusammen.

[20] Jacques/Scheid, Rom und das Reich, 7.

[21] Jacques/Scheid, Rom und das Reich, 8.

[22] Bleicken, Sozialgeschichte, 21-45.

[23] Jacques/Scheid, Rom und das Reich, 30-33; Bleicken, Sozialgeschichte, 118-120.

[24] Bleicken, Sozialgeschichte, 79-82.

[25] Paul Schrömbges, Tiberius und die Res Publica Romana. Untersuchungen zur Institutionalisierung des frühen römischen Principats. Bonn 1986. Eine Zusammenfassung seiner Ergebnisse findet sich auf den Seiten 266-272.

[26] Schrömbges, Tiberius, 270.

[27] Schrömbges, Tiberius, 272.

[28] Schrömbges, Tiberius, 266.

[29] Schrömbges, Tiberius, 177-180.

[30] Aloys Winterling, Caligula. Ulm 2004, 39-60.

[31] Winterling, Caligula, 39-40.

[32] Winterling, Caligula, 45.

[33] Timpe, Kontinuität, 57.

[34] Schrömbges, Tiberius, 177.

[35] Timpe, Kontinuität, 58.

[36] Winterling, Caligula, 50.

[37] Timpe, Kontinuität, 63-64.

[38] Schrömbges, Tiberius, 179.

[39] Timpe, Kontinuität, 68-69 bzw. 75, weist darauf hin, dass Caligula im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern vom Senat die Kompetenzen ohne vorhergehende Rückgabe seiner Gewalt, die er durch die Akklamation durch die Prätorianer innehatte, erhalten hatte, sowie dass Caligula diese auf einen Schlag erhalten hatte, statt sie nach und nach anzuhäufen, was er als weiteres Indiz zur Institutionalisierung des Prinzipats deutet.

[40] Bellen, Verstaatlichung, 95-96; „wahnsinnig“ soll Tiberius in dem Zusammenhang deshalb gewesen sein, da er dem noch minderjährigen Gemellus die Hälfte seines großen Vermögens hätte überlassen wollen.

[41] Bellen, Verstaatlichung, 92, weist darauf hin, dass Plinius der Jüngere die Patrimoniumsübertragung von Nerva auf Trajan im Jahre 98 n. Chr. als „selbstverständlich“ empfunden hätte.

[42] Bellen, Verstaatlichung, 111.

[43] So bei Timpe, Kontinuität, 74 und natürlich Bellen, Verstaatlichung.

[44] Jean Bérange, Fortune privée impériale et État, in: Mélanges offerts à M. Georges Bonnard II. Genua 1966, 159; Otto Hirschfeld, Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian. Berlin 1963, 19-20; Herbert Nesselhauf, Patrimonium und res privata des römischen Kaisers, in: Historia-Augusta-Colloquium. Bonn 1963, 79-80; Heinrich Siber, Zur Entwicklung der römischen Prinzipatsverfassung, in: Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Philologisch-Historische Klasse 42, 3. Leipzig 1933, 43; eine kurze Zusammenfassung ihrer Studien bietet Bellen, Verstaatlichung, 92-93.

[45] So Bellen, Verstaatlichung, 93; die betreffende Stelle findet sich bei Timpe, Kontinuität, 70-75.

[46] Timpe, Kontinuität, 72.

[47] Timpe, Kontinuität, 71; Bellen, Verstaatlichung, 94-95.

[48] Timpe, Kontinuität, 73.

[49] Timpe, Kontinuität, 74.

[50] Bellen, Verstaatlichung, 99.

[51] Suet. Cal. 14, 1.

[52] Eine Auflistung der Forschungsliteratur zur lex de imperio Vespasiani findet sich bei Frederic Hurlet, La lex de imperio Vespasiani et la légilaté augustéenne, in: Latomus 52 (1993), 261-280.

[53] CIL VI 930, 17-21 = ILS I 244 = FIRA I 15 = McCrum-Woodhead 1 = Freis 49; der Wortlaut der diskretionären Klausel lautet folgendermaßen: utique quaecunque ex usu rei publicae maiestate divinarum humanarum publicarum privatarumque rerum esse censebit, ei agere facere ius potestas sit, ita uti divo Augusto Tiberioque Iulio Caesari Augusto Tiberioque Claudio Caesari Augusto Germanico fuit (zu deutsch etwa: „daß er das Recht und die Vollmacht haben solle, alle Maßnahmen, die nach seiner Ansicht im Interesse des Staates liegen und der Erhabenheit der göttlichen, menschlichen, staatlichen und privaten Dinge angemessen sind, einzuleiten und zu treffen, so wie es der vergöttlichte Augustus, Tiberius Iulius Caesar Augustus und Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus hatten“, Übersetzung nach Freis 49).

[54] Arnold Kränzlein, patrimonium, in: RE Suppl. X (1965), 496.

[55] Ernst von Herzog, Geschichte und System der römischen Staatsverfassung. Die Kaiserzeit von der Diktatur Cäsars bis zum Regierungsantritt Diokletians 2. Leipzig 1887 (Nachdruck Aalen 1965), 674-678.

[56] Kränzlein, patrimonium, Zeile 33-34; dabei weist er auf die Arbeiten Sibers, Prinzipatsverfassung, 37-42, sowie Römisches Verfassungsrecht in geschichtlicher Entwicklung. Schauenburg 1952, 322-326, hin, die wohl bis zur Studie Timpes unangefochtene Gültigkeit besessen haben.

[57] Castritius, Prinzipat, 91-93.

[58] Alpers, Finanzsystem, 193f.

[59] Winterling, Aula Caesaris, 108-109.

[60] Siehe weiter oben Kapitel 2.2.1.

[61] Suet. Tib. 76.

[62] Suet. Cal. 14.

[63] Cass. Dio 59, 1.

[64] Suet. Cal. 14: ingressoque urbem, statim consensu senatus et irrumpentis in curiam turbae, inrita Tiberi voluntate, qui testamento alterum nepotem suum praetextatum adhuc coheredem ei dederat, ius arbitriumque omnium rerum illi permissum est… (zu deutsch etwa: „Nach seinem [Caligulas] Einzug in Rom wurde einstimmig vom Senat und der gewaltsam in den Sitzungssaal eindringenden Menge der letzte Wille des Tiberius, der seinen zweiten, noch im Knabenalter stehenden Enkel [= Gemellus] testamentarisch dem Caligula zum Miterben gegeben hatte, umgestoßen und ihm die unbeschränkte Regierungsgewalt übertragen.“ Übersetzung nach Sueton, Caesarenleben. Übersetzt von Max Heinemann. Stuttgart 1986.); Cass. Dio 59, 1: „Tiberius hatte zwar die Herrschaft auch seinem Enkel Tiberius [Gemellus] hinterlassen, doch Gaius schickte sein Testament durch Macro in den Senat und ließ es durch die Konsuln und die anderen, mit denen er zuvor die Sachen abgesprochen hatte, für null und nichtig erklären.“ Übersetzung nach Cassius Dio, Römische Geschichte IV (Bücher 51 bis 60). Übersetzt von Otto Veh. Zürich/München 1986.

[65] Sueton schrieb zu Beginn des zweiten Jahrhunderts, Cassius Dio noch einmal knapp einhundert Jahre später.

[66] Philo, leg. ad. Cal. 23: „Denn er [Caligula] ließ seinen Vetter [Gemellus] ermorden, der als Miterbe des Imperiums hinterlassen, mit größerer Berechtigung als er selbst Thronfolger war (…).“ Übersetzung nach Philo von Alexandria, Gesandtschaft an Caligula. Übersetzt von Friedrich Wilhelm Kohnke, in: derselbe, Die Werke in deutscher Übersetzung VII. Herausgegeben von Leopold Lohn, Isaak Heinemann, Maximilian Adler und Willy Theiler. Berlin 1964, 166-267.

[67] Tac. ann. 6, 45-46. Die Caligula-Biographie des Tacitus, die vielleicht weitere Aufschlüsse geboten hätte, ist leider verloren.

[68] Flav. Ios. Ant. Iud. 6, 8-9.

[69] Timpe, Kontinuität, 74.

[70] Ebenso wie die Forschung sich uneinig ist (siehe weiter oben Kapitel 2.2.1), widersprechen sich in diesem Punkt die Quellen: Während Cass. Dio 58, 23 meint, dass Tiberius in realistischer Sichtweise in Caligula den zukünftigen Alleinherrscher gesehen hätte, geht Flav. Ios. Ant. Iud. 6, 9 wohl fälschlich davon aus, dass Tiberius Caligula zu seinem alleinigen Nachfolger erhoben hätte; Tac. ann. 6, 46 spricht dagegen von einer „incertus animi fesso corpore consilium“ des Tiberius, der die Nachfolgewahl dem „fatum“ überlassen hätte, was der Realität wohl am nächsten gekommen sein dürfte.


Rentz, Andreas
D H II. 34 und die Frage nach erbrechtlichem Denken bei der Königserhebung Heinrichs II.

1. Einleitung

Eine der wohl umstrittensten Themenbereiche der Mittelalterforschung im zwanzigsten Jahrhundert dürfte wohl die Königswahlforschung gewesen sein. Den entscheidenden Anstoß brachte Heinrich Mitteis[1], der die Frage, ob bei den Königserhebungen im zehnten und elften Jahrhundert erb- oder wahlrechtliches Denken ausschlaggebend gewesen war, damit beantwortete, dass beides gleichermaßen vorhanden gewesen war und sich gegenseitig ergänzt hatte. Seit seinen Forschungen ist es ein Anliegen der Mediävistik nachzuweisen, welche dieser beiden Mentalitäten innerhalb ihrer Verschränkung das stärkere Gewicht besessen hat, ohne dass man eine vollständig überzeugende Antwort hätte finden können.[2] Das Problem besteht nämlich darin, dass für so ziemlich jede Thronerhebung dieser Zeit in den entsprechenden Quellen eine „Wahl“ durch die Großen bezeugt ist, wobei sich aber dennoch mit den Ottonen und den Saliern zwei Dynastien ausgebildet haben, die allesamt mehr oder weniger nah miteinander verwandt gewesen sind (so auch die Salier mit den Ottonen über deren weibliche Nachkommenschaft).

Da die ersten vier Ottonenkönige von ihrem jeweiligen Vorgänger zum Nachfolger designiert oder gar zu Lebzeiten zum Mitkönig erhoben worden sind[3], darf man zumindest davon ausgehen, dass die Sohnesnachfolge die gängige Rechtsgewohnheit darstellte, was so auch in der Forschung weitgehend anerkannt ist. Problematisch wird es aber bei der Königserhebung Heinrichs II. im Jahre 1002, der auf den kinderlosen Otto III. folgte. Erstmals seit Beginn des zehnten Jahrhunderts stand kein designierter Nachfolger zur Verfügung und es hatte sich aufgrund rein rituell-symbolischer Designationswahlen in den Jahrzehnten zuvor auch keine Rechtsgewohnheit für den Fall eines kinderlosen Todes ausgebildet.[4] Die Forschung betrachtete die Vorkommnisse um die Thronerhebung Heinrichs II. als entscheidenden „Prüfstein“[5] für die Frage nach erb- oder wahlrechtlicher Dominanz, wobei sich vor allem Eduard Hlawitschka in verschiedenen Studien für die Erbrechtsthese einsetzt.[6] Als tragendes Argument für diese These hat er mehrfach eine bestimmte Königsurkunde Heinrichs II. aufgeführt,[7] in der von einer hereditaria […] successio Heinrichs II. die Rede ist und die parentele et consanguinitatis affinitas betont wird.[8] Im Folgenden soll diese Urkunde nochmals genauer analysiert und ihre Bedeutung für das Rechtsdenken im elften Jahrhundert untersucht werden, um abschließend zu klären, ob sie als Argument für erbrechtliches Denken im zehnten und elften Jahrhundert weiterhin tragbar ist oder nicht.

2. Die Königserhebung Heinrichs II. im Jahre 1002: Erbrechtliches oder wahlrechtliches Denken?

2. 1. Chronologischer Ablauf und Hintergründe[9]

Zunächst aber sollen der Ablauf der Ereignisse und die politische Situation im Reich nach dem Tod Ottos III. am 24. Januar 1002 in Rom genauer beleuchtet werden. Die wichtigsten erzählenden Quellen für diese Zeit sind Thietmar von Merseburg[10] und Adalbold von Utrecht.[11] Wie bereits erwähnt, war es im zehnten Jahrhundert Gang und Gebe, den Sohn als Nachfolger zu designieren und ihn von den Großen wählen zu lassen; die Thronfolge war damit ohne weiteres gesichert. Otto III. starb allerdings bekanntlich ohne Kinder oder irgendeinen anderen designierten Erben hinterlassen zu haben, so dass aus diesem Grund gleich mehrere Personen Ansprüche auf den Königsthron erhoben, wobei vor allem folgende Kandidaten von Bedeutung waren: Neben Herzog Heinrich IV. von Bayern, der ja letztlich auch König wurde, auch Herzog Hermann II. von Schwaben und Markgrad Ekkehard von Meißen.[12] Nachdem letzterer aber ermordet worden war[13] und damit als Königskandidat aus nachvollziehbaren Gründen ausfiel, blieben nur noch zwei übrig, von denen sich Heinrich mit Erzbischof Willigis von Mainz verbündete, dessen Entscheidung seiner Ansicht nach die Zustimmung der Großen bedingte, während Hermann sich auf die Unterstützung der meisten Großen verlassen konnte, die eine freie Königswahl forderten.[14] Diese Pattsituation umging Heinrich geschickterweise damit, indem er nach Mainz vorstieß und sich dort von Willigis zum König krönen ließ, ohne dass es zuvor noch großartige Verhandlungen gegeben hätte. Auch wenn Heribert gegen diese Handlung protestierte und das Krönungs- und Salbungsrecht für sich beanspruchte, war die Königserhebung nicht mehr rückgängig zu machen. Eine freie Wahl der Großen hatte es somit nicht gegeben.

Hermann aber ließ sich von dieser Art der Lösung nicht besonders überzeugen, so dass die ganze Geschichte noch kein Ende fand. Während er nun in den offenen Widerstand gegen Heinrich trat und dabei auch Straßburg überfallen und plündern ließ, versuchte Heinrich auf einem Umritt das ganze Reich für sich zu gewinnen; immerhin hatte er ja nur die Anerkennung der bayerischen und fränkischen Großen. So trieb es ihn neben Merseburg, wo ihm sächsische Große huldigten, auch nach Aachen, wo Heinrich den Thron Karls des Großen bestieg, ehe sich Hermann am 1. Oktober in Bruchsal doch noch unterwarf und als Wiedergutmachung für den Schaden, den er in Straßburg angerichtet hatte, dem dortigen Bischof Werner das Kloster St. Stephan überlassen musste, was in der bereits erwähnten Urkunde D H II. 34 wenige Monate darauf auch als schriftliches Zeugnis der Nachwelt hinterlassen wurde. Erst jetzt versöhnte sich Heinrich mit Hermann, der von seinem neuen König auch als Lehnsmann und Freund aufgenommen wurde, womit der Streit um die Thronfolge geklärt und Heinrich als König im Reich allgemein anerkannt war.

2. 2. Überblick über die Forschungsdiskussion

Nicht geklärt aber ist dagegen in der Geschichtsforschung die Frage nach der Dominanz von Wahl- oder Erbrecht, die fast genauso alt ist wie die Forschung selbst. Armin Wolf bezeichnete die Königserhebung von 1002 wie bereits erwähnt als „Prüfstein“ für diese Frage; da außerdem die Quellenlage im Vergleich zum verhältnismäßig „dunklen“ zehnten Jahrhundert relativ reichhaltig und auch detailliert ist,[15] hat es auch entsprechend viele Forschungsarbeiten zu diesem Thema gegeben, die aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen würden. Im Folgenden sollen deshalb nur die wichtigsten Arbeiten behandelt und zusammengefasst werden.[16]

Da die ältere Forschung nur dazu fähig war, sich für eines der beiden Prinzipien zu entscheiden, gab es lange Zeit nur Arbeiten, die entweder ausschließlich wahlrechtliches oder ausschließlich erbrechtliches Denken begründen sollten. Für ersteres sprach sich vor allem Walter Schlesinger aus,[17] der neben den Kandidaturen Ekkehards und Hermanns als Nicht-Ottonen, deren Verwandtschaft zu Otto III. nirgendwo in den Quellen positiv belegt ist, vor allem die von ihm so bezeichnete „Nachwahl“ von Merseburg als Argument aufführte und diese als reinen Wahlakt interpretierte, auf dem die Sachsen ihr Recht auf die Königserhebung durchgesetzt haben sollen. Beumann widersprach dem jedoch und meinte stattdessen, dass Heinrich als fertiger König nach Merseburg gekommen wäre und nur die offizielle Anerkennung der Sachsen, die beim Erhebungsakt in Mainz ja abwesend gewesen waren, eingeholt hätte; im Gegenzug bestätigte Heinrich die besondere Rolle und das spezielle Recht der Sachsen im Zusammenhang mit der Königserhebung, nachdem es sich immerhin bei den unmittelbaren Vorgängern Heinrichs allesamt um Sachsen gehandelt hatte.[18] Diese Interpretation der Nachwahl wird noch heute in der Forschung weitgehend anerkannt, so dass nach Schlesinger kaum noch einer die These von der ausschließlichen Dominanz des Wahlprinzips stützte.

Den Gegenpart bildet vor allem Eduard Hlawitschka, der von einem nahezu uneingeschränkten erbrechtlichen Denken ausgeht und die These entwickelt hat, dass auch die Gegenkandidaten Heinrichs Verwandte Ottos III. und nur deshalb zur Königskandidatur berechtigt gewesen wären. Nachdem er die Abkunft Ekkehards von einem Bruder Heinrichs I., dem gemeinsamen Urgroßvater Ottos III. und Heinrichs II., nachgewiesen hatte[19], machte sich Armin Wolf daran, auch die Verwandtschaft Hermanns zu den Ottonen zu erschließen.[20] Er stellte schließlich die Theorie auf, dass Hermann Sohn einer Enkelin Ottos des Großen namens Richlind gewesen wäre, die in zeitgenössischen Quellen aber genauso wenig erwähnt wird wie eine Verwandtschaft Hermanns mit den Ottonen. Mit seiner Behauptung erhielt Wolf nicht nur Widerspruch seitens derjenigen, die von der Dominanz des Wahlrechts ausgingen, sondern auch von Hlawitschka selbst. In der nun schon seit über dreißig Jahren währenden Diskussion, die ersatzweise auch Schlammschlacht genannt werden kann, über die Verwandtschaft Hermanns mit den Ottonen und der Identität Richlinds zwischen den Anhängern der Thesen Wolfs auf der einen und Hlawitschkas auf der anderen Seite, die sich immer weiter in genealogische Spitzfindigkeiten verstrickten, konnte bis heute keine Lösung gefunden werden, die alle zufrieden gestellt hätte.[21]

Von einem anderen Ansatz geht heute die jüngere Forschung aus, zu der vor allem die Arbeit Steffen Patzolds dazugerechnet werden muss. Statt unsere heutige Rechtsmentalität ohne weiteres in die Vergangenheit zu projizieren und in den Quellen nach rechtlichen Grundlagen der Königserhebungen welcher Art auch immer zu suchen, wie es die ältere Forschung gemacht hat, kehrt Patzold die Vorgehensweise um und versucht aus den zeitgenössischen Quellen der Regierungszeit Heinrichs II. das damalige Rechtsdenken zu rekonstruieren. Dabei stellt er fest, dass zwar Adalbold[22] und Thietmar[23], ebenso wie andere zeitgenössische Quellen wie Heiligenviten oder Annalen,[24] die Verwandtschaft Heinrichs zu Otto III. im Zusammenhang mit weiteren Legitimationskriterien erwähnen, diese sich aber nicht allein darauf beschränken; ganz im Gegenteil werden vor allem persönliche Eigenschaften wie Ansehen, Macht, Frömmigkeit oder Durchsetzungsvermögen als ausschlaggebende Argumente angegeben, während die Verwandtschaft zwischen Heinrich und Otto nur nebenbei erwähnt wird. Adalbold beispielsweise erwähnt die Verwandtschaft zu Otto im Zusammenhang mit der Abkunft Heinrichs von Karl den Großen und Konrad von Burgund; Otto wird hierbei sogar nur an zweiter Stelle erwähnt. Patzold folgert daraus, was bereits in der Einleitung erwähnt worden ist: Aufgrund dessen, dass keine Rechtsgewohnheit für den Fall eines erbenlosen Königstodes bestand, musste man durch Verhandlungen und Diskussionen einen König bestimmen; dabei wurde neben vielen anderen Kriterien auch die Verwandtschaft mit verstorbenen Königen, darunter auch zu Otto III., als Argument aufgeführt.[25] Gerd Althoff merkt ferner an, dass kaum einer der Großen das Argument der Verwandtschaft während des Thronstreits besonders überzeugend gefunden hat, dieses dafür aber umso öfter erwähnt worden ist, nachdem Heinrich sich bereits durchgesetzt hatte.[26] Mit dem ständigen Hinweis auf die Verwandtschaft und dem „Erbrecht“ Heinrichs hätte dieser seine umstrittene „Wahl“ und Königserhebung nachträglich legitimieren wollen und zwar auch denjenigen gegenüber, die dabei nicht anwesend gewesen waren, zumal sein Gegenkandidat Hermann auch danach noch gewaltsam dagegen protestiert hatte. Mit Patzold und Althoff ist man in der Forschung mittlerweile der Ansicht, dass sich die Frage nach erb- oder wahlrechtlichem Denken im zehnten und elften Jahrhundert gar nicht gestellt hatte, sondern andere Kriterien für eine Königserhebung ausschlaggebend waren und die Verwandtschaft zu Otto III., so oft auf sie auch in der Regierungszeit Heinrichs hingewiesen worden sein mag, nur ein Argument unter vielen darstellte.

3. Die Urkunde D H II. 34 und ihre Aussage über das Rechtsdenken im zehnten und elften Jahrhundert

3. 1. Gegenüberstellung der Interpretationen der älteren Forschung und der Arbeit Ludger Körntgens

Nicht nur in den erzählenden Quellen, in Heiligenviten oder Annalen wurde auf die Verwandtschaft zwischen den beiden Kaisern hingewiesen, sondern auch in den Urkunden. Damit kommen wir auf das bereits in der Einleitung erwähnte Diplom D H II. 34 zurück, in der, wie bereits erwähnt, das Kloster St. Stephan, das bislang Hermann gehört hatte, auf dem Hoftag von Diedenhofen am 15. Januar 1003 dem Bischof Werner von Straßburg als Wiedergutmachung für die Schäden, die der Herzog im Konflikt mit Heinrich in Straßburg angerichtet hatte, übergeben wurde. In der Narratio wird zudem explizit von einer hereditaria in regnum sine aliqua divisione successio (zu deutsch etwa: „die erbliche Nachfolge ohne irgendeine Teilung im Reich“) Heinrichs II. und der ea que cum tali cesare nobis erat parentele et consanguinitatis affinitas (etwa: „diejenige elterliche und verwandtschaftliche Beziehung, die zwischen uns und dem großen Kaiser bestand“) gesprochen. In der Forschung wurde diese Urkunde oft als Argument für erbrechtliches Denken verwendet; auch wenn diese These wohl spätestens seit dem Beitrag Patzolds nicht mehr haltbar ist, so ist es doch nicht verkehrt, diese Urkunde zu untersuchen, um festzustellen, was genau in der bemerkenswerten Narratio gemeint gewesen sein könnte. Zunächst soll hierbei aber die Forschungsgeschichte bezüglich des Diploms ein wenig erhellt werden.

Als erster hat Eduard Hlawitschka diese Urkunde als Argument für die Erbrechtsthese verwendet[27], wobei er das ea parentele et consanguinitatis affinitas so interpretiert, dass auch eine verwandtschaftliche Beziehung Hermanns mit den Ottonen bestanden hätte, die aber die Großen inklusive Werner nicht so sehr überzeugt haben soll wie eben „diejenige“ (ea) Heinrichs, so dass sie diesen zum König erhoben haben (persuasit antisti cum ceteris […] nostrae manus dare fidelitati). Ferner bewertet er die hereditaria in regnum sine aliqua divisione successio so, dass eine „ungeteilte Erbnachfolge“ nur hätte stattfinden können, wenn auch die Kandidatur Hermanns an die Verwandtschaft zu den Ottonen gekoppelt gewesen wäre. Hätte es nämlich allein eine freie Wahl gegeben, so hätten die Großen einen König für das ganze Reich wählen müssen; wenn aber eine Reichsteilung erwogen worden ist, wovon Hlawitschka ausgeht[28], so wäre diese, ähnlich wie einst bei den Karolingern oder Merowingern, nur über eine Erbnachfolge möglich gewesen. Was die erbrechtliche Interpretation angeht, so erhielt er Zuspruch von Hartmut Hoffmann, der in der Narratio der Urkunde eine Selbstaussage Heinrichs sieht und ihr einen hohen politischen Wert zuspricht[29]. Stefan Weinfurter setzt die Urkunde aufgrund der hereditaria successio im Zusammenhang mit seinen Ausführungen über das Regensburger Sakramentar und den Mainzer Krönungsordo. Dort ist nämlich von einer paterna successio und einer hereditaria iure die Rede und Weinfurter folgert daraus ein Regierungsprogramm Heinrichs II. zur Zentralisierung und Straffung der Königsherrschaft.[30] Auch wenn er Hlawitschka nicht explizit zustimmt, so ist auch er der Ansicht, dass Heinrich seine Königsherrschaft erbrechtlich verstand und sieht dies durch D H II. 34 bestätigt.[31] Hlawitschkas Interpretation der „divisione“ stellt er eine eigene entgegen: ihm zufolge soll keine Reichsteilung erwogen worden sein, sondern lediglich der Anspruch Hermanns auf die Wahrung seiner nahezu königsgleichen Stellung in Schwaben gemeint gewesen sein, die allerdings ins Konzept Heinrichs zur Herrschaftszentralisierung nicht gepasst hätte und deshalb abgeschafft worden wäre.[32]

Eine umfassende und ausführliche Kritik an den Arbeiten Hlawitschkas und Weinfurters gab es von Ludger Körntgen[33], der nicht nur ihren erbrechtlichen bzw. biblisch-heilsgeschichtlichen Interpretationen widerspricht, sondern auch die Bedeutung der Urkunde als „politisches Manifest“[34] anzweifelt. Da eine eingehende und genaue Untersuchung der Urkunde bislang ausgeblieben war, machte er sich als erster daran, sie unter Berücksichtung der neuesten Ergebnisse der Urkundenforschung über die Rolle schriftlicher Dokumente in einer mündlich bestimmten Gesellschaft zu untersuchen. Auf diesen Grundlagen aufbauend geht Körntgen davon aus, dass die Urkunde keinen besonderen propagandistischen und politischen Wert besäße, sondern lediglich eine Aussage über das allgemeine Herrschaftsverständnis Heinrichs II. mache, zumal es keine politisierte Öffentlichkeit zu der Zeit gegeben hat, an die die Urkunde als politische Propaganda gerichtet gewesen sein könnte. Dagegen setzt Körntgen den Aussagewert der ungewöhnlich umfangreichen Narratio der Urkunde mit dem der erzählenden Quellen gleich, die dem aktuellen Forschungsstand nach auch nicht für irgendeine abstrakte Öffentlichkeit, sondern mit einem bestimmten Zweck für einen bestimmten, eingegrenzten Kreis von Personen gedacht gewesen ist.

Im ersten Teil seines Beitrags[35] wundert sich Körntgen darüber, dass es zwischen den Hoftagen von Bruchsal und Diedenhofen einen großen zeitlichen Abstand gegeben hat und weshalb nicht auf ersterem die Übertragung des Klosters stattgefunden hatte, obwohl dort auch andere Besitztümer übertragen worden waren und Hermanns Verzicht stattgefunden hatte; er stellt die Vermutung auf, dass das mit der größeren Anzahl an Anwesenden in Diedenhofen zu tun gehabt haben könnte. Außerdem merkt er an, dass in den Beiträgen Hlawitschkas und Weinfurters stets die Rolle Werners als Empfänger des Klosters unterschätzt bis gar nicht beachtet worden wäre und dass durch die Plünderung Straßburgs und der Schändung der Kirche durch Hermann nicht nur dieser sich des Sakrilegs der Kirchenschändung schuldig gemacht hätte, sondern auch Heinrich, der als König und Schutzherr der Kirchen seiner Verpflichtung, diese vor solchen Vandalismen zu schützen, nicht nachgekommen wäre. Deshalb, so Körntgen, wäre es Sinn und Zweck der Urkunde gewesen, vor einer größeren Anzahl von Großen und auch vor Werner selbst als Empfänger des Klosters, an die die Urkunde gerichtet gewesen wäre, Heinrich wegen seines Versagens als Schutzherr zu entlasten und durch die Übergabe des Klosters das begangene Verbrechen zu sühnen. Weder sei die Übergabe Teil eines Regierungsprogramms zur Zentralisierung der Herrschaft gewesen, noch als Symbol des Triumphes Heinrichs über Hermann zu verstehen, zumal Körntgen zu Recht darauf hinweist, dass Hermann an keiner einzigen Stelle in der Urkunde als Urheber der Plünderung bezeichnet wird, was wohl mit einem hohen Bedarf an diplomatischer Sensibilität zu tun gehabt haben könnte.

Im zweiten Teil[36] geht es schließlich um die Berechtigung von D H II. 34 als Beweis für erbrechtliches Denken. Dabei stellt Körntgen die These auf, dass die hereditaria successio nicht als Anspruch Heinrichs auf den Thron zu verstehen ist, sondern als Ergebnis der Thronfolgekrise nach dem Tod Ottos III. Der Sinn der Narratio in der Urkunde ist zudem im Kontext der Plünderung Straßburgs und der Schuld Heinrichs an der Kirchenschändung durch Hermann zu sehen. Hier wird begründet, weshalb es zur Kirchenschändung in Straßburg gekommen war und weshalb Werner und Heinrich keine Schuld daran getroffen hätte: Aufgrund der a pueris propagata familiaritas und der parentele et consanguinitatis affinitas zwischen Heinrich und Otto[37] hätte Werner sich wie viele andere Große ersterem angeschlossen, was den Teufel dazu veranlasst hätte, sich in die Angelegenheit einzumischen und Straßburg plündern zu lassen. Da aber Heinrich von Gott selbst zum König ausersehen worden wäre, hätte man Werner keine Schuld an den Schlamassel geben können, ebenso wenig wie dem von Gott auserwählten Heinrich. Die Begründung der Königserhebung Heinrichs ist also laut Körntgen nur in diesem Zusammenhang zu sehen und die hereditaria successio nur das Ergebnis der Thronerhebung, welche nicht isoliert betrachtet und interpretiert werden dürfte. Durch diese Rechtfertigung des Thronanspruchs Heinrichs sollen, so Körntgen weiter, die Fehde zwischen diesem und Hermann als eine Rebellion des letzteren dargestellt werden und die Plünderung Straßburgs weiter diskreditiert werden. In diesem Kontext sieht Körntgen auch die Wendung hereditaria in regnum sine aliqua divisione successio: da Heinrich das ganze Reich von seinem Vorgänger geerbt hätte, wäre Hermanns Fehdeführung nichts weiter als ein illegitimer Aufstand gewesen. Und auch wenn die parentele et consanguinitatis affinitas als Grund erwähnt wird, weshalb Werner Heinrich anerkannt hatte, so stehe sie doch erst an zweiter Stelle nach der a pueris propagata familiaritas; da sie außerdem auf Otto III. als Vorgänger auf dem Königsthron und nicht auf Heinrich I. als gemeinsamen Ahnen bezogen sei, könne man da keinen allein erbrechtlichen Anspruch Heinrichs II. hineininterpretieren.

3. 2. Erneute Analyse der Urkunde

Nun ist die Untersuchung Körntgens auch schon mehrere Jahre alt und in der Zwischenzeit ist mit dem Aufsatz Patzolds eine erneute (und die bislang letzte) Studie zur Königserhebung von 1002 erschienen, weshalb es sich lohnen würde, D H II. 34 erneut zu untersuchen. Zwar ist Körntgens Arbeit prinzipiell überzeugend, allerdings hat er die Urkunde und ihre Aussage über das Rechtsdenken ihrer Zeit nur im Kontext der Plünderung Straßburgs erklärt; auch wenn man nicht den Fehler Hlawitschkas begehen und einzelne Wörter isoliert betrachten sollte, so soll im Folgenden gemäß der Vorgehensweise Patzolds explizit „nach der Art und Weise, in der die Quellenautoren selbst die Vorgänge [bis zur Königserhebung] wahrnahmen und beurteilten“,[38] gefragt werden, zumal Körntgen der Narratio der Urkunde im Sinne einer „Erzählung“ den gleichen Wert wie Thietmar oder Adalbold beimisst[39] und es sich dabei höchstwahrscheinlich um ein Eigendiktat Heinrichs II. handelt,[40] was die Bedeutung der Urkunde noch um einiges brisanter macht.

Ausschlaggebend ist folgender Satz, der die Gründe der Entscheidung der Großen zugunsten Heinrichs und das Ergebnis dieser Entscheidung festhält: Post tanti itaque imperatoris ab hac vita discessum vetus inter nos a pueris propagata familiaritas et ea que cum tali cesare nobis erat parentele et consanguinitatis affinitas praefato persuasit antistiti cum ceteris, quorum infinitus est numerus, nostrae manus dare fidelitati, ut deo praeside concors populorum et principum nobis concederetur electio et hereditaria in regnum sine aliqua divisione successio.[41] (zu deutsch: „Daher hat der vertraute Umgang mit dem großen Kaiser, der früh aus dem Leben geschieden ist, die zwischen uns seit unserer Kindheit bestanden hatte, sowie diese elterliche und verwandtschaftliche Beziehung, die uns mit dem großen Kaiser verband, den oben genannten Bischof und die übrigen Großen, deren Anzahl grenzenlos ist, davon überzeugt, uns die Hand zur Treue zu reichen, so dass durch den Schutz Gottes die einstimmige Wahl der Gemeinde und der Fürsten und die erbliche Nachfolge ohne irgendeine Teilung im Königsreich uns zugekommen ist.“)[42]

Hier werden zwei Gründe angegeben, die die Großen von der Bestimmung Heinrichs überzeugt hätten: Die inter nos a pueris familiaritas, sowie die parentele et consan-guinitatis affinitas. Dabei ist bereits Weinfurter aufgefallen, dass die „verwandtschaftliche Beziehung“ beziehungsweise die „Blutsverwandtschaft“, wie Hlawitschka diese Stelle übersetzt hat,[43] erst an zweiter Stelle kommt.[44] Während Weinfurter daraus lediglich folgert, dass zur verwandtschaftlichen Begründung des Erbrechts noch die enge Vertrautheit zwischen den beiden Königen als Argument hinzukommt, so ist diese Tatsache nicht zu unterschätzen und in Analogie zu den Begründungsmustern bei Thietmar und Adalbold zu setzen, wo sich die Verwandtschaft Ottos und Heinrichs ebenfalls hinten anstellen muss. Letztlich ist die Verwandtschaft zwischen beiden nicht so wichtig, als dass sie an erster Stelle oder gar alleine als alleinig ausschlaggebender Rechtsgrund hätte erwähnt werden müssen. Vielmehr versucht sich Heinrich in die Nähe Ottos zu rücken und diese so stark wie möglich zu betonen, was durch die Erwähnung einer verwandtschaftlichen Beziehung ebenso erfolgen kann wie durch eine enge Vertrautheit seit ihrer Kindheit; dass Heinrich sich auch in vielen anderen Gelegenheiten in diese kaiserliche Sphäre hätte einfügen wollen, ist Weinfurter auch an anderen Stellen aufgefallen und dürfte wohl in diesem Zusammenhang zu sehen sein.[45]

Während Althoff davon ausgeht, dass dieses Verhalten ebenso wie die zahlreichen Betonungen eines „Erbrechts“ Heinrichs dessen durchaus umstrittene (wenn auch nicht mehr rückgängig zu machende) Königserhebung nachträglich legitimieren sollte[46], weist Körntgen darauf hin, dass die Wendung concederetur electio et hereditaria in regnum sine aliqua divisione successio kein Erbrecht im Sinne eines Anspruchs, sondern das Ergebnis der Wahlverhandlungen, die der Krönung Heinrichs vorausgegangen sind, bezeichnen soll.[47] Könnte es nicht tatsächlich sein, dass die hereditaria successio einfach nur umgedeutet werden müsste? Angenommen einer der anderen Kandidaten wäre König geworden, wäre es so abwegig gewesen, wenn auch diese von einer hereditaria successio gesprochen hätten? Damit ist jetzt keine Nachkommenschaft von irgendwelchen Brüdern Heinrichs I. gemeint, sondern nur eine andere Bedeutung des Begriffs „Erbfolge“. Denn dadurch, dass Heinrich II. König geworden war, hatte er auch den Königsthron von Otto III. geerbt, ohne dass er zuvor von diesem zum Erben designiert worden wäre. Und wäre beispielsweise Hermann zum König gewählt worden, dann hätte er ebenfalls den Thron Ottos III. geerbt. Letztlich setzt eine Erbfolge ja nicht die Verwandtschaft zwischen dem Erben und den zu Beerbenden voraus, ja noch nicht einmal eine von diesem offiziell festgemachte Vererbung. Dass aber Heinrich durch seine Krönung und Salbung in Mainz den Königsthron bestiegen und diesen somit von seinem Vorgänger geerbt hatte, ist ja nicht zu bestreiten. Zu bestreiten ist lediglich die Auffassung, Heinrich hätte ihn lediglich aufgrund seiner Verwandtschaft besteigen, seine Gegenkandidaten ebenfalls nur aufgrund ihrer Verwandtschaft kandidieren können. Denn davon steht auch in der Urkunde nichts explizit drin.

Hlawitschka hat lediglich über ea parentele et consanguinitatis affinitas, über genau „diese verwandtschaftliche Beziehung“ gefolgert, dass auch „jene verwandtschaftliche Beziehung“ des Gegenkandidaten (in dem Fall logischerweise Hermann, der als letzter übrig geblieben war) bestanden haben müsste. Körntgen hat sich mit diesem Argument Hlawitschkas in seiner Arbeit nicht auseinandergesetzt und auch sonst gibt es keinerlei alternative Interpretationen dieser Wendung; wahrscheinlich sind auch gar keine nötig. Mit ea wird lediglich die parentele et consanguinitatis affinitas mit dem Nebensatz que cum tali cesare nobis erat verbunden, der zwischen den beiden Wendungen steht und durch ea eingeleitet wird. Das Wort hat folglich nichts weiter als eine (nicht zu unterschätzende) Bedeutung im Satzbau; eine solch tiefgehende Interpretation wie bei Hlawitschka ist aber sicher nicht nötig und auch den Zeitgenossen Heinrichs II. nicht in den Sinn gekommen, zumal „jene“ Verwandtschaft Hermanns zu den Ottonen wahrscheinlich gar nicht bestand.

Bemerkenswert ist aber der folgende Satz, der in der Forschung weitgehend unberücksichtig geblieben ist, obwohl er immer noch Teil der Narratio ist: Fecit itaque misericors deus pro voto nostro quod suum erat […].[48] („Daher trat Gott für unsere Wahl ein, die die seine war (…).“) Die Behauptung, dass Heinrich von Gott auserwählt worden ist, wird hier als drittes Argument aufgeführt und darf ebenfalls nicht unterschätzt werden. Da der König sich nun einmal als Stellvertreter Gottes auf Erden gesehen hat, so wird die Königserhebung Heinrichs in den Augen der Zeitgenossen dessen eigene Entscheidung gewesen sein; durch die Salbung ist das Bündnis mit Gott letztlich auch besiegelt worden. Und wer würde schon Gottes eigene Entscheidung in Frage stellen wollen? So gesehen handelt es sich hier um eine gleichrangige, wenn nicht gar höherwertige Begründung für Heinrichs Königtum. Dass dieses Argument vor der Königserhebung kaum vorgebracht worden war, dürfte in Anbetracht der Tatsache, dass Gott nur selten seine Meinung äußert, wenn sie gefragt ist, nicht weiter verwundern. Von einem daraus abgeleiteten „Rechtsanspruch“ Heinrichs vor der Königserhebung kann hier deshalb natürlich keine Rede sein. Aber letztlich ist es auch nicht Sinn und Zweck der Urkunde, irgendwelche rechtlichen Ansprüche Heinrichs auf den Königsthron aufzuzählen. Da er zum Zeitpunkt ihrer Ausstellung bereits unangefochten regierte, kam es in der Urkunde nur darauf an, seine Königserhebung im Nachhinein zu legitimieren bzw. zu erklären, aus welchen Gründen er König geworden war. Und diesem Zweck genügten seine Vertrautheit und Verwandtschaft mit Otto III. genauso wie die Behauptung (oder Tatsache?), dass Gott ihn erwählt hätte. Dass die Gründe nicht immer ganz realistisch waren ist für das Denken dieser Zeit unerheblich, auch wenn es übertrieben sein mag, die Aussage der Urkunde als „Propaganda“ oder „Manifest“ zu bezeichnen.

4. Zusammenfassung

Die Urkunde D H II. 34 fällt als Argument für erbrechtliches Denken im zehnten und elften Jahrhundert folglich weg. Statt eines Einblicks in die Rechtsgrundsätze dieser Zeit wird der tatsächliche Ablauf der damaligen Ereignisse etwas verzerrt dargestellt, zumal bindende Rechtsgrundsätze damals gar nicht bestanden, sondern nur Rechtsgewohnheiten;[49] die in der Urkunde genannten Gründe verfolgten nämlich den Zweck, die Königserhebung Heinrichs im Nachhinein zu rechtfertigen und vermochten während des Thronstreites niemanden vollständig zu überzeugen. Die Frage nach wahl- oder erbrechtlichem Denken im Jahre 1002 muss also abermals als anachronistisch verurteilt werden. Ein „Erbrecht“ in der Thronfolge besaß lediglich ein Königssohn und das im Normalfall auch nur, wenn er vom Vater als Nachfolger designiert worden war. Da Heinrich aber von niemandem zum Nachfolger erhoben worden war und es sich bei seiner Verwandtschaft zu Otto III. ebenso wie zu Karl dem Großen oder Konrad von Burgund nur um eines von vielen weiteren Argumenten wie Ansehen, Macht oder Erfahrung handelte, kann von einem „Erbrecht“ Heinrichs nicht gesprochen worden. Und in diesem Zusammenhang ist auch die Urkunde zu sehen: die Verwandtschaft ist einer von mehreren Gründen, aber nicht der ausschlaggebende. Und von einer Designation ist erst recht nirgendwo die Rede. Man kann nur hoffen, dass auch für alle übrigen Königserhebungen das anachronistische Denken der älteren Forschung fallengelassen und die Forschung von der Arbeitsweise eines Körntgen oder eines Pätzold ausgehen wird. Hlawitschka oder Wolf gehören jedenfalls zu den letzten ihrer Art und ein Aufsatz, der ihre leicht angestaubten Ansichten in Schutz nimmt, wird wohl auch nicht mehr zu erwarten sein.


[1] Heinrich Mitteis, Die deutsche Königswahl. Ihre Rechtsgrundlagen bis zur Goldenen Bulle. 2. Auflage Brünn/München/Wien 1944.

[2] Einen guten Überblick über die Kontroversen in der Forschung mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis bietet Egon Boshof, Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert. 1993, 2. Auflage München 1997, Seite 55-73.

[3] Die Designation Heinrichs I. durch Konrad I. ist aufgrund der schwierigen Quellenlage in dieser Zeit stark umstritten, so zweifelt Johannes Fried, Die Königserhebung Heinrichs I. Erinnerung, Mündlichkeit und Traditionsbildung im 10. Jahrhundert, in: Mittelalterforschung nach der Wende 1989. Herausgegeben von Michael Borgolte (HZ Beihefte, N. F. 20). München 1995, Seite 267-318, den in den Quellen geschilderten Ablauf ganz an. Vgl. dagegen aber Gerd Althoff, Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat. Stuttgart 2000, Seite 29-45.

[4] Stefan Weinfurter, Heinrich II. (1002-1024). Herrscher am Ende der Zeiten. Regensburg 1999, Seite 56, Steffen Patzold, Königserhebungen zwischen Erbrecht und Wahlrecht? Thronfolge und Rechtsmentalität um das Jahr 1000, in: DA, Band 58 (2002), Seite 467-507, hier Seite 501-507.

[5] So bei Armin Wolf, Königskandidatur und Königsherrschaft: Hermann von Schwaben als Prüfstein für das „Prinzip der freien Wahl“, in: DA, Band 47 (1991), Seite 45-117.

[6] Eduard Hlawitschka, Die Thronkandidaturen von 1002 und 1024. Gründeten sie im Verwandtenanspruch oder in Vorstellung von freier Wahl?, in: Reich und Kirche vor dem Investiturstreit. Festschrift Gerd Tellenbach. Herausgegeben von Karl Schmid, Sigmaringen 1985, S. 49-64; Derselbe, ‚Merkst du nicht, dass dir das vierte Rad am Wagen fehlt?’ Zur Thronkandidatur Ekkehards von Meißen (1002) nach Thietmar, Chronikon IV c. 52, in: Geschichtsschreibung und geistiges Leben im Mittelalter. Festschrift Heinz Löwe. Herausgegeben von Karl Hauck, Hubert Morder, Köln u. a. 1978, Seite 281-311.

[7] Zuletzt in Eduard Hlawitschka, Konradiner-Genealogie, unstatthafte Verwandtenehen und spätottomisch-frühsalische Thronbesetzungspraxis. Ein Rückblick auf 25 Jahre Forschungsdisput. Hannover 2003, Seite 11-14.

[8] D H II. 34: Die Urkunden Heinrichs und Arduins. Herausgegeben von Harry Bresslau (MGH Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 3), Berlin 1957, S. 37-38.

[9] Als wichtigste Literatur wird für die folgende Zusammenfassung der Ereignisse neben Althoff, Ottonen, Seite 202-208 und Weinfurter, Heinrich II., Seite 36-58 noch Helmut Beumann, Die Ottonen. Stuttgart 1987, 157-161 verwendet.

[10] Thietmar von Merseburg, Chronicon V 12-13, ed. Robert Holtzmann (MGH SS rer. Germ. N. S. 9, 2. Auflage 1955).

[11] Adalbold von Utrecht, Vita Heinrici II imperatoris c. 5, ed. Hans van Rij, Nederlandse Historische Bronnen 3 (1983), Seite 7-95.

[12] Laut Weinfurter, Heinrich II., Seite 37, kandidierten auch die Herzöge Dietrich I. von Oberlothringen, Bernhard I. von Sachsen und Otto von Kärnten, sowie der Pfalzgraf Ezzo von Lothringen, ohne dass sie eine weitergehende Bedeutung für die folgenden Ereignisse gehabt hätten.

[13] Inwiefern der Mord mit der Königskandidatur zu tun hatte, ist nicht bekannt, siehe Althoff, Ottonen, Seite 204.

[14] Weinfurter, Heinrich II., Seite 50.

[15] Dieses Faktum ist bereits Martin Lintzel, Zu den deutschen Königswahlen der Ottonenzeit. (1948) in: Königswahl und Thronfolge in ottonisch-frühdeutscher Zeit. Herausgegeben von Eduard Hlawitschka. Darmstadt 1981, Seite 199-215, hier Seite 211 aufgefallen. Zu den wichtigsten erzählenden Quellen siehe Anmerkungen 10 und 11.

[16] Eine umfangreiche Literaturliste gibt es in den Anmerkungen des Beitrags von Patzold, Königserhebungen, v. a. auf Seite 470-471.

[17] Walter Schlesinger, Erbfolge und Wahl bei der Königserhebung Heinrichs II. 1002. (1972) in: Ausgewählte Aufsätze von Walter Schlesinger 1965-1979. Herausgegeben von H. Patze/F. Schwind. Sigmaringen 1987, Seite 221-253; siehe außerdem Anmerkung 15.

[18] Beumann, Ottonen, Seite 159.

[19] Hlawitschka, Thronkandidatur Ekkehards; Kritiken erntete er v. a. von Gerd Althoff, Die Thron-bewerber von 1002 und ihre Verwandtschaft mit den Ottonen, in: ZGORh 137 (1989), Seite 453-459.

[20] Armin Wolf, Wer war Kuno von Öhningen? Überlegungen zum Herzogtum Konrads von Schwaben und zur Königswahl von 1002, in: DA 36 (1980), Seite 25-83.

[21] Eine Zusammenfassung der Diskussion findet sich in Hlawitschka, Konradiner-Genealogie (siehe Anmerkung 7), wobei dieses Werk verständlicherweise keinen Anspruch auf Neutralität erheben kann.

[22] Patzold, Königserhebungen, Seite 480-484

[23] Patzold, Königserhebungen, Seite 484-493

[24] Patzold, Königserhebungen, Seite 493-501

[25] Siehe Anmerkung 4.

[26] Althoff, Ottonen, Seite 206-207.

[27] Hlawitschka, Thronerhebungen, Seite 53-54.

[28] Dabei stützt Hlawitschka sich außerdem auf eine Aussage der Annalen von St. Gallen: „cum Heinrico Herimannus dux Alamanniae et Alsatiae regnum forte dividere et parti aspirare.“

[29] Hartmut Hoffmann, Eigendiktat in den Urkunden Ottos III. und Heinrichs II., in: DA 44 (1988), Seite 390-423, hier Seite 414-416.

[30] Weinfurters weit reichende Thesen zum Zentralisierungsprogramm Heinrichs II. brauchen hier nicht weiter aufgeführt zu werden, da sie weder mit der Urkunde D H II. 34, noch mit der Frage nach dem erbrechtlichen Prinzip direkt etwas zu tun haben. Zu diesen Thesen siehe vor allem: Stefan Weinfurter, Der Anspruch Heinrichs II. auf die Königsherrschaft, in: Papstgeschichte und Landesgeschichte. Festschrift Hermann Jakobs. Herausgegeben von Joachim Dahlaus, Armin Kohnle (Archiv für Kulturgeschichte. Beihefte 39), Köln u. a. 1995, Seite 69-119; Derselbe, Die Zentralisierung der Herrschaftsgewalt im Reich unter Kaiser Heinrich II. (1986), in: Gelebte Ordnung – Gedachte Ordnung. Ausgewählte Beiträge zu König, Kirche und Reich. Herausgegeben von Helmuth Kluger, Hubertus Seibert und Werner Bomm. Ostfildern 2005, Seite 213-265; aber auch: Derselbe, Heinrich II., Seite 42-47.

[31] Weinfurter, Zentralisierung, Seite 238-239; Derselbe, Heinrich II., Seite 55-56.

[32] Weinfurter, Zentralisierung, Seite 241-242.

[33] Ludger Körntgen, In primis Herimanni ducis assensu. Zur Funktion von D H II. 34 im Konflikt zwischen Heinrich II. und Hermann von Schwaben, in: FmSt 34 (2000), Seite 159-185.

[34] So bei Hoffmann, Eigendiktat, Seite 415.

[35] Körntgen, In primis, Seite 165-174.

[36] Körntgen, In primis, Seite 174-182.

[37] Dass sich die „familiaritas“ wohl auf Heinrich und Otto bezog und nicht auf Heinrich und Werner, wie Hoffmann, Eigendiktat, Seite 415 vermutete, wies Körntgen, In primis, Seite 182-185 nach.

[38] Patzold, Königserhebungen, Seite 474.

[39] Körntgen, In primis, Seite 165.

[40] Hoffmann, Eigendiktat, Seite 415.

[41] D H II. 34, Zeile 8-13

[42] Bei der Übersetzung handelt es sich um eine eigene, wobei diejenige von Hlawitschka, Thronkandidaturen, Seite 53 zu Hilfe genommen worden ist.

[43] Hlawitschka, Thronkandidaturen, Seite 53.

[44] Weinfurter, Königsherrschaft, Seite 122.

[45] Weinfurter, Heinrich II., Seite 44-47.

[46] Althoff, Ottonen, Seite 206.

[47] Körntgen, In primis, Seite 175.

[48] D H II. 34, Zeile 13

[49] Patzold, Königserhebungen, 475-480.


Dietrich, Marion
Die Katastrophe vor Rom 1167

Einleitung

Für Kaiser Friedrich Barbarossa war Italien während seiner Regierungszeit, insbesondere seine Expansionsziele betreffend, von jeher besonders bedeutend. Dies belegen schon allein seine zahlreichen Italienzüge, welche die Bemühungen zum Ausdruck bringen, das südlich gelegene Reich in das eigene einzugliedern. Barbarossas Aktivitäten erstreckten sich über die Jahre 1152 bis 1190 und bestanden wiederholt aus militärisch-kriegerischen Anstrengungen, die sich vor allem gegen die Stadt Mailand richteten. Mit dem Tod Wilhelms I. von Sizilien eröffnete sich dem staufischen Kaiser die Möglichkeit einen bedeutenden Sieg in Italien zu erringen, so dass er die Chance ergriff und mit seinen Gefolgsleuten in Richtung Süden zog, wohl auch, um die bisher ungeklärte Kirchenfrage zu lösen. Der vierte Italienzug wurde allerdings zum Wendepunkt der staufischen Italienpolitik. Eine todbringende Seuche, welche im August 1167 den Großteil der vor Rom lagernden Truppen dahinraffte, schwächte die Position des Kaisers derart, dass er gezwungen wurde, von seinen Eroberungsplänen abzulassen und letztendlich nach Deutschland zurückzukehren.

1. Barbarossas Italienpolitik und die Ereignisse vor der Katastrophe im Jahre 1167 

Will man das Ausmaß der Katastrophe vor Rom verstehen, die Ferdinand Opll zu den „einschneidenden Ereignissen der Regierung Kaiser Friedrich Barbarossas“[1] zählt, sollte man zunächst das politische Geschehen bis zum August 1167 betrachten und insgesamt versuchen die Italienpolitik des staufischen Herrschers zu bewerten.

Barbarossa unternahm bis zum Jahre 1184 mit seinen Truppen sechs Italienzüge oder so genannte expeditiones[2], wobei schon die Anzahl seiner Unternehmungen anzeigt, welche nicht ganz unbedeutende Rolle das Reich im Süden für ihn wohl gehabt haben mag. Zum einen lässt sich das verstärkte Interesse des Kaisers an Italien auf die ungelöste Kirchenfrage zurückführen, die durch das ab 1159 auftretende Schisma entstanden war. Rom, als Zentrum des (westlichen) christlichen Glaubens, war zu einem wichtigen machtpolitischen Symbol geworden. Als weiteren Grund führt Opll die „wirtschaftliche Bedeutung dieser südlich der Alpen gelegenen Zonen“[3] auf. Bernhard Töpfer erwähnt in seinen Ausführungen zu den „Grundlinien der Politik Friedrich Barbarossas“[4], dass Barbarossa seine geschwächte Position im deutschen Reich durch finanzielle Einnahmen stärken wollte. Dabei variierten die Motive für die jeweiligen Italienzüge sehr oft, so dass die kaiserliche Intention in dieser Angelegenheit trotz ihrer stets militärischen Ausrichtung im Grunde durch Uneinheitlichkeit gekennzeichnet war.[5] Stand während des ersten Italienzuges noch seine eigene Kaiserkrönung in Rom im Mittelpunkt[6], wurde für Barbarossa die kriegerische Eroberung in den nächsten Zügen zum Hauptziel. Dabei ging es vor allem um die Stadt Mailand[7] und um Sizilien. Töpfer spricht davon, dass sich in den politischen Aktivitäten Barbarossas eine „neue Akzentuierung“[8] abzeichnete, welche sich als „Ausbau des Krongutes im regnum Teutonicum“[9] artikulierte.

Auch im Oktober 1166 brach Kaiser Friedrich Barbarossa in Richtung Süden auf, weil er seine Chancen für einen Sieg über das Königreich Sizilien als überdurchschnittlich gut ansah. Grund hierfür mag wohl der Tod König Wilhelms I. von Sizilien gewesen sein, welcher allerdings auch eine antistaufische Koalition möglich gemacht hatte.[10] Somit war es sowohl die Aussicht auf einen erfolgreichen Feldzug im Süden, als auch die Furcht davor, Kaiser Manuel könne in Italien durch das Bündnis mit Alexander III. mehr und mehr Einfluss gewinnen, die Barbarossa zu seiner vierten Expedition motivierte.

Wie schon in den vorangegangenen Zügen, bewegte sich der staufische Kaiser mit seinen Truppen über den Brennerpass, wobei ihm der Weg von Trient nach Verona durch die so genannte Lega Veronese versperrt blieb. Barbarossa musste letztendlich auf einen anderen Pfad ausweichen und bekam damit schon sehr früh zu spüren, in welchem Maße sich die Situation im Süden seit seinem letzten Besuch gewandelt hatte. Derartige Veränderungen waren Konsequenzen aus den „rigorosen Maßnahmen der staufischen Reichsverwaltung“[11], welche die Opposition in den Städten hervorrief.[12] In Imola eilte der Kaiser sein Heer und entsandte seine Reichslegaten Christian von Mainz und Rainald von Dassel nach Mittelitalien[13], er selbst wollte in Richtung Adriaküste vorrücken. Während die Legaten sich anfangs noch getrennt voneinander in den Gebieten bewegten, errangen sie dann gemeinsam im Mai 1167 bei Tusculum einen Sieg über die römischen Truppen. Der Kaiser war in der Zwischenzeit mit der Belagerung Anconas, einer Stadt im „offenen Aufruhr gegen die Reichsherrschaft“[14], befasst gewesen, die drei Wochen lang angedauert hatte und zunächst nicht unbedingt Erfolg versprechend gewesen war. Letztendlich konnte er sie auch nicht erobern[15], und die Situation für das kaiserliche Heer bei Ancona wird angesichts der Gründung des lombardischen Städtebundes als „prekär“[16] beschrieben. Nachdem Barbarossa vom Sieg der Legaten in Tusculum erfahren hatte, bewegte er sich zunächst weiter nach Apulien. Dass er schließlich den Weg nach Rom antrat wird in der Literatur sehr oft auf das Drängen Papst Paschalis’ III. zurückgeführt, der auf eine Lösung der Kirchenfrage zu seinen Gunsten hoffte.[17] Rainald von Dassel und Christian von Mainz hatten das Lager nordwestlich von Rom aufgeschlagen, wo Friedrich Barbarossa Mitte Juli 1167 eintraf und sich auf dem Monte Mario niederließ. Er begann sogleich mit den Kämpfen gegen die römischen Stadtbewohner, welche schon zuvor von den Reichslegaten belagert worden waren. Aufgrund der Unruhen floh Alexander III. aus Rom, den Tiber hinab nach Benevent[18]. Wichtige Punkte innerhalb der Stadtmauern wurden von dem staufischen Heer besetzt, so etwa der Platz vor S. Peter und die Säulenhallen.[19] Die Kirche S. Maria in Turri, ein an S. Peter angrenzender klerikaler Bau, wurde in Brand gesteckt, um die feindlichen Truppen auf dem Dom zum Aufgeben zu zwingen.[20] Diese ergaben sich darauf und am folgenden Tag, den 30. Juli, wurde Papst Paschalis im Petersdom inthronisiert und Barbarossa zusammen mit seiner Frau Beatrix am 1. August zum Kaiser gekrönt.[21] Außerdem wurde ein Vertrag mit den Römern geschlossen, in dem der staufische Herrscher den Bestand des Senats gewährleistete, die Römer allerdings umgekehrt ihre Unterstützung versprachen.[22] Damit war für Barbarossa ein Höhepunkt in seiner Italienpolitik erreicht, wobei sich das Blatt schon am nächsten Tag wenden sollte.

2. Quellenanalytischer Teil 

War die Italienpolitik Kaiser Friedrich Barbarossas und die Vorgeschichte der Katastrophe vor Rom im letzten Teil Gegenstand der Untersuchung, soll im Folgenden die plötzliche Ausbreitung der Seuche und ihr Krankheitsbild analysiert werden. Dabei werden die überlieferten Quellenberichte heranzuziehen und miteinander zu vergleichen sein. Den Anfang macht ein Text von Otto und Acerbus Morena, welchem nach Heinz Krieg eine „besondere Bedeutung“[23] zukommt. Im Unterschied zu den Werken der staufischen Chronik sei das italienische Quellenmaterial von einer „ penible[n] Detailliertheit bei der Schilderung des Geschehens“[24] und daher also auch brauchbarer[25]

2.1 Ausbruch und Symptome der Epidemie von 1167

2.1.1 Otto und Acerbus Morena und ihr anonymer Fortsetzer

Nachweislich verfasste der 1111 geborene Lodeser Otto Morena mit seinem Sohn Acerbus einen Bericht über die Taten Friedrich Barbarossas. Die Aufzeichnungen setzen 1153 ein und enden 1168. Acerbus war in den Jahren 1162 bis 1164 als Autor beteiligt, zog dann allerdings 1167 mit dem Kaiser in einen Kampf gegen Mailand und Rom und wurde, wie so viele andere, ein Opfer der Epidemie im August 1167. Die Ereignisse während der Katastrophe werden von einem anonymen Fortsetzer beschrieben, welcher entweder der noch lebende Otto selbst (mit veränderter Haltung gegenüber dem Kaiser) oder ein dritter Autor gewesen ist.[26]

Der namentlich nicht genannte Verfasser schildert im Vorfeld noch, wie treu Acerbus Kaiser Barbarossa ergeben war und dass jener in Rom per plures dies innumerabiles fidelitates imperatori factas suscepit[27], verweist dann allerdings auf die zeitgleich ausbrechende Seuche:

Interea dum hec Rome agitabantur, ecce quedem maxima et mirabilis atque mortalis pestilentia super imperatorem eiusque totum exercitum divino miraculo accidit […].[28]

Wichtig erscheint dem Verfasser die Wetterlage, denn während am Morgen noch alles sehr heiter ist (in mane maxima celi serenitas foret[29]), ergießen sich plötzlich große Wassermassen vom Himmel (statim quasi in ictu oculi mirabiliter pluere cepit[30]). Interessanterweise verwendet der anonyme Autor hier, wie in den einleitenden Sätzen, Begriffe wie „Wunder“ (miraculum) oder „wundersam/wunderbar“ (mirabiliter), welche einerseits das Unfassbare der Situation andeuten, andererseits vielleicht auch einen sakralen, biblischen Bezug herstellen sollen.[31] Nach dem Unwetter breitete sich sofort eine Krankheit über das kaiserliche Heer aus (Statimque infirmitas super imperatoris exercitum talis excrevit[32]) und der Autor betont an dieser Stelle, dass die Seuche die Truppen Barbarossas so schnell befiel – es waren sowohl equites (Ritter) als auch pedites (Fußsoldaten) und scutiferi (Schildträger/Knappen) betroffen – dass man sie kaum innerhalb eines ganzen Tages begraben konnte (vix per totam diem sepeliri poterant[33]). Die Krankheit muss nach der Beschreibung des anonymen Fortsetzers sehr schnell zum Tod geführt haben, denn er weist darauf hin, dass viele Menschen im Lager, anfangs noch gesund, schon bald per viam eundo vel parum iacendo der tödlichen Pest erlagen.[34]

Zu den Symptomen wird in diesem Text wenig gesagt, im Grunde bleibt es bei der Äußerung, es handele sich um eine mortalis pestilentia[35], eine tödliche Seuche. Lediglich in Verbindung mit der Leidensgeschichte des Acerbus Morena, der auch erkrankte, wird Fieber als Krankheitszeichen erwähnt (Iam dictus namque Acerbus cum apud Romam febricitari [sic!] cepisset […][36]). Es ist davon auszugehen, dass sich wegen der vielen unbestatteten Toten und einer Verschlechterung der hygienischen Verhältnisse, ein sehr starker Geruch im Lager ausgebreitet hatte.[37] Gottfried von Viterbo, der im nächsten Abschnitt behandelt werden soll, schildert in diesem Zusammenhang mehr.

2.1.2 Gottfried von Viterbo

Gottfried von Viterbo beschrieb in den Gesta Frederici die Taten des staufischen Kaisers in den Jahren 1155 bis 1180. Somit hielt er auch fest, was sich im Jahre 1167 vor Rom ereignete. Zur Beurteilung Gottfrieds von Viterbo ist Gerhard Baaken ins Feld zu führen, der in seinem Aufsatz über den Geschichtsschreiber hervorhebt, dass jener zwar behauptet, viele Reisen unternommen zu haben und unmittelbar am historischen Geschehen beteiligt gewesen zu sein, dies allerdings in „einem argen Missverhältnis zu Inhalt und literarischen Wert dessen“ stünde.[38] Trotz dieser Einschätzung verweist Baaken aber auch darauf, dass es doch problematisch wäre, Viterbo, der nachweislich am vierten Italienzug Barbarossas teilgenommen hat[39], als Verfasser von Unwahrheiten zu bezeichnen.[40] Gerade weil sich Peter Herde in seiner Studie über den Ausbruch der Seuche im August 1167 im Hinblick auf die Symptome mit Gottfried von Viterbo auseinandergesetzt hat und zu überzeugenden Ergebnissen gekommen ist, sollen die Beschreibungen Viterbos aus den Gesta Friderici nun erneut untersucht werden.

Einleitend gibt Gottfried von Viterbo Auskunft über die Sternkonstellation[41], mit der er auf den Aspekt des Fiebers (febre[42]) zu sprechen kommt und mit dem Tod/Sterben (mori[43]) in Verbindung bringt. Dieses Fieber erwähnt Gottfried sehr oft in seinem Text und beschreibt zudem, welche Schmerzen es verursacht haben musste (Febribus innumeris infligere sepe dolores[44]). Er schreibt, dass der Krieger, den die Stadt Rom noch gestern gefürchtet hätte, schon bald an der Seuche zugrunde gegangen wäre (Miles febre perit, quem metuebat [Roma] heri[45]) und betont damit die rasche Ausbreitung der Epidemie. Genauso wie Acerbus und Otto Morena (bzw. Fortsetzer) berichtet er von einem Unwetter, das ab australi (…) cum fulgure zona[46] in die Gegend des aufgeschlagenen Lagers gezogen sei. Ähnlich wie bei dem anonymen Fortsetzer des Morena-Berichts wird hier auf die plötzliche Veränderung der Wetterbedingungen verwiesen, denn spricht Viterbo zu Beginn dieser Passage noch von einer eigentümlichen Hitze (calore[47]), erwähnt er im folgenden sinkende Temperaturen (fugiente calore/veniente rigore[48]) und Regen (omnis homo madidus[49]). Hinsichtlich der Krankheitssymptome führt Viterbo neben dem mehrmalig erwähnten Fieber an, dass der Kopf, die Eingeweide und die Beine schmerzten: Et caput ex more, viscera, crura dolent.[50] Zentrales Element in Viterbos Beschreibung bildet der fetor, der Gestank, auf den in einem eigenen Vers näher eingegangen wird:

Fetor ab infirmis nimis intollerabilis exit;

Fetet equus, plus fetet homo, fetet quoque vestis,

fetet iter nimium, fetet ubique domus.

Cum fetoris honus non possent agmina ferre,

cedit [imperator] ad irrigua laudata cacumina terre;[51]

Nicht nur stank also, diesen Schilderungen zufolge, der Mensch, sondern auch Pferde (equus) und Kleidung (vestis), Wege und Innenräume eines Gebäudes (fetet ubique domus), was die Gefährten daran hindert sich wegzubewegen.[52] Der Kaiser, so heißt es im letzten Satz dieses Abschnitts, zog sich deshalb auf die Gipfel des Landes (cacumina terre[53]) zurück. Zu der starken Geruchsbelastung kam, nach Gottfried, noch ein weiterer die Katastrophe beschleunigender Faktor hinzu: das Fehlen von medizinischen Mitteln bzw. Ärzten, was in der Frage Qui poterunt medici solacia solvere plena?, wie also die Ärzte mit Hilfsmitteln ganz von der Krankheit befreien können, deutlich zum Ausdruck kommt. Jene, denen der Kaiser noch im Vorfeld den Auftrag gab Tragen zu bauen (feretra faciant[54]), antworteten u.a. mit der Frage wo die Ärzte seien (Quis dabit hiis medicos?[55]) und wer frisches Wasser bringen wird (omnia quis gelidus fons adaquare feret[56]).

2.1.3 Annales Colonienses und Annales Cameracenses

War es für die vorangegangenen Schriftquellen charakteristisch, dass sich ihre Autoren auf eine bestimmte Zeitspanne beschränkten, sollen nun Annalen untersucht werden, in denen die Ereignisse eines Jahres protokollarisch und deshalb weniger detailliert festgehalten wurden. Obwohl es dabei, wie schon erwähnt, um ein weniger tiefes Eindringen in die Materie geht, ist die Beschäftigung mit den zwei ausgewählten Jahrbüchern im Vergleich zu den übrigen Quellen aufschlussreich.

Vergleichsweise nüchtern wird in den Annales Maximi Colonienses von dem Ausbruch einer clades et pestilentia[57] (Krankheit und Seuche) gesprochen, was sich nach dem Vertragsabschluss Barbarossas mit den Römern ereignete (His ita prospere et laudabiter gestis[58]). Im Unterschied zu den bereits diskutierten Autoren wird hier kein Wort über die Hitze und das darauf folgende Unwetter verloren. Allerdings findet sich ein Verweis auf eine Bibelstelle (ut in Ezechiele legitur[59]), welche das einerseits schicksalhafte Moment hervorhebt, aber auch die Theorie einer göttlichen Strafe[60] erstmals in Betracht zieht. Ausdruck findet diese Idee im Text in den Formulierungen, welche beschreiben, dass die Epidemie a sanctuario incipiens, omnes pene sacerdotis ordinis dignitates deiecit[61], also sich von dem Heiligtum aus verbreitete und alle Männer von Rang und Würde des priesterlichen Ordens niederstreckte. Über die Symptome ist hier wenig zu lesen, lediglich findet sich die Äußerung, die Krankheit sei in den römischen Gebieten schon immer amica[62], vertraut oder wie es in der Übersetzung von Karl Platner zu finden ist „heimisch“[63], gewesen. Wie schon Herde bemerkt, zeichnet sich die Chronik durch eine detaillierte Aufzählung der „prominenten“ Opfer aus. So finden sich, ähnlich wie im Morena-Bericht, neben den häufiger genannten Großen Rainald von Dassel, Friedrich von Schwaben und Herzog Welf, auch die Namen des Bischof von Lüttich und Daniel von Prag.[64]

Die Annales Cameracenses erwähnen die meteorologischen Umstände betreffend, einen von den Bergen aufziehenden „schlimmen“ (tetra bzw. taetra) Nebel (a montibus ingens et tetra nebula advolans[65]), der das gesamte Tal bedeckte (omnem vallem occupans[66]). Ein Vorzeichen[67], das den Kaiser dazu veranlasste, seine Gefährten zum Aufbruch aufzufordern und zwar nicht ohne den Hinweis auf die bevorstehende Gefahr: Discedamus citius a loco isto, ne ab hostibus nostris occupemur dolo, neque nos inficiat praesens pestis atque corruptio[68]. Über die Krankheitssymptome der Seuche und mögliche, diese begünstigende Faktoren erfährt man wenig. Wichtig ist in diesem Zusammenhang allerdings, was über Rainald von Dassel gesagt wird. Er habe mit vielen anderen Gefährten, im Gegensatz zum Kaiser, in der Talsenke ausgeharrt und sei daher schneller gestorben.[69] Eine Ansteckungsgefahr lokalisiert der Autor damit im Tal, was sich schon dadurch erklären lässt, dass sich dort das Lager mit sehr vielen Menschen befand und die hygenischen Bedingungen miserabel gewesen sein müssen. Nachdem der Nebel abgezogen sei, hätte sich ein faetor intolerabilis[70], ein unerträglicher Gestank[71] über die Erde ausgebreitet. Dieser Gestank habe dann im Folgenden die „ausgelaugten“[72] Körper (ieiunantium omnium corpora[73]) mit Eiter infiziert. Ähnlich also, wie im Bericht des Gottfried von Viterbo, spielt hier die Ausbreitung eines unangenehmen Geruchs, eine bedeutende Rolle.

2.1.4 Kardinal Boso - Vita Alexandri III.

Bosos Vita Alexanders III. ist Teil der Liber Pontificalis, einer Abhandlung über Päpste, welche zeitlich im 9. Jahrhundert einsetzt und 1178 mit dem Einzug Alexanders III. in Rom endet.

Zeichneten sich (was vor allem unter Punkt 2.2 noch zu behandeln sein wird) die bereits vorgestellten Quellen auch dadurch aus, dass sie Kaiser Barbarossa wohlwollend gesonnen waren, soll nun ein Zeitgenosse mit anderer Einstellung gegenüber dem staufischen Herrscher ins Feld geführt werden. Wie schon im vorangegangenen Text erwähnt, führt Boso in seinem biographischen Werk über das Leben Alexanders III. ein bestimmtes Erklärungsschema an, das den Ausbruch der Epidemie begründen soll. Als Anhänger Alexanders bezieht er auch in den Schilderungen über die Katastrophe vor Rom klar für ihn Position, indem er die Seuche mit dem Zorn Gottes in Verbindung bringt, den Barbarossa durch die Zerstörung von Kirchen und mangelnde Gottesfurcht heraufbeschworen hätte (iratus est ei Dominus cum beato Petro cuius ecclesiam incendere, Dei timore postpositio[74]). Dies, so Boso, habe eine den Tod plötzlich auslösende Seuche verursacht (Inmisit enim tantam subitanee mortis pestilentiam in eius exercitum[75]), welche sämtliche ‘Großen’ und selbst Fürsten zu Tode kommen ließ (universi maiores ipsius principes […] morte subitanea corruerent et miserabiliter morerentur[76]). In diesem Zusammenhang betont der Autor, dass es sich bei den Opfern um Menschen handelte, die sich in Opposition zur Kirche also zu Alexander befanden (qui secum Ecclesie adversabantur[77]). Einen raschen Abzug des Kaisers erwähnt auch er, wobei dies erst in 2.2 näher zu untersuchen sein wird. Über Symptome und wetterbedingte Gründe sagt der Text nichts, doch ähnlich wie in zuvor behandelten Quellen werden einige Opfer namentlich aufgeführt.[78] Vor allem in Bezug auf die im Jahre 1167 noch vorherrschende Kirchenfrage ist der Text interessant, weil er die Ereignisse im August sehr stark an diese Thematik bindet.

2.1.5 Forschungsdiskussion und Zusammenfassung

Lange Zeit gab es in der Forschung einen Konsens darüber, dass es sich bei der Katastrophe vor Rom um eine, in manchen italienischen Gebieten durchaus häufig auftretende, Malaria gehandelt haben müsse.[79] Doch wird aus der knappen Untersuchung ausgewählter Quellen schnell klar, dass von zeitgenössischer Seite keine klare Benennung einer solchen Krankheit stattfindet. Lediglich in den Annales Maximi Colonienses wird erwähnt, dass es sich um etwas handelt, das typischerweise in Italien auftritt. Peter Herde hat versucht, die Krankheitszeichen der Epidemie anhand des Quellenmaterials neu zu bewerten. Dabei kommt er zu der Erkenntnis, dass man Malaria als Hauptursache des Massensterbens eigentlich ausschließen müsse. Die Gründe dafür lägen einesteils darin, dass einzelne Symptome, die in den Quellen beschrieben wurden, auf eine Malaria nicht zutreffen würden. Der, gerade bei Gottfried von Viterbo beschriebene, starke Gestank, der sich überall ausgebreitet hätte, sei für Malaria nicht typisch.[80] Herde geht daher von einem „multifaktoriellen epidemiologischen Vorgang“[81] aus, einer Kombination aus mehreren Krankheiten also, wie z.B. Malaria und bakterieller Ruhr. Die Gründe für den Ausbruch der Seuche hängen sicherlich mit den sich verändernden Wetterbedingungen (und einer Verschlechterung der hygienischen Verhältnisse) zusammen. Denn, abgesehen von der Kölner Königschronik und der Vita Alexandri, beziehen sich alle besprochenen Quellen auf meteorologische Umstände, die letztendlich Auslöser oder Vorboten der Epidemie gewesen seien. Insgesamt sind die angegebenen Ursachen, soweit sie im Text auftauchen, jedoch vielfältig und hängen auch von der Einstellung des Verfassers zum staufischen Herrscher ab. Die letzte Untersuchung des Quellenberichts von Kardinal Boso sollte dies deutlich gemacht haben, hebt der Bericht doch einen theologischen Aspekt hervor. In Anbetracht der zahlreichen, u.a. auch „prominenten“ Opfer, die in den Quellen Erwähnung finden, stellt sich die Frage nach Barbarossas Position. Sein politisches Vorgehen und sein Verhalten in den Augusttagen im Jahre 1167 soll Thema des nächsten Abschnitts sein, genauso wie die Konsequenzen, die sich aus den Ereignissen ergaben.

2.2 Das politische Verhalten Barbarossas und die Folgen der Katastrophe vor Rom

2.2.1 Acerbus und Otto Morena bzw. ihr anonymer Fortsetzer

Die Zahl der Opfer, welche an der Epidemie im Jahre 1167 zugrunde gingen, dürfte hoch gewesen sein[82] und unweigerlich die Position Kaiser Barbarossas in Italien zunächst geschwächt haben. Um die Auseinandersetzung mit der Katastrophe vor Rom noch zu vertiefen, bietet es sich daher an, anhand des Quellenmaterials, die Folgen des Massensterbens für den staufischen Kaiser zu untersuchen und sein Verhalten in dieser Zeit in Augenschein zu nehmen.

Dem Morena-Bericht zufolge, sah der Kaiser viele seiner Gefährten krank werden und schließlich sterben[83], so dass er beschloß, in Richtung Tuscien abzuwandern (ac versus Tusciam remeare cepit[84]). Auffällig ist, dass an dieser Stelle alle gesellschaftlichen Schichten, von den Fürsten (principes) bis zu den Schildknappen (scutiferos), aufgezählt werden. Damit wird hervorgehoben, dass die Krankheit, sämtliche sozialen Barrieren durchbrechend, nicht nur das Fußvolk ergriff, sondern eben auch höhergestellte Persönlichkeiten dahinraffte. Gleichzeitig drückt die Beschreibung die Gefahr aus, welche dem Kaiser aus seiner Beobachterposition heraus schnell bewusst geworden sein musste. Im Folgenden wird Barbarossas Versuch geschildert durch die Stadt Pontremoli zu ziehen, was ihm allerdings nicht gewährt wurde, so dass er auf ein „Küstengebiet“ (versus marinam partem[85]) ausweichen musste. Begleitet und unterstützt wird er bei seiner weiteren Reise von dem Markgrafen Obizo Malaspina, der in dieser Zeit eine wichtige Rolle für den Kaiser gespielt haben muss[86]. Zusammen mit ihm und anderen Markgrafen und Grafen - so wird es im Bericht Morenas beschrieben - verwüsteten sie Rosate, Abbiategrosso, Magenta und Corbetta, sowie viele Orte der Mailänder nahe bei Tessin.[87] Eine Schwächung der kaiserlichen Position wird im Text zwar dadurch angedeutet, dass die Zahl der Opfer genannt wird und die Spätfolgen für die Überlebenden beschrieben werden. Der weitere Bericht vermittelt jedoch den Eindruck, dass Barbarossas Kampfeswille bisweilen ungebremst gewesen war, wird doch von zahlreichen Plünderungszügen[88] gesprochen. Allerdings kehrte der staufische Herrscher letztendlich privatim[89], also heimlich, nach Deutschland zurück, so dass nur sehr wenige vertraute Lombarden davon wussten.[90] Eine unbemerkte Flucht also, die ahnen lässt, in welcher schwierigen Lage sich der Kaiser befunden haben muss. Diese Situation war eine direkte Folge der Katastrophe vor Rom.

2.2.2 Kardinal Boso – Vita Alexandri III.

Boso schildert in seiner Darstellung, dass sich Barbarossa, nachdem er sich mit den Römern geeinigt hatte am 6. August zurückzog (et VII idus augusti sine manifesta confusione recessit[91]). Dabei wird nichts Genaueres über die Einigung mit den Römern gesagt (cum Romanis utcumque composuit[92]), allerdings ist davon auszugehen, dass es sich dabei um den Anfang August geschlossenen Pakt mit dem römischen Senat handelte.[93] Nachweislich stellte Friedrich Barbarossa am 6. August auf dem Monte Mario noch eine Urkunde aus[94], weshalb eine Abreise kurz nach diesem Datum wahrscheinlich ist, wenn auch eine Rückdatierung dieses schriftlichen Dokuments nicht ausgeschlossen werden kann. Der Kaiser verließ in jedem Fall bald das Lager und damit viele Tote („einen Haufen an Toten“) wie es Boso berichtet (post se mortuorum stragem cum mestita relinquere cogebatur[95]). Als der staufische Herrscher dann in Schmerz und Trauer über die Gestorbenen und Geschwächten (cum luctu morientium et infirmorum gemitibus[96]) nach Luca kam, war der Pass über den Monte Bardone durch die Lombarden versperrt.[97] Letztendlich machte Barbarossa seinen Weg mit dem, auch im Morena-Bericht erwähnten, Malaspina, der ihn durch Talsenken und Berge führte, so dass er schließlich mit wenigen Gefährten Pavia erreichte (et tandem cum paucis pervenit Papiam[98]). Auch hier wird, die ungebrochene Kampfeslust andeutend, von Plünderung gesprochen, die es auf dem Weg nach Pavia seitens der staufischen Truppen gegeben hätte (non sine multa rerum suarum direptione[99]). Boso betont jedoch in seiner Beschreibung wiederholt, dass Kaiser Barbarossa und seinen Begleitern dieses Schicksal durch göttliche Macht widerfahren sei und den Ruhm zunichte gemacht hätte (et omnis gloria eorum fuerat ad nichilum ex iudicio divino redacta[100]). Gerade die Formulierung, welche Friedrich Barbarossas Rückkehr ausdrückt macht den gebrochenen Stolz deutlich, denn es wird hier der Begriff confusio verwendet, der mit „Schmach“ übersetzt werden kann.[101] Insgesamt war die Position des Kaisers also, dies deutet die Darstellung seiner Gefühlslage an[102], geschwächt. Die Ereignisse im August hatten ihn gezwungen sein sterbendes Heer zurückzulassen, sehr schnell den Rückzug anzutreten und den Großteil seiner Truppen ihrem Schicksal zu überlassen. Diese Entscheidung lässt vermuten, dass sich der staufische Herrscher in einer besonders schweren Notlage befunden haben musste. Boso schildert die Begebenheit - für einen Anhänger Alexanders nicht überraschend - als eine gerechte Strafe, welche die staufischen Truppen verbüßen müssen. Ihr Anführer (Barbarossa) sei, bedrängt von dem italienischen Städtebund, fast gänzlich auf die Hilfe von Malaspina angewiesen gewesen.

2.2.3 Annales Cameracenses und Annales Colonienses

In aller Kürze soll nun noch auf die Aussagen in den Jahrbüchern der Kölner Königschronik und der Chronik von Cambrai eingegangen werden. Während in den vorangegangenen Quellen immer wieder von einem schnellen Rückzug des Kaisers unter Zurücklassen vieler Gefährten die Rede war, beschreiben die Annales Cameracenses die Situation ein wenig anders. Demnach habe Barbarossa, die Gefahr der ausbrechenden Seuche erkennend, seine Fürsten rasch zum Aufbruch aufgefordert (Discedamus citius a loco isto[103]), sie also nicht unbehelligt ihrem Schicksal überlassen. An dieser Stelle ist die Charakterisierung des Kaisers interessant, denn dieser wird als unverdrossen (impiger[104]) beschrieben und als Heros (Held) bezeichnet. Zudem habe er schnell erkannt, dass man der Seuche nur entgehen kann, indem man sich vom Lager fernhielte und in die Berge zurückziehe. Obwohl die Umstände äußerst widrig sind, erscheint Barbarossa als gelassener Herrscher, der zielsicher einen Plan fasst und damit die Gefahr von sich abwendet. Aber in letzter Konsequenz musste Kaiser Friedrich I. dann dem Rat seiner Fürsten folgen und sich traurig aus den Gebieten seiner Feinde zurückziehen (tandem consilio principum suorum finibus hostium tristis egreditur[105]), um wieder wohlbehalten in der Heimat anzukommen (sospes in patriam suam reveritur[106]). Auf den kaiserlichen Rückzug an sich wird hier nicht näher eingegangen. In Bezug darauf findet sich bei der Kölner Königschronik mehr, denn der Text gibt eindeutig an, Barbarossa sei „heimlich“ und „gegen die kaiserliche Würde“ in das deutsche Reich zurückgekehrt.[107] Jeder hätte „fast wie auf der Flucht“[108] seine Rettung gesucht. Das Verhalten des staufischen Herrschers wird in den Annales Cameracenses beinahe heldenhaft dargestellt, in den Annales Colonienses findet sich keinerlei derartige Charakterisierung. Man beschränkt sich hier auf den ereignisgeschichtlichen Rahmen, allerdings nicht ohne den Hinweis, dass die Rückkehr Barbarossas nach Deutschland gar nicht der kaiserlichen Würde entsprach.

3. Zusammenfassung/ Ergebnisse

Das hier untersuchte Quellenmaterial kann lediglich einen kleinen Einblick in das Geschehen von 1167 verschaffen, wobei eine abschließende Beantwortung der aufgeworfenen Fragen wahrscheinlich ausbleiben muss. Die Symptome der Seuche sind bei den Autoren nicht unbedingt einheitlich beschrieben. Vom Fieber wird mehrfach gesprochen, auch der schlechte Geruch findet mehrmals Erwähnung, die detaillierteste Schilderung findet sich bei Gottfried von Viterbo, der auch Kopf- und Beinschmerzen angibt. Wie schon gezeigt wurde, weisen diese Krankheitszeichen nicht – obwohl lange in der Forschung davon ausgegangen wurde – auf eine Malaria hin. Auffällig oft wird in den Quellen von einem Unwetter gesprochen, das plötzlich hereinbricht und auf das sogleich der Ausbruch der Epidemie folgt. Dies könnte man auch mit der Annahme in Verbindung bringen, die Katastrophe vor Rom sei für das staufische Heer als göttliche Strafe anzusehen. Insgesamt gibt es sehr wohl Übereinstimmungen in den Beschreibungen, die bei der Krankheitsbestimmung zu glaubhaften Ergebnissen führen.

Aufgrund der uneinheitlichen Schilderungen in den Schriftzeugnissen fällt die Bewertung von Barbarossas Verhalten wesentlich schwerer. Dass der Kaiser das Lager nach dem Ausbruch der Seuche sehr schnell verließ, daran dürfte kein Zweifel bestehen, denn in dieser Sache berichten auch die Quellen auf einheitliche Weise. Allerdings charakterisieren die Autoren der Berichte den Kaiser teilweise unterschiedlich. Wird im Morena-Bericht noch nüchtern festgestellt, dass der Kaiser seine Gefährten sterben sah und daraufhin den Ort verließ, vermitteln die Annales Cameracenses einen sehr viel heldenhafteren Eindruck des Herrschers, er wird auch explizit als Held beschrieben. Im Morena-Bericht und auch bei Kardinal Boso bekommt der Leser eher das Gefühl, als habe Friedrich Barbarossa seine Truppen im Stich gelassen, nur um sich selbst zu retten. Genauso unklar sind die Ereignisse nach seinem Abzug aus der Gegend vor Rom. Mit einem dezimierten Heer zog der Kaiser wieder in den Norden Italiens und war sicherlich in seiner Position durch die Umstände geschwächt. Angesichts dessen ist es umso erstaunlicher, dass sowohl Boso als auch der Fortsetzer Morenas von Plünderungen und Beutezügen berichten, die in kleineren Orten stattgefunden haben sollen. Dies würde das Bild des ehrenhaften Barbarossas ein wenig relativieren und zugleich den ungebrochenen Kampfeswillen andeuten. In letzter Konsequenz musste Kaiser Friedrich jedoch, so stimmen fast alle untersuchten Berichte überein, heimlich und deshalb auf unwürdige Weise das südliche Reich verlassen. Sicherlich hängt die unterschiedliche Berichterstattung mit dem Standpunkt des jeweiligen Autors zusammen. Während Kardinal Boso, ein Anhänger Alexanders III., die Katastrophe als gerechte weil göttliche Strafe ansieht, sind die Annales Cameracenses dem staufischen Herrscher besser gesonnen. Trotz dieser unterschiedlichen Positionen in den zeitgenössischen Darstellungen war die Katastrophe vor Rom zweifellos der Wendepunkt des vierten Italienzuges.

4. Quellen- und Literaturverzeichnis

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WATTENBACH, Wilhelm (Hg.): Die Kölner Königchronik, Leipzig 1941.

 


[1] OPLL, Barbarossa in Bedrängnis, S. 194.

[2] Vgl. OPLL, Ytalica Expeditio, S. 95.

[3] OPLL, Ytalica Expeditio, S. 93.

[4] TÖPFER, S. 18.

[5] Vgl. OPLL, Ytalica Expeditio, S. 95.

[6] Ebd.

[7] Vgl. OPLL, Barbarossa, S. 62.

[8] TÖPFER, S. 21.

[9] Ebd.

[10] Nach Giesebrecht stellte der Thronwechsel weitere Unterstützung für Papst Alexander III. in Aussicht. Außerdem wollte Kaiser Manuel seine Macht in Italien ausbauen, indem er dem Nachfolger Wilhelms I. seine Tochter Maria anbot und Verhandlungen mit Alexander III. aufnahm. Das Ziel dieser Verhandlungen war ein Bündnis, das sowohl den Papst als auch den Kaiser stärker machen sollte. Siehe dazu: GIESEBRECHT, S. 410-411.

[11] OPLL, Barbarossa, S. 95.

[12] Diese Opposition formierte sich 1164 zu einem Bund der Städte Verona, Venedig, Vicenca und Padua, der so genannten Lega Veronese und 1167 dann schließlich in der Lega Lombarda, dem Lombardenbund.

[13] Nach Giesebrechts Schilderungen sollten sie den Weg nach Rom frei machen, damit Kaiser und Gegenpapst später ungehindert dorthin gelangen konnten. Vgl. GIESEBRECHT, S. 441.

[14] OPLL, Itinerar, S. 40.

[15] Nach Leonhard konnte Barbarossa Ancona nicht endgültig einnehmen, allerdings erklärten sich die Bewohner nach der Belagerungsphase bereit Geiseln zu stellen und Tribut zu zahlen. Siehe dazu: LEONHARD, S. 70-71.

[16] OPLL, Barbarossa, S. 97.

[17] Siehe dazu GIESEBRECHT, S. 449 und OPLL, Barbarossa, S. 97.

[18] Vgl. HERDE, S. 142. hier Fn 20: Boso, Vita Alexandri III., S. 417.

[19] Vgl. GIESEBRECHT, S. 451.

[20] Vgl. GIESEBRECHT, S. 452 sowie Lodeser Anonymus zu Otto und Acerbus Morena, S. 227.

[21] Vgl. Lodeser Anonymus zu Otto und Acerbus Morena, S. 227.

[22] Vgl. OPLL, Barbarossa, S. 97-98.

[23] KRIEG, S. 29.

[24] KRIEG, S. 30.

[25] Vgl. SCHMALE, S. 2f.

[26] Vgl. SCHMALE, S. 10f.

[27] Lodeser Anonymus, S. 228.

[28] Ebd.

[29] Lodeser Anonymus, S. 229.

[30] Lodeser Anonymus, S. 228.

[31] Betont wird der sakrale Bezug noch durch das Adjektiv „göttlich“ vor miraculo (divino miraculo).

[32] Lodeser Anonymus, S. 228.

[33] Ebd.

[34] Ebd.

[35] Ebd.

[36] Lodeser Anonymus, S. 230.

[37] Giesebrecht erwähnt in seinem Bericht einen „Leichengeruch, der von allen Seiten aufstieg“. Vgl. GIESEBRECHT, S. 456.

[38] Vgl. BAAKEN, S. 373.

[39] Hausmann bezieht sich in seiner Argumentation auf die Zeugenschaft Viterbos in der Urkunde für das Mainzer Domkapitel im März 1167 und im kaiserlichen Diplom vom 6. August für die Kirche San Bartolomeo all´Isola in Rom. Siehe HAUSMANN, S. 619.

[40] Baaken gibt an dieser Stelle nämlich zu bedenken, dass Viterbo noch zu Lebzeiten seine Texte an Könige und Päpste übersandte, was die Verbreitung von Lügen unwahrscheinlich macht. Vgl. BAAKEN, S. 374. Genauso HAUSMANN, S. 605.

[41] Vgl. Gesta Friderici, Vers. 625-626: Fervida stella poli canis est coniuncta leoni/ Ordine zodiaci connectens sidera soli.

[42] Gesta Friderici, Vers. 627.

[43] Ebd.

[44] Gesta Friderici, Vers. 629.

[45] Gesta Friderici, Vers. 633.

[46] Gesta Friderici, Vers. 641.

[47] Gesta Friderici, Vers. 627.

[48] Gesta Friderici, Vers. 643/ 644. Hier wird auf indirekte Weise von Regen gesprochen.

[49] Gesta Friderici, Vers. 643.

[50] Gesta Friderici, Vers. 645. Neben dem Quellenmaterial bezieht sich die Autorin in ihren Ausführungen über die geschilderten Krankheitszeichen bei Viterbo auch auf HERDE, S. 144f.

[51] Gesta Friderici, Vers. 670-674.

[52] Vgl. Gesta Friderici, Vers. 670-672.

[53] Gesta Friderici, Vers. 674.

[54] Gesta Friderici, Vers. 649.

[55] Gesta Friderici, Vers. 658.

[56] Gesta Friderici, Vers. 660.

[57] Annales Maximi Colonienses, S. 118.

[58] Ebd.

[59] Ebd.

[60] Mit dem Prinzip einer göttlichen Rache wird vor allem bei Boso argumentiert. Siehe 2.1.4.

[61] Annales Maximi Colonienses, S. 118.

[62] Ebd.

[63] WATTENBACH, S. 97.

[64] Vgl. Annales Maximi Colonienses, S. 118f.

[65] Annales Cameracenses, S. 539.

[66] Ebd.

[67] Annales Cameracenses, S. 539: Cernentes vero quidam sapientes quod fiebat, ad invicem proferebant.

[68] Annales Cameracenses, S. 540.

[69] Vgl. Annales Cameracenses, S. 540: Domnus Reinaldus archiepiscopus Coloniae in valle praedicta cum pluribus perstitit, inde citius periit.

[70] Annales Cameracenses, S. 540.

[71] An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Autorin das Wort faetor als foetor übersetzt, wobei sich diese Interpretation einerseits aus dem Sinnzusammenhang ergibt und zum anderen bei HERDE, S. 146 ebenfalls so übersetzt wird.

[72] HERDE, S. 146.

[73] Annales Cameracenses, S. 540.

[74] Boso, S. 417-418.

[75] Boso, S. 418.

[76] Ebd.

[77] Ebd.

[78] Vgl. Boso, S. 418: De quorum numero paucos famosiores duximus nominandos: Fredericum Bawarie ducem, H. comitem de Nasovo, Borchardum comitem de Halremont (…).

[79] Sowohl Opll als auch Georgi erwähnen die Malaria. Siehe OPLL, Barbarossa, S. 98, OPLL, Itinerar, S. 41 und GEORGI, S. 179.

[80] Vgl. HERDE, S. 154f. Herde zieht dabei alle drei Formen der Malaria in Betracht.

[81] HERDE, S. 159.

[82] Herde geht von 2000 Personen aus, die an der Krankheit oder an Spätfolgen gestorben sind. Siehe HERDE, S. 139. Er orientiert sich dabei an der Zahl, auf die der Morena-Bericht hinweist. Siehe Lodeser Anonymus, S. 230. Es wird darauf hingewiesen, dass in anderen Quellen andere Zahlen angegeben werden.

[83] Vgl. Lodeser Anonymus, S. 230: Imperator igitur cum suos principes, episcopos multos ac duces seu marchiones atque comites, capitaneos et scutiferos sic nimia strage corruere vidit.

[84] Ebd.

[85] Lodeser Anonymus, S. 232.

[86] Opll sieht in der Person des Malaspina die einzige Garantie für eine wohlbehaltene Rückkehr Barbarossas. Vgl. OPLL, Barbarossa, S. 98.

[87] Vgl. Lodeser Anonymus, S. 232: totum locum de Roxate et de Abiagrasso atque de Mazenta seu etiam de Corbeta aliaque etiam multa Mediolanensium loca prope Ticinum manentia devastavit.

[88] Barbarossa verwüstete dem Bericht zufolge nicht nur Gebiete in der Mailänder Gegend, sondern auch in den Gebieten um Piacenza und die Feste Mombrione. Vgl. Lodeser Anonymus, S. 232-234.

[89] Lodeser Anonymus, S. 234.

[90] Vgl. Lodeser Anonymus, S. 234: ita quod etiam nec ipsi Longobardi, qui cum eo fuerant, nisi forte paucissimi, sciverunt.

[91] Boso, S. 418.

[92] Ebd.

[93] Siehe DDF. I. 533. In diesem Vertrag leisteten die Römer einen Eid auf Friedrich Barbarossa, dieser sicherte ihnen im Gegenzug die Existenz des römischen Senats sowie eine Befreiung von Zollabgaben zu.

[94] Dabei handelt es sich um die Bestätigung Barbarossas, dass Kaiser Otto II. die Gebeine des heiligen Bartholomäus auf die Tiberinsel in Rom übertragen habe. Er bekräftigte der Bartholomäuskirche ihre Besitzungen. Siehe DDF. I. 534.

[95] Boso, S. 418.

[96] Ebd.

[97] Vgl. Boso, S. 418: pervenisset Lucam, vellet per stratam publicam et montem Burdonis transire, prohibitus est a Lombardis ne ipsorum terram ingredi attemptere.

[98] Boso, S. 418.

[99] Ebd.

[100] Ebd.

[101] Siehe dazu Boso, S. 418: Tunc idem F. divina se manu percussum fore intelligens (…) et VIII idus augusti non sine manifesta confusione recessit.

[102] Die Autorin verweist an dieser Stelle auf die Begriffe mestitia (eigentlich maestitia Traurigkeit/Niedergeschlagenheit) und luctu (Trauer), die bei Boso, S. 418 in Bezug auf Barbarossa gebraucht werden.

[103] Annales Cameracenses, S. 540.

[104] Ebd.

[105] Ebd.

[106] Ebd.

[107] Vgl. WATTENBACH, S. 99. Siehe dazu Annales Colonienses, S. 782: Imperator de Italia contra imperatoriam dignitatem occulte cum paucis rediit.

[108] WATTENBACH, S. 98. Siehe dazu Annales Colonienses, S. 782: et ad hoc ipsum quasi per fugam sibi quisque subvenit.


Charalambakis, Ioannis
Die militärischen Leistungen des Alkibiades im Spiegel der zeitgenössischen Quellen

0. Einleitung

Für die griechische Welt des fünften Jahrhunderts v. Chr. war der Peloponnesische Krieg eine bedeutende Zäsur, welche die 50jährige Friedensphase seit den Perserkriegen beendete und zum Ausbruch offener Feindseligkeiten zwischen den beiden Hegemonialmächten Athen und Sparta führte. Damit war der Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen diesen Poleis erreicht, eine Entwicklung, die sich schon über Jahre hinweg abgezeichnet hatte und letztlich einen Großteil der Mittelmeerstädte von Kleinasien bis Syrakus in die Kampfhandlungen verwickelte. Schon als sich Athen weigerte, das nach dem Ende der Perserkriege obsolet gewordene Bündnis griechischer Städte aufzulösen und stattdessen konsequent den Ausbau des Seebundes vorantrieb, war klar, daß Sparta diesem Machtzuwachs nicht auf ewig tatenlos zusehen konnte, obwohl es zunächst den Anschein machte als wären die Lakedaimonier aufgrund ihrer eher passiven Haltung und die Konzentration ihres Machtbereichs auf die Peloponnes an keiner endgültigen Entscheidung über die Vorherrschaft in Griechenland interessiert. Deshalb kam es trotz diverser Waffengänge, mit denen meist die Athener versuchten ihren Einfluß auszudehnen, bis 432 v. Chr. nicht zu dem erwarteten großen Krieg. Der in diesem Jahr erfolgte Angriff auf die korinthische Apoikie Potidaia sowie die Sperrung sämtlicher Häfen des Seebunds für Produkte aus Megara, überspannte den Bogen dann allerdings, so daß sich das attische Gemeinwesen unter der Führung des Perikles von da ab mit Sparta im Kriegszustand befand. Nach dessen Tod 429 führte Kleon sein Werk fort, der wiederum von Alkibiades als zentralen Vertreter der kriegsbefürwortenden Gruppierungen beerbt wurde. Dieser war es auch, der den 421 abgeschlossenen Nikiasfrieden ins Wanken brachte und daraufhin bis zum Ende des Peloponnesischen Krieges zur zentralen Persönlichkeit in der athenischen Politik avancierte.

Vor allem in der älteren Forschung wurden dabei die militärischen Leistungen des Alkibiades fast ausschließlich positiv bewertet und ihm selbst außergewöhnliche strategische Fähigkeiten zugesprochen. So bezeichnete ihn z.B. William Scott Ferguson als „(…) the most brilliant man of action of his generation (…)“[1], und Erich von Kahler sah in ihm „(…) a man who excelled in great battles“[2], während er für Victor Ehrenberg „(…) a military genius“[3] und für Hugh Parry „(…) the most capable commander (…)“[4] war. Auch Hermann Bengtson teilt in seiner grundlegenden Studie von 1979 diese Ansichten: „Wenn aber etwas sicher ist, so ist es die Tatsache, daß Alkibiades auf dem Feld der Strategie über eine besondere Begabung verfügte.“[5] Ebenso beinhalten die Werke von Malcolm Francis McGregor[6] und Walter M. Ellis[7] die zentrale These, daß Alkibiades ein großer militärischer Stratege gewesen sei. Die Liste moderner Autoren mit einer ähnlichen Einschätzung ließe sich beliebig weiterführen.[8] In Anbetracht der Quellenlage verwundert diese durchweg positive Beurteilung von Alkibiades’ militärischen Leistungen nicht. So urteilt sein wichtigster Biograph Plutarch zusammenfassend:

„Als Feldherr hat Marcius für die Stadt nichts geleistet, sondern für die Feinde gegen sein Vaterland, während von Alkibiades’ Diensten als Soldat sowohl wie als Feldherr die Athener oft großen Gewinn hatten.“[9]

Im gleichen Tenor schließt sich auch Cornelius Nepos an: „Denn zu Wasser und zu Lande erwies er sich als erstklassiger Feldherr.“[10] Selbst bei Historikern wie Diodor und Thukydides finden sich Zitate wie „(…) in generalship he was unsurpassed, and in daring he was most successful“[11] und „(…) publicly he managed the affairs of the war most excellently (…)“[12].

Trotz dieser überwältigend eindeutigen Quellen- und Literaturlage gab es, insbesondere in der neueren Forschung, Tendenzen zu einer gründlichen Revision des vorherrschenden Meinungsbildes. Hervorzuheben ist dabei Edmund F. Bloedow, der ,in einer Reihe von Publikationen, den Versuch unternommen hat die Quellen nochmals kritisch zu hinterfragen.[13] Sein Verdienst liegt darin, daß er sich bei der Bearbeitung der antiken Autoren nicht von den oben angeführten allgemeinen Urteilen leiten ließ, sondern sich auf die vergleichende Betrachtung der verschiedenen Schilderungen von Land- und Seeschlachten konzentrierte, in deren Verlauf die Verdienste des Alkibiades unterschiedlich dargestellt werden. Allerdings begeht Bloedow einen ähnlichen Fehler wie seine Vorgänger. Während jene Alkibiades’ Leistungen durchweg positiv bewerten, zeichnet er ein gänzlich negatives Bild. Dafür bewertet er die Quellen mit der unvorteilhaftesten Darstellung grundsätzlich als die glaubwürdigsten, was seine Argumentationslinie nicht unbedingt überzeugender macht, da somit die Perspektive oftmals von einem Autor zu nächsten wechselt.

In der vorliegenden Arbeit sollen deshalb die antiken Quellen erneut untersucht und die entsprechenden Stellen miteinander verglichen werden, um zu einem differenzierten Bild von den militärischen Leistungen des Alkibiades zu gelangen. Als Grundlage dienen zum einen die antiken Biographien von Plutarch und Cornelius Nepos, zum anderen die antiken Historiker Diodor und Thukydides, sowie dessen Nachfolger Xenophon für den Zeitraum ab dem Jahr 411 v. Chr. und in diesem Zusammenhang ab der Seeschlacht bei Abydos. Die verschiedenen Schlachten werden dabei einzeln abgehandelt, so daß der synoptischen Betrachtung der entsprechenden Darstellungen eine Bewertung der Rolle des Alkibiades folgt. Die Phasen des Untersuchungszeitraums sind wie folgt unterteilt: Die erste Phase beinhaltet ausschließlich die Jugendjahre mit den Kämpfen um Potidaia und Delion, gefolgt von der zweiten Phase, deren Anfang Mantineia bildet und mit der Rückberufung während der Sizilischen Expedition endet. Da der Aufenthalt in Sparta ausgeklammert wird, umfaßt die dritte Phase den Krieg im Hellespont, der sich über die Jahre 411 bis 408 erstreckt und schließt mit der Rückkehr des Alkibiades nach Athen. Nach den Ereignissen rund um den Festzug nach Eleusis, rundet die vierte Phase vom Aufbruch nach Andros 408 v. Chr. bis zum Überfall auf Kyme die Analyse ab. Die Arbeit soll mit einer Schlußbetrachtung enden, deren Ziel eine zusammenfassende Bewertung der militärischen Leistungen des Alkibiades sein wird.

1. Erste Kampferfahrungen

1.1 Potidaia (432)

Seine ersten militärischen Erfahrungen sammelte Alkibiades laut Plutarch in der Schlacht um Potidaia im Jahre 432 v. Chr., welche den Beginn des Peloponnesischen Krieges einläutete. Vor den Kampfhandlungen hatte Athen, aus Angst vor Unruhen unter den Verbündeten in Thrakien, vergeblich den offenen Bruch der Polis mit ihrer Mutterstadt Korinth gefordert, so daß gewaltsame Auseinandersetzungen schließlich unvermeidbar wurden.[14] Den Athenern gelang es daraufhin zwar die Schlacht zu gewinnen, doch die daran anschließende Belagerung gestaltete sich aufgrund des engagierten Widerstands der Bevölkerung als ein äußerst langwieriges Unterfangen.[15] Letztlich mußte Potidaia aber aufgeben, worauf die Stadt von attischen Bürgern neu kolonisiert wurde.[16] Sparta reagierte auf diese Vorkommnisse, indem die Volksversammlung einen Bruch des Friedensvertrages durch die Athener feststellte[17] und damit die Rechtfertigung für militärische Gegenmaßnahmen lieferte. Dies war der offizielle Beginn des Peloponnesischen Krieges.

Alkibiades’ Beitrag zu diesem historischen Ereignis war eher bescheiden. So berichtet Plutarch:

„Noch als ganz junger Mensch machte er den Feldzug gegen Potidaia mit und hatte dabei Sokrates zum Zeltgenossen und Nebenmann bei den Kämpfen. In einem heftigen Gefecht zeichneten sich beide aus, und als Alkibiades eine Wunde empfing, trat Sokrates vor ihn, verteidigte ihn und rettete ihm ganz offensichtlich das Leben und erhielt ihm seine Waffen.“[18]

Zu diesem Zeitpunkt war Alkibiades vermutlich um die 20 Jahre alt und wurde von seinem Freund und Mentor in höchster Not gerettet. Daß er sich trotzdem im Kampf auszeichnete kann durchaus der Wahrheit entsprechen, wenngleich der antike Autor natürlich bemüht war ein positives Bild von dessen Kampfeinsatz zu zeichnen.

1.2 Delion (424)

Für das Jahr 424 v. Chr. wird Alkibiades’ Beteiligung an der Schlacht bei Delion überliefert. Die Athener wollten sich in Boiotien festsetzen und hatten zu diesem Zweck den Tempel von Delion zu einer Befestigung ausgebaut,[19] als es wenige Tage danach zum Kampf mit einem boiotischen Aufgebot kam, welchen die Athener trotz zahlenmäßiger Überlegenheit, wegen ihrer schlechteren Vorbereitung, verloren.[20] Auch der befestigte Tempel ließ sich nicht mehr halten,[21] worauf sich die attische Streitmacht in die Heimat zurückzog. Bei dieser Gelegenheit konnte sich Alkibiades für seine Rettung durch Sokrates revanchieren:

„Als dann die Schlacht bei Delion geschlagen war und die Athener flohen, ritt Alkibiades, der zu Pferde war, während Sokrates sich mit wenigen anderen zu Fuß zurückzog, nicht vorüber, als er ihn sah, sondern geleitete und schützte ihn gegen die Feinde, die andrängten und viele niedermachten.“[22]

Insgesamt ist diesen beiden Schlachtenberichten nichts Essentielles über dessen militärische Leistungen zu entnehmen, da er hier lediglich als einfacher Soldat und nicht als Heerführer teilnahm. Für die jeweilige Konzeption und Durchführung dieser Unternehmungen waren andere verantwortlich.

2. Politische Entscheidungen

2.1 Mantineia (418)

Nach dem Nikiasfrieden von 421 avancierte Alkibiades zu einem der Hauptakteure auf der politischen Bühne. Die Schlacht von Mantineia 418 v. Chr. resultierte direkt aus seinem vorher konstruierten Bündnissystem, welches zwangsläufig zu einer militärischen Auseinandersetzung führen mußte. Bereits 420 war Argos an Athen mit der Bitte um eine Allianz herangetreten, die unter der Führung des Alkibiades abgeschlossen und um die Städte Elis und Mantineia erweitert wurde.[23] Mit dieser Maßnahme sollte Sparta, das ohnehin mit seinen eigenen Verbündeten zu kämpfen hatte, auf der Peloponnes isoliert werden. Schon im Jahr darauf trat der aggressive Charakter der Allianz deutlich zutage, als man sich zu einem Eroberungszug auf der Halbinsel entschied. Beim Angriff auf Tegea wurde die Streitmacht von den Spartanern bei Mantineia abgefangen, und es kam zur Entscheidungsschlacht.[24] Nach heftigen Gefechten wurden die Athener und ihre Verbündeten in die Flucht geschlagen, womit auch das Ende der Allianz besiegelt war.[25] Argos und Mantineia wandten sich aufgrund der Niederlage von Athen ab und beschlossen neue Freundschaftsverträge mit Sparta.[26]

Über den Verbleib des Alkibiades während der Kampfhandlungen liefert Diodor Auskunft, indem er berichtet, wie dieser als Privatmann das Heer bis nach Argos begleitet habe und dort zurückgeblieben war.[27] Offensichtlich war er für das Jahr 418 nicht in das Strategenamt gewählt worden. Dementsprechend enthalten die Schriften der antiken Historiker in diesem Zusammenhang keine weiteren Hinweise auf dessen Person. Im Gegensatz dazu vermittelt die Formulierung im biographischen Werk Plutarchs den Eindruck, Alkibiades sei als Heerführer vor Ort gewesen.[28] Auch in seiner Einschätzung der Folgen zeigen sich deutliche Abweichungen von den Historikern, welche vor allem die negativen Folgen, insbesondere die Abkehr der ehemaligen Alliierten von Athen, hervorheben. Plutarch hingegen lobt den Plan des Alkibiades:

„Die Art und Weise, wie er das zustande gebracht hatte, lobte zwar niemand, doch war das von ihm Geschaffte ein Meisterstück: fast die ganze Peloponnes zu veruneinigen und zu erschüttern, so viele Schilde an einem Tage bei Mantineia den Lakedaimoniern entgegenzustellen und weit weg von Athen sie in einen gefahrvollen Kampf zu verwickeln, in dem der Sieg ihnen keinen nennenswerten Gewinn einbringen konnte eine Niederlage aber Lakedaimon nicht leicht hätte überstehen können.“[29]

An dieser Stelle zeigt sich deutlich, wie die Einschätzung eines antiken Schriftstellers die moderne Forschung direkt beeinflußt hat. Das Argument vom moralisch verwerflichen Handeln, welches dennoch zu großen strategischen Erfolgen geführt hat wurde häufig übernommen und trug damit zum Mythos vom herausragenden Feldherrn bei. In Hinblick auf Mantineia muß dieses Bild allerdings gründlich revidiert werden. Zwar ist es Alkibiades wohl gelungen Sparta in einen gefährlichen Kampf zu verwickeln, der bei einer Niederlage die Vorherrschaft der Polis über die Peloponnes hätte erschüttern können, doch war, entgegen den Vorstellungen Plutarchs, der Einsatz für die Athener ebenfalls sehr hoch. Die weitreichenden Folgen wurden weithin unterschätzt, denn anstatt der geplanten Isolation Spartas sah sich nun Athen in dieser Situation, da die verbündeten Städte sich nach der Niederlage neu orientiert hatten. Im Endeffekt hat die Unternehmung sogar zur Konsolidierung der spartanischen Position geführt. Von einer Schwächung der feindlichen Polis kann indessen keine Rede sein.

Offensichtlich hat Alkibiades die Gefahren dieses Kriegszugs unterschätzt und die Gesamtlage falsch beurteilt. Gleichzeitig sollte man ihm zugute halten, daß er auf den Ausgang der Schlacht keinen Einfluß nehmen konnte, weil er nicht als Feldherr vor Ort war und ebenso ein berechtigter Grund zur Annahme einer etwas zurückhaltenden Kampfweise des athenischen Korps besteht, da die anwesenden Befehlshaber, unter dem Einfluß des Nikias, keinen offenen Bruch mit Sparta – schließlich herrschte Frieden – herbeiführen wollten. Es stellt sich allerdings die Frage, warum Alkibiades, nachdem er 419 v. Chr. bereits Stratege war, seine Wiederwahl nicht bewerkstelligen konnte. Vermutlich hat sein unsteter Lebenswandel dazu geführt, daß ihm die Athener das Vertrauen entzogen haben. Hier offenbart sich ein Schwachpunkt seiner Persönlichkeit, denn ein Politiker, der seinen Feinden soviel Angriffsfläche lieferte wie er, mußte damit rechnen in entscheidenden Situationen keinen Rückhalt bei den Massen finden zu können.

2.2 Sizilische Expedition (415)

Die Sizilische Expedition stellt eines der zentralen Ereignisse des gesamten Peloponnesischen Krieges dar, wobei die Katastrophe der Athener eine herausragende Rolle auf dem Weg in die endgültige Niederlage spielte. Nach der verlorenen Schlacht bei Mantineia war ein heißer Kampf um die Vorherrschaft auf der politischen Bühne der attischen Polis entbrannt, aus dem Nikias und Alkibiades als Sieger hervorgingen. Im Jahre 415 ergab sich die Gelegenheit, auf ein Hilfsgesuch der verbündeten Stadt Egesta hin, ein Militärkommando nach Sizilien zu entsenden. Die verschiedenen Optionen über den Umfang dieses Unternehmens wurden in der Volksversammlung ausführlich diskutiert, wobei die Athener letztlich dem Antrag des Alkibiades folgten, der eine Eroberung der kompletten Insel in Aussicht gestellt hatte.[30] Zusammen mit Nikias und Lamachos wurde er als verantwortlicher Feldherr ausgewählt.

Nachdem die Flotte in Unteritalien angekommen war, bestand seine erste Amtshandlung darin mit seinen Kollegen einen Kriegsplan zu beschließen, der die Grundzüge der Strategie vorgeben sollte. Nikias vertrat dabei die Idee eines möglichst begrenzten Einsatzes, der lediglich eine Unterstützung Egestas gegen Selinus beinhalten sollte, um eine baldige Heimkehr der Truppen zu gewährleisten.[31] Diesen Vorstellungen widersprach Alkibiades vehement, da er grundsätzlich an einer Invasion und der Unterwerfung der Insel als Ganzes festhielt, so daß er folgende Strategie vorschlug:

„(…) but urged rather that they send heralds to the other cities, except Selinus and Syracuse, and try to detach some of the Sicels from the Syracusans, and to make friends others, in order that these might furnish grain and troops, but first of all that they try to persuade the Messenians; for their city, he urged, was most conveniently situated on a line of traffic and at the approach to Sicily and would be a harbour and a most suitable watch-station for the armament.“[32]

Auch Lamachos hatte eine vollständige Eroberung im Auge, als er sich für einen sofortigen Angriff auf die Stadt Syrakus stark machte, da die Athener so das Moment der Überraschung auf ihrer Seite hätten und der ohnehin schlecht vorbereiteten Polis keine Zeit zu weiteren Mobilmachungen bliebe.[33] Alle drei Strategien waren durchdacht und beruhten auf der konsequenten Berücksichtigung der Prämissen ihrer jeweiligen Erfinder. Letztlich wurde dann der Plan des Alkibiades angenommen, welcher durch die Unterstützung des Lamachos über Nikias triumphieren konnte.[34] Die darauf folgenden Verhandlungen mit den sizilischen Städten waren unterschiedlich erfolgreich. So berichtet Thukydides über das für Athen aufgrund seiner strategischen Lage besonders wichtige Messene:

„After this Alcibiades sailed in his own ship over to Messene and made proposals to the Messenians for an alliance; but as they could not be persuaded, answering that they would not recieve him within the city, but would furnish a market outside, he sailed back to Rhegium.“[35]

Dagegen waren die Nachrichten aus Katane erfolgversprechender: „(…) the others voted alliance with the Athenians and bade them bring the rest of their army from Rhegium.“[36] Zu weiteren diplomatischen Annäherungsversuchen durch Alkibiades kam es danach allerdings nicht mehr, da er wegen eines schwebenden Gerichtsverfahrens in die Heimat zurückbeordert wurde.[37]

Eine abschließende Beurteilung der Strategie für das Sizilische Unternehmen ist aufgrund der frühen Abberufung ihres Architekten nicht möglich. Einige Überlegungen zu den potentiellen Erfolgsaussichten seien an dieser Stelle trotzdem angemerkt. Eine recht konkrete Meinung dazu hatte bereits Cornelius Nepos:

„Und obwohl der große Aussichten hatte, seine militärischen Aufgaben erfolgreich durchzuführen, war er zu unbedingtem Gehorsam entschlossen und bestieg den Dreiruderer, den man geschickt hatte, ihn zu holen.“[38]

Mit dem Gehorsam war es, wie seine kurze Zeit später erfolgte Flucht beweist, nicht besonders weit her, wesentlich überraschender ist aber die positive Bewertung der Kriegführung. Schließlich hatte Messene, eigentlich als Dreh- und Angelpunkt der gesamten Expedition konzipiert, seine Hilfe verweigert, ein Rückschlag, der auch durch die Zusage Katanes nicht wettgemacht werden konnte. Damit trat auch der wesentliche Schwachpunkt der gesamten Strategie zutage, denn es wurde schnell klar, daß die Verhandlungen mit den verschiedenen Städten große Investitionen von Zeit und Ressourcen nach sich ziehen würden. Ob der Plan Lamachos’, der einen sofortigen Angriff auf Syrakus vorsah, besser gewesen wäre, ist fraglich, da er zwar möglicherweise zu einem kurzfristigen Erfolg geführt hätte, aber daß Athen die Herrschaft über die Insel ohne die Unterstützung anderer Städte hätte aufrecht erhalten können erscheint eher unrealistisch. Insofern muß man Alkibiades’ Ansatz sicherlich positiv beurteilen. In der Ausführung hingegen stolperte der Feldherr wieder einmal über seinen eigenen Lebenswandel, der zur Anklage wegen Religionsfrevels geführt hatte und ihn somit an der Leitung seines Vorhabens hinderte.

3. Kämpfe im Hellespont

3.1 Abydos (411)

Trotz der hohen Verluste während der Sizilischen Expedition war es den Athenern in den darauffolgenden Jahren gelungen, ihre Flotte wieder aufzubauen und ein Kontingent in den Hellespont zu entsenden, um dort die vom Seebund abgefallenen Städte erneut zu integrieren und vor allem die Getreideversorgung der Stadt aus dem Schwarzen Meer zu sichern. Eine ganze Reihe von See- und Landschlachten fand in dieser relativ begrenzten Region der Ägäis statt, an deren Verlauf auch Alkibiades einen wesentlichen Anteil hatte. Zunächst allerdings rangen die Athener vor Abydos ohne seine Unterstützung mit den Spartanern, wobei der Kampf trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit der attischen Schiffe, vermutlich wegen deren größerer seemännischer Erfahrung, lange Zeit ausgeglichen war.[39] Im Zusammenhang mit der Ankunft des Alkibiades ergeben sich erste Differenzen in den Quellen. So berichtet Plutarch, daß die Fahrt geplant war:

„Als er aber dort [in Samos] erfuhr, daß der Spartaner Mindaros mit seiner ganzen Flotte nach dem Hellespont unterwegs sei und die Athener im folgten, eilte er, den Feldherren zu Hilfe zu kommen (…).“[40]

In Xenophons kurzer Schilderung werden die näheren Umstände nicht weiter erläutert,[41] aber Diodor betont ausdrücklich, daß es sich hierbei um reinen Zufall handelte: „(…) but later on Alcibiades unexpectedly appeared from Samos with twenty ships, sailing by mere chance to the Hellespont.“[42] Auch über die Beteiligung am Kampfgeschehen sind sich die Quellen uneins. So steht nach Plutarch Alkibiades im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen:

„Schnell ließ er jetzt auf seinem Admiralschiff das Zeichen hissen, durch das er sich als Freund zu erkennen gab, und stürzte sich sofort auf die siegreich verfolgenden peloponnesischen Schiffe, schlug sie in die Flucht, drängte sie zum Land, blieb ihnen dicht auf, rammte und beschädigte sie schwer, während die Bemannung sich schwimmend zu retten suchte und Pharnabazos am Lande zu Hilfe kam und längs des Strandes um die Schiffe kämpfte.“[43]

Laut Diodor hingegen, konnte er gar nicht erst aktiv eingreifen, da die Spartaner sofort flohen:

„ (…) but when the fleet was now near and for the Lacedaemonians no signal was to be seen, but for the Athenians Alcibiades ran up a purple flag from his own ship, which was the signal they had agreed upon, the Lacedaemonians in dismay turned in flight and the Athenians, elated by the advantage they now possessed, pressed eagerly upon the ships trying to escape.“[44]

Hierin stimmt auch Xenophon überein: „Von da an gab es nur noch die Flucht der Peloponnesier in Richtung auf Abydos.“[45]

Bei der Beurteilung dieser Seeschlacht muß leider offen bleiben, ob Alkibiades tatsächlich geplant hatte, den anderen Feldherren zu Hilfe zu kommen, oder ob es sich um einen Zufall handelte, da uns keine weiteren Anhaltspunkte außer den beiden gegensätzlichen Quellenstellen zur Verfügung stehen. Anders verhält es sich bei der Frage nach der Beteiligung am Schlachtgeschehen, wobei davon auszugehen ist, daß Alkibiades keinen aktiven Anteil am Kampf hatte. Neben den beiden antiken Historikern Diodor und Xenophon, die eine solche Einschätzung stützen, spricht auch der Grundzug der spartanischen Strategie, keine Seekämpfe ohne zahlenmäßige Überlegenheit auszufechten dafür. Wie sich vor Notion 407 v. Chr. und bei Aigospotamoi 405 noch zeigen sollte, vermieden es die Lakedaimonier, im Bewußtsein um die technische Überlegenheit athenischer Seeleute, grundsätzlich in Unterzahl anzutreten. Es erscheint nur logisch, daß sie sich sofort zurückzogen, als die zuvor noch unterlegenen attischen Trieren durch das neue Kontingent verstärkt wurden und damit ein deutliches Übergewicht gewannen. Insgesamt bestand also Alkibiades’ Verdienst allein darin, zum rechten Zeitpunkt am richtigen Ort aufgetaucht zu sein.

3.2 Kyzikos (410)

Nach dieser Niederlage segelten die peloponnesischen Schiffe nach Kyzikos, worauf ihnen die vereinigte und militärisch überlegene athenische Flotte folgte, um eine Entscheidungsschlacht herbeizuführen.[46] Da die Spartaner entsprechend ihrer bereits erläuterten Seestrategie keinesfalls auf solch einen unvorteilhaften Kampf eingehen würden, mußten die Athener auf eine Kriegslist zurückgreifen, welche die Gegner in die Schlacht locken sollte. In den antiken Quellen werden die damit zusammenhängenden Vorgänge unterschiedlich dargestellt. So sieht Plutarch Alkibiades als Initiator:

„Da Alkibiades nun fürchtete, daß sie, wenn sie rechtzeitig ihre Stärke bemerkten, ans Land flüchten würden, befahl er den anderen Feldherren, die Fahrt zu verhalten und zurückzubleiben, zeigte sich mit nur vierzig Schiffen und forderte die Feinde heraus.“[47]

Auch Xenophon folgt dieser Einschätzung, wenngleich er das Manöver anders schildert:

„Am Tage zuvor, als sie vor Anker gingen, hatte er sämtliche Fahrzeuge, auch die kleinen, um sich herum gruppiert, damit keiner den Feinden die Zahl der Schiffe angeben könne, und hatte zudem verkünden lassen, wer auf der Überfahrt ans jenseitige Ufer ertappt würde sei der Todesstrafe verfallen.“[48]

Von der in beiden Berichten wesentlichen, zentralen Rolle des Alkibiades weicht lediglich Diodor in seinem sehr detaillierten Schlachtenbericht ab:

„As for the generals themselves, they divided the naval force into three squadrons, Alcibiades commanding one, Theramenes another, and Thrasybulus the third. Now Alcibiades with his own squadron advanced far ahead of the others, wishing to draw the Lacedaemonians out to a battle, whereas Theramenes and Thrasybulus planned the manoeuvre of encircling the enemy and, if they sailed out, of blocking their retreat.“[49]

Die Spartaner ließen sich täuschen und griffen das als Lockvogel konzipierte, kleinere athenische Kontingent an, welches zunächst eine Flucht vortäuschte, um dann, als die restliche Flotte den Rückweg der Lakedaimonier abgeschnitten hatte, zu wenden und ebenfalls eine Attacke zu beginnen. In dieser prekären Situation entschied der spartanische Feldherr Mindaros, den Kampf nicht weiter auf dem Meer zu führen, sondern an Land zu gehen und dort, mit der Unterstützung persischer Truppen des Satrapen Pharnabazos, eine endgültige Entscheidung zu suchen.[50] Den übereinstimmenden Berichten der Quellen nach, zeichnete sich Alkibiades, nachdem er den Spartanern sofort an Land gefolgt war, durch besonderen Einsatz in den Kämpfen aus, die letztlich zum Tode Mindaros’ und der vollständigen Niederlage der peloponnesischen Streitmacht führten.[51] Plutarchs Bericht hierzu ist sehr stark auf die Leistungen einer Einzelperson fokussiert:

„Doch Alkibiades brach mit den zwanzig besten seiner Schiffe durch, fuhr an Land, ließ aussteigen, fiel über die aus den Schiffen flüchtenden Feinde her und tötete viele. Auch Mindaros und Pharnabazos, die Hilfe bringen wollten, schlug er und tötete Mindaros, der sich tapfer wehrte, während Pharnabazos entfloh.“[52]

Xenophon hingegen weiß nichts von der Tötung des Mindaros durch den athenischen Feldherrn: „Alkibiades war mit zwanzig von den Schiffen herumgefahren und stieg an Land. Als das Mindaros sah, stieg auch er an Land und fand dort im Kampf den Tod.“[53] Die sehr ausführliche Schilderung Diodors liefert einige zusätzliche Details. Demnach waren auch die beiden anderen athenischen Heerführer in die Landkämpfe verwickelt, so daß sie sich gegenseitig unterstützen konnten: „Now that the Peloponnesians had been defeated, the troops of Theramenes rushed to give aid to the soldiers who had been fighting under Alcibiades.“[54] Auch die für den Tod des spartanischen Feldherrn Verantwortlichen werden genannt: „(…) in the end he was killed by the troops of Alcibiades as he battled nobly for his fatherland.“[55]

Für die Spartaner bedeutete diese Niederlage das vorläufige Ende ihres Engagements im Hellespont. Anhand einer von Plutarch überlieferten Nachricht an die Ephoren in Sparta läßt sich die Situation besonders anschaulich verdeutlichen: „‚Hin sind die Kähne. Mindaros ist tot. Wir wissen nicht, was tun.‘“[56] Die Athener hingegen machten reichlich Beute, die sie für den Aufbau weiterer Truppen verwenden konnten und übernahmen die Kontrolle über die wichtigen Seeverbindungen ins Schwarze Meer, wodurch die Versorgung Athens mit dem lebensnotwendigen Getreide wieder gesichert war.[57] Wie schon in der Schlacht bei Abydos muß die Rolle des Alkibiades, vor allem aufgrund Diodors Bericht relativiert werden. Obwohl er hier einen großen Anteil am Erfolg des attischen Unternehmens hatte, war er sicherlich nicht alleine dafür verantwortlich. Der einseitige Bericht Plutarchs kann einer Überprüfung durch entgegenstehende Quellenaussagen nicht standhalten.

3.3 Kalchedon (410)

Die Athener nutzten die Gelegenheit, die sich ihnen durch die Abwesenheit der Spartaner ergab, um ehemals dem Seebund zugehörige, abgefallene Städte wieder zurückzugewinnen. Dabei kamen sie zunächst zu dem am Ostufer des Bosporus, gegenüber Byzantion gelegenen Kalchedon. Wie Plutarch berichtet, hatte die Polis nach ihrem Abfall eine peloponnesische Besatzung unter der Leitung des Harmosten Hippokrates aufgenommen.[58] Während Theramenes sofort nach seiner Ankunft mit der Belagerung begann,[59] begab sich Alkibiades zuerst nach Bithynien, wohin die Kalchedonier in Erwartung der feindlichen Streitmacht ihre Wertgegenstände in Sicherheit gebracht hatten und erreichte unter Gewaltandrohung deren Herausgabe.[60] Kurz nach seiner Rückkehr entbrannte eine Schlacht, in der die Athener gegen zwei Fronten zu kämpfen hatten, da von der einen Seite Pharnabazos versuchte die belagerte Stadt zu entsetzen, von der anderen die Spartaner unter der Führung ihres Befehlshabers einen Ausfall unternahmen.[61] Der Einsatz des Alkibiades führte schließlich zur Entscheidung: „Aber Alkibiades machte gleichzeitig gegen beide Front, zwang Pharnabazos zu schimpflicher Flucht und schlug und vernichtete Hippokrates und viele seiner Leute.“[62] Diodor bestätigt dies:

„A fierce battle ensued, and since the troops of Alcibiades fought stoutly, not only Hippocrates fell but of the rest of the soldiers some were slain, and the others, disabled by wounds, took refuge in a body in the city.“[63]

Ebenso äußert sich Xenophon:

„Hippokrates nun und Thrasyllos kämpften, jeder mit seinen Hopliten, eine lange Zeit, bis schließlich Alkibiades mit einer Anzahl Hopliten und der Reiterei zur Unterstützung kam. Hippokrates fiel, seine Leute flüchteten in die Stadt.“[64]

Damit verabschiedete sich Alkibiades vom Geschehen rund um Kalchedon, denn wie die Quellen übereinstimmend berichten, unternahm er eine Fahrt in den Hellespont, um neue Geldquellen zu erschließen.[65] Die Eroberung der Stadt mußten letztlich seine beiden Amtskollegen bewerkstelligen, was ihnen in Form eines neuen Vertrags auch gelang. Über dessen genauen Wortlaut sind sich die Quellen allerdings uneins. Bei Plutarch lautet die entsprechende Stelle wie folgt:

„Inzwischen hatten die Feldherren, die Chalkedon belagerten, mit Pharnabazos einen Waffenstillstand geschlossen mit der Bedingung, sie sollten Geld erhalten und die Chalkedonier wieder den Athenern untertan sein; diese sollten dem Land des Pharnabazos weiter keinen Schaden antun, und Pharnabazos sollte Gesandten der Athener sicheres Geleit zum König gewährleisten.“[66]

Etwas Ähnliches berichtet Xenophon:

„Die übrigen Feldherren trafen mit Pharnabazos eine Übereinkunft, das Pharnabazos für Kalchedon den Athenern zwanzig Talente zahlen und Gesandte der Athener vor den Großkönig führen solle; (…) die Kalchedonier sollten den Athenern den Tribut in der Höhe entrichten, wie es früher üblich war, und die schuldig gebliebenen Gelder noch abliefern, die Athener wiederum sollten gegen die Kalchedonier solange nicht Krieg führen, bis die Gesandten vom Großkönig zurückkämen.“[67]

Wesentlich kürzer fällt dagegen die Schilderung Diodors aus: „(…) and Theramenes concluded an agreement with the Chalcedonians whereby the Athenians received from them as much tribute as before.“[68]

Insgesamt war es den Athenern demnach gelungen die Polis wieder in den Seebund zu integrieren, wobei dies sicherlich von Pharnabazos’ Zustimmung abhängig gewesen war, da seine Macht, insbesondere an der kleinasiatischen Küste, trotz der attischen Erfolge immer noch die Tagespolitik mitbestimmte. Obwohl Alkibiades durch den Sieg in der Landschlacht den Grundstein für den Erfolg gelegt hatte, geht dieser letztlich doch auf das Konto der anderen Strategen. Denn die Belagerung mußte von ihnen durchgeführt werden, da ihr Mitstreiter bereits zu weiteren Unternehmungen aufgebrochen war. Offensichtlich gelang es durch Verhandlungsgeschick die Gegner zur Kapitulation zu veranlassen und so eine langwierige Zermürbung der Stadt zu vermeiden, welche einen großen Teil der athenischen Streitmacht gebunden hätte und dabei im Ausgang trotzdem noch ungewiß gewesen wäre. Insofern ist auch hier Alkibiades’ Anteil am Erfolg, im Vergleich zu den anderen Feldherren, nicht höher, sondern maximal gleichwertig einzuordnen. Dabei darf die Bedeutung Kalchedons nicht unterschätzt werden, da sich das Gemeinwesen zum einen an einem strategisch wichtigen Punkt, dem Engpaß zum Schwarzen Meer und damit zum attischen Getreidezentrum, befand, und zum anderen die neuerliche Zahlung von Tributen eine Erleichterung für die schwer belastete Kriegskasse darstellte.

3.4 Selymbria (410)

Den antiken Quellen nach kam Alkibiades während seines Ausflugs in den Hellespont zur Stadt Selymbria, die er auch einnahm. Xenophon und Diodor beschränken sich auf nur wenige Informationen, wobei letzterer sogar Unklarkeiten über die zeitliche Reihenfolge hinterläßt, da er das Unternehmen nach dem Ende der Kampfhandlungen um Kalchedon und der letztlich getroffenen Vereinbarung ansetzt, während Xenophon davon ausgeht, daß es schon nach der Landschlacht stattfand und die anderen Feldherren in Alkibiades’ Abwesenheit die bereits oben besprochene Vereinbarung mit den Kalchedoniern getroffen hätten.[69] Plutarch hingegen, der dem zeitlichen Ablauf Xenophons folgt, berichtet über die Begebenheit wesentlich ausführlicher. Demnach sollte die Stadt von Verrätern übergeben werden: „Denn diejenigen, die ihm die Stadt in die Hände spielen wollten, hatten mit ihm vereinbart, daß sie ihm um Mitternacht ein Feuerzeichen geben wollten (…).“[70] Auch Diodor geht von Verrat aus:

„(…) then, setting forth with his entire force, he first took Selybria by betrayal, in which, after exacting from it much money, he left a garrison, and then himself came speedily to Theramenes at Byzantium.“[71]

Plutarch zufolge verlief die Übergabe aber alles andere als harmonisch, da die Selymbrianer auf die Ankunft der Athener vorbereitet waren und sich schon zum Kampf gerüstet hatten. Angeblich konnte Alkibiades die Situation retten, indem er seinem Heer untersagte die Waffen gegen die Bewohner zu richten. Diese wiederum, wohl im Bewußtsein der geballten attischen Streitmacht unterlegen zu sein, nutzten die Gelegenheit zu Verhandlungen und erreichten eine Übereinkunft, nach der ihnen zwar eine Kontribution sowie eine Besatzung auferlegt wurde, sie ansonsten aber verschont blieben.[72]

Diese kurze Episode ist kaum geeignet, um Alkibiades’ militärische Fähigkeiten beurteilen zu können, wenngleich sie zeigt, daß er offenbar in der Lage war Situationen richtig einzuschätzen und seine Ziele auch ohne Blutvergießen zu erreichen. Insgesamt war die Expedition sicherlich ein Erfolg, der ihm alleine zuzuschreiben ist.

3.5 Byzantion (410)

Als nächstes wandten sich die Athener nach Byzantion, der vermutlich wichtigsten Stadt im gesamten Hellespont, da sie die Einfahrt zum Schwarzen Meer unmittelbar kontrollierte und aufgrund ihrer Wichtigkeit entsprechend stark befestigt war. Ursprünglich hatte auch diese Polis zum Seebund gehört und war im Zuge der athenischen Niederlage auf Sizilien abgefallen. Die antiken Quellen unterscheiden sich in mancherlei Detailfragen voneinander. So werden die sicherlich beteiligten Amtskollegen des Alkibiades bei Xenophon und Plutarch nur selten erwähnt,[73] während Diodor versichert, daß Theramenes bereits mit der Belagerung der Stadt begonnen hatte bevor Alkibiades dort eintraf.[74] Übereinstimmend berichten die Autoren dagegen, daß die Athener mit ihren Angriffen auf die Befestigungen der Stadt nichts ausrichten konnten, zumal sich eine starke spartanische Besatzung, die von Boiotern und Megarern unterstützt wurde, unter der Leitung des Harmosten Klearchos, in Byzantion befand.[75] Als dieser, nachdem er den Boioter Koiratadas und den Megarer Helixos mit dem Oberbefehl betraut hatte, die Stadt verließ, um Verstärkungen vom persischen Satrapen zu holen, ergab sich für die Athener eine günstige Gelegenheit, die Eroberung mit anderen Mitteln zu bewerkstelligen.

Plutarch zufolge traten einige Byzantier mit einem Angebot an Alkibiades heran: „Als hierauf Anaxilaos, Lykurgos und noch einige andere sich bereit erklärten, ihm die Stadt zu übergeben, wenn er sie verschonte (…).“[76] Auch Diodor sieht die Initiative bei den Einwohnern und liefert auch den Grund für ihr Anliegen: „(…) thereupon certain Byzantines, hating the severity of his administration – for Clearchus was a harsh man –, agreed to deliver up the city to Alcibiades and his colleagues.“[77] Lediglich Xenophon weicht hiervon ab: „Da die Athener mit Waffengewalt nichts ausrichten konnten, überredeten sie einige Byzantier die Stadt zu verraten.“[78] Darauf

„(…) öffneten sie bei Nacht die Tore, die auf den sogenannten thrakischen Platz führten, und ließen Alkibiades mit dem Heer herein. Helixos und Koiratadas, die nichts von alledem bemerkt hatten, eilten mit ihrer gesamten Mannschaft zur Verteidigung auf den Marktplatz; da aber die Feinde schon alles rundum besetzt hatten, blieb ihnen nichts übrig als sich zu ergeben.“[79]

Wesentlich spektakulärer gestaltete sich der Ablauf bei den anderen beiden Autoren.[80] Um die Verteidigungskräfte zu täuschen, ließen die Athener Gerüchte über einen bevorstehenden Abzug verbreiten und verließen daraufhin mit der gesamten Streitmacht ihre Position vor der Stadt. In der folgenden Nacht kehrten sie allerdings zurück, und während das Heer möglichst leise an die Stadtmauern geführt wurde, fuhr die Flotte in den Hafen ein und veranstaltete ein derartiges Spektakel, daß die Besatzungsarmee, in der Annahme eines feindlichen Angriffs, eiligst zur Verteidigung stürmte. In deren Abwesenheit ließen die Verräter die attischen Soldaten in die Stadt, worauf sich, nach der Rückkehr der spartanischen Einheiten vom Hafen, ein heftiger Kampf entspann, dessen endgültige Entscheidung unterschiedlich dargestellt wird. Nach Plutarch hatte der Sieg rein militärische Gründe:

„Aber in einem hitzigen Gefecht siegte Alkibiades als Führer des rechten Flügels, Theramenes auf dem linken Flügel, und nahm die überlebenden Feinde, etwa dreihundert, gefangen.“[81]

Bei Diodor hingegen spielte Alkibiades die entscheidende Rolle:

„And in the end the Athenians would not have conquered the city by fighting, had not Alcibiades, perceiving his opportunity, had the announcement made that no wrong should be done to the Byzantines; for at this word the citizens changed sides and turned upon the Peloponnesians.“[82]

Nach dieser Niederlage wurde Byzantion ohne Strafmaßnahmen wieder in den Seebund eingegliedert,[83] so daß die Athener mit ihrer Unternehmung einen vollen Erfolg erzielen konnten. Die Beurteilung der militärischen Leistungen des Alkibiades fällt in den Quellen unterschiedlich aus. Gemäß Plutarch liegt die Verantwortung für den positiven Ausgang allein bei Alkibiades. Seine Kollegen werden nur einmal im Verlauf der Schlacht erwähnt, scheinen aber ansonsten keine Rolle gespielt zu haben. Davon weicht Xenophon ab, indem er in seinem Bericht grundsätzlich die Worte „sie“ oder „die Athener“ verwendet und nicht Alkibiades als Einzelperson benennt. Noch deutlicher wird diese Haltung bei Diodor, der durchgehend von „den Generälen“ als Kollektiv spricht, die sowohl für die Konzeption als auch die Durchführung der Expedition verantwortlich waren. Gleichzeitig hebt er Alkibiades’ Bedeutung für den günstigen Ausgang des Kampfes hervor. Der Vergleich der antiken Autoren führt daher zu dem Ergebnis, daß Alkibiades’ Leistungen wesentlich zum Erfolg beigetragen haben, wenngleich er, vorallem im Hinblick auf die taktischen Vorgaben, nicht alleine, sondern nach Beratung mit den anderen Strategen gehandelt haben wird. So beurteilt auch Cornelius Nepos die gesamte Kampagne im Hellespont:

„Alkibiades gewann zusammen mit seinen beiden Kollegen Ionien zurück, dazu den Hellespont und viele Griechenstädte an der thrakischen Küste, unter ihnen auch Byzanz. Einige von diesen mußten durch Kampf genommen werde, aber ebenso viele gewannen sie durch kluges Verhalten zu einem Freundschaftsvertrag, indem sie die Kriegsgefangenen mit besonderer Milde behandelten.“[84]

4. Rückkehr nach Athen – Eleusis (408)

Nach diesen Erfolgen im Hellespont verbrachten die Athener noch einige Zeit auf See, bevor sie sich entschlossen in die Heimat zurückzukehren. Vermutlich wollte Alkibiades eine offizielle Aufhebung der Verbannung abwarten und trat deshalb die Heimreise erst nach einem entsprechenden Volksbeschluß an.[85] Wider seinen eigenen Erwartungen wurde er dort mit allen Ehren empfangen, und nachdem er sich mit dem versammelten Volk ausgesöhnt hatte, ernannte man ihn, obwohl die athenische Verfassung nur das Gremium von zehn gleichberechtigten Strategen vorsah, zum Oberbefehlshaber über sämtliche Land- und Seestreitkräfte, wie die Quellen übereinstimmend berichten.[86] Während des darauf folgenden Aufenthaltes in der Polis ergab sich für Alkibiades die Gelegenheit den Athenern seine militärischen Fähigkeiten zu demonstrieren.

Zu dieser Zeit sollte die Prozession zur Mysterienfeier nach Eleusis stattfinden, die, aufgrund der spartanischen Präsenz in Dekeleia, aus Sicherheitsgründen auf dem See- anstatt dem Landweg bewerkstelligt werden mußte. Zu den Vorkommnissen des Jahres 408 v. Chr. liefert Xenophon eine kurze Beschreibung:

„(…) und während die Athener bisher die Mysterienprozession zur See hatten unternehmen müssen wegen des Krieges, ließ er [Alkibiades] sie jetzt wieder auf dem Landwege ziehen, wozu er seine gesamten Truppen aus der Stadt führte.“[87]

Die Details hingegen sind Plutarch zu entnehmen. Demnach beabsichtigte Alkibiades seinen Mitbürgern eine Demonstration seines großen Respekts vor den Mysterien zu liefern, indem er seine Soldaten wohlgeordnet und schweigend neben der Prozession her marschieren ließ.[88] An dieser Stelle sei angemerkt, daß er 415 wegen Verunglimpfung ebendieser Feierlichkeiten angeklagt und verurteilt worden war, so daß er sich hier wieder als würdiger Staatsbürger erweisen wollte. Ein weiterer Grund für sein freiwilliges Engagement lag in der Anwesenheit des spartanischen Königs Agis, mit dem er seit seines Aufenthaltes in Sparta persönlich verfeindet war und den er durch seine Maßnahmen in Schwierigkeiten brachte. Dieser hatte dann nämlich die Wahl entweder in der Festung Dekeleia zu bleiben, wodurch er sich natürlich blamierte, oder Alkibiades anzugreifen, was bei der Größe des athenischen Heeres allerdings mehr als fahrlässig gewesen wäre.[89]

Daß Agis keinen Angriff wagte, war für Alkibiades ein großer Prestigeerfolg, dessen Folgen bei Plutarch ausführlich geschildert werden:

„Da kein Feind einen Angriff wagte und er den Zug wohlbehalten in die Stadt zurückbrachte, wuchs sein eigenes Selbstvertrauen und gab dem Heere die Zuversicht, daß es unwiderstehlich und unbesiegbar sei, wenn er es führte, und die Masse des armen, kleinen Volkes hatte er so betört, daß sie sich geradezu danach sehnten, von ihm beherrscht zu werden (…).“[90]

Auch wenn diese Episode nicht geeignet ist allgemeine Aussagen über die militärischen Fähigkeiten des Alkibiades zu liefern, zeigt sie aber sein Verständnis für öffentlichkeitswirksame Maßnahmen. Aus strategischer Sicht war das ganze Unternehmen sicherlich keine herausragende Leistung, da das Kräfteverhältnis der Armeen ein so großes Übergewicht für die Athener darstellte, daß ein peloponnesischer Angriff ohnehin einem Selbstmordkommando gleichgekommen wäre. Der Erfolg und vor allem die Zuwendung die Alkibiades daraufhin durch das Volk erfuhr hatte aber nicht nur positive Folgen. So drängten gerade die einflußreicheren Bürger zu einem raschen Aufbruch der Flotte noch im selben Jahr, da sie fürchteten, er könne die Alleinherrschaft an sich reißen wollen.[91]

5. Alkibiades als Oberkommandierender

5.1 Andros (408)

In seiner neuen Position als oberster Befehlshaber wünschte Alkibiades vom Volke zunächst die Berufung von Thrasybulos und Adeimantos zu seinen Mitfeldherren, was ihm nicht verweigert wurde. Ebenso wurde eine Streitmacht von einhundert Schiffen bewilligt.[92] Das erste Ziel auf dem Weg nach Kleinasien war die abgefallene Insel Andros, welche wieder in den Seebund zurückgeführt werden sollte. Die Quellen berichten übereinstimmend vom Sieg der Athener in der offenen Feldschlacht. Allerdings war es den Andriern gelungen sich hinter die Stadtmauern zurückzuziehen.[93] Alkibiades selbst hielt sich nur wenige Tage lang dort auf und überließ es dann einem der anderen Feldherren – Diodor nennt Thrasybulos – die Belagerung durchzuführen.[94]

Wie schon Plutarch erwähnt, war das Urteil der athenischen Bürger, die eine schnelle Entscheidung erwartet hatten und diesen Mißerfolg übelnahmen, äußerst ungerecht,[95] da die Feldschlacht schließlich ohne Probleme gewonnen wurde. Daß sich die Polis nicht ohne Widerstand ergeben würde war zu erwarten gewesen, so daß eine Belagerung fast schon vorhersehbar war. Der baldige Aufbruch zu anderen Zielen kann Alkibiades nicht negativ angekreidet werden, da der Zeitfaktor für Athen eine wesentliche Rolle spielte. Die Mannschaften mußten bezahlt werden, und da Athen nicht über die gleichen Ressourcen wie die Spartaner, welche Unterstützung von den Persern erhielten, verfügte, hätte er sich nur unnötig aufgehalten und vor allem die Flotte, welche an der Belagerung ohnehin keinen Anteil hatte, wäre untätig im Hafen festgesessen. Aus militärischer Sicht war es sicherlich richtig einen Stellvertreter mit einem Teil des Heeres zurückzulassen, da auch das strategische Übergewicht der Athener, bei einer Belagerung nicht so sehr zum Tragen kommen konnte. Denn die Eroberung einer gut befestigten Stadt ist immer langwierig, insbesondere wenn die dafür benötigen Kriegsmaschinen erst herangeschafft bzw. gebaut werden müssen.

5.2 Notion (407)

Auf die neuerlichen Ambitionen der Athener an der kleinasiatischen Küste reagierten die Spartaner mit der Entsendung ihres fähigsten Flottenkommandeurs Lysander, der mit der Reorganisation der Seestreitkräfte betraut wurde.[96] Durch die Unterstützung des persischen Großkönigs gelang es ihm auch sehr schnell eine ansehnliche Flotte zusammenzustellen, die er in Ephesos aufs Land ziehen ließ, um Verbesserungen vorzunehmen und die Rümpfe trocknen zu lassen.[97] Alkibiades eilte dorthin und versuchte sofort das peloponnesische Kontingent zu Kampfhandlungen zu provozieren, doch Lysander blieb mit seinen Schiffen im schützenden Hafen.[98]

Die darauffolgenden Ereignisse werden von den antiken Autoren zum größten Teil übereinstimmend dargestellt. Demnach verließ Alkibiades den attischen Kampfverband, nachdem er seinem Steuermann Antiochos das Kommando übertragen hatte, mit dem ausdrücklichen Befehl nicht gegen die Spartaner auszulaufen.[99] Über seine Beweggründe in dieser gefährlichen Situation die Flotte alleine zu lassen herrscht Uneinigkeit. Plutarch zufolge versuchte er den Sold für seine Mannschaften, die, im Gegensatz zu den Spartanern, drei anstatt vier Obolen erhielten, aufzubessern und so „(…) fuhr Alkibiades, der auch nur die drei Obolen mit Mühe aufbringen konnte, nach Karien, um Geld aufzutreiben“[100]. Bei Diodor hingegen hatte sein Aufbruch militärische Gründe: „(…) while he took the troop-ships and sailed in haste to Clazomenae; for this city, which was an ally of the Athenians, was suffering from forays by some of its exiles.“[101] In eine ähnliche Richtung zielt auch Xenophon, wenngleich er die Ausgangslage anders beurteilt: „Alkibiades fuhr auf die Nachricht, daß Thrasybulos sich aus dem Hellespontos wegbegeben habe und dabei sei Phokaia zu belagern zu ihm (…).“[102] Eine endgültige Entscheidung aus welchen Gründen Alkibiades die Schiffe verlassen hat, ist aufgrund dieser Quellenlage nicht abschließend möglich, wobei allerdings anzunehmen ist, daß tatsächlich militärische Gründe ausschlaggebend waren und der Bericht Plutarchs, der zeitlich von den Geschehnissen am weitesten entfernt ist, zu sehr darauf abstellt, Alkibiades als guten Oberbefehlshaber darzustellen, der um das Wohl seiner Soldaten besorgt ist.

Seine Entscheidung hatte allerdings weitreichende Folgen, denn Antiochos hielt sich nicht an den Befehl, sondern versuchte Lysander mit einigen wenigen Schiffen aus dem Hafen zu locken, was auch gelang, da dieser die Gelegenheit sah, mit seiner gesamten Flotte das kleine Kontingent zu vernichten. Nachdem die Spartaner angegriffen hatten, schickten die Athener ebenfalls alle Schiffe in den Kampf, doch da sie dabei, im Gegensatz zu den Peloponnesiern, führerlos – Antiochos war bereits gefallen – in Unordnung gerieten, verloren sie mehrere Schiffe und mußten sich geschlagen wieder zurückziehen.[103] Alkibiades, der in der Zwischenzeit zurückgekehrt war, versuchte Lysander zu einer erneuten Seeschlacht zu bewegen, blieb aber wieder einmal erfolglos, so daß er mit seiner Flotte unverrichteter Dinge absegeln mußte.[104] Laut Xenophon war die Abberufung Alkibiades’ als Feldherrn eine direkte Folge dieser Niederlage:

„Die Athener zuhause waren auf die Meldung der Seeschlacht hin sehr aufgebracht gegen Alkibiades, da sie glaubten, durch seinen Leichtsinn und seine Disziplinlosigkeit die Schiffe eingebüßt zu haben, und so wählten sie zehn andere Feldherren (…).“[105]

Dem schließt sich auch Plutarch an: „Die Athener ließen sich überzeugen und wählten andere Feldherren, womit sie ihren Zorn gegen ihn und ihr Mißtrauen zu erkennen gaben.“[106]

Für die Bewertung der Entscheidungen Alkibiades’ vor Notion ist ausschlaggebend, ob seine strategischen Konzeptionen vermeidbare Fehler beinhalteten. Das Zurücklassen der Flotte in einer potentiellen Gefahrensituation muß dabei vor dem Hintergrund der möglichen Beweggründe gesehen werden, die aufgrund der unterschiedlichen Angaben in den Quellen für jeden Autor einzeln zu betrachten sind. Dem Bericht Plutarchs entsprechend begab sich Alkibiades nach Karien, um Geld für die Bezahlung seiner Schiffsmannschaften zu beschaffen. Diese Maßnahme scheint offenbar notwendig geworden zu sein, nachdem die Männer von der höheren Löhnen der Spartaner erfahren hatten und sich daraus die Gefahr des Überlaufens einiger Besatzungen zu entwickeln begann. Insofern war es sicher die richtige Entscheidung, dem durch eine demonstrative Aktion Einhalt zu gebieten. Bei Diodor befand sich Alkibiades in einer ähnlich schwierigen Situation. Demnach war die mit Athen verbundene Stadt Klazomenai durch den Angriff einiger, vermutlich oligarchisch gesinnter Exilierter unmittelbar bedroht. Die notwendige Hilfe zu unterlassen hätte nicht nur zum Abfall der Polis von Athen geführt, sondern auch dem gerade erst wiederhergestellten Ansehen Athens in dieser Region schweren Schaden zugefügt. Ein sofortiger Einsatz war daher auf jeden Fall angebracht. Eine letzte Variante der Ereignisse liefert Xenophon, indem er behauptet, Alkibiades sei zur Unterstützung Thrasybulos’ nach Phokaia aufgebrochen. Falls dies der Wahrheit entsprochen haben sollte, handelte es sich hierbei vermutlich um einen Versuch Lysander aus seinem Hafen in Ephesos zu locken. Gemäß ihrer bereits oben geschilderten Strategie keine Angriffe in Unterzahl zu unternehmen, hatten sich die Spartaner dort eingenistet und abgewartet. Für die Athener, die aufgrund der drückenden Finanzlage unter Zeitdruck standen, war diese Situation auf Dauer nicht tragbar, so daß Alkibiades die Initiative ergriff. Allem Anschein nach schickte er zuerst Thrasybulos mit einem Teil der Streitkräfte in das nördlich von Ephesos gelegene Phokaia, um die Peloponnesier zu einer Hilfsaktion für die mit ihnen verbündete Stadt zu veranlassen. Damit brachte er Lysander in eine schwierige Lage, denn sobald dieser aufgebrochen wäre, hätten ihn die athenischen Schiffe des Alkibiades aus dem Süden und das Kontingent des Thrasybulos aus dem Norden in die Zange nehmen können. Offensichtlich aber war der erste Angriff auf Phokaia noch nicht ausreichend stark gewesen, um die Stadtmauern ernsthaft zu gefährden und die Spartaner zu einer Bewegung zu nötigen. Deshalb war Alkibiades gezwungen weitere Truppen zur Belagerung heranzuführen. Man kann ihm demnach keine Vorwürfe machen, falsch gehandelt zu haben. Um die Auflösung der Pattsituation bemüht, erscheint der entworfene Plan als ein durchaus probates Mittel. Es bleibt also festzuhalten, daß alle drei Versionen der Ereignisse ausreichend begründen, warum er sich von seiner Hauptflotte entfernen mußte.

Die Wahl seines Vertreters hingegen bereitet Kopfzerbrechen. Über die Beweggründe ausgerechnet seinen Steuermann Antiochos zu bestimmen, läßt sich nur spekulieren. Obwohl die Quellen übereinstimmend berichten, daß Antiochos aufgrund charakterlicher Defizite für diesen Posten ungeeignet war,[107] hat Alkibiades ihn sicherlich nicht grundlos ernannt. Üblicherweise hätte er an einen der zahlreichen Trierarchen das Kommando übertragen müssen, wobei er vermutlich in Sorge war, daß sich die anderen entweder zurückgesetzt fühlen und Eifersüchteleien ausbrechen würden oder über seinen Befehl nicht anzugreifen hinwegsetzen könnten. Antiochos war sein direkter Untergebener und ein äußerst fähiger Steuermann,[108] weswegen er annehmen konnte, daß dieser den Anweisungen eher Folge leisten würde. Es ist eine Ironie des Schicksals, daß es doch anders kam. Seine Feinde in Athen wiederum warfen ihm vor die Flotte in die Hände von Personen übergeben zu haben, „(…) die als Saufkumpane und matrosenhafte Schmarotzer bei ihm den größten Stein im Brett hätten (…)“[109]. In jedem Fall trägt Alkibiades die Verantwortung für die Niederlage, insofern er als Oberbefehlshaber eindeutig die falsche Entscheidung bei der Bereitstellung seines Vertreters getroffen hatte, auch wenn für ihn persönlich möglicherweise gute Gründe dafür gesprochen haben mögen.

Nach Plutarch und Xenophon endete gleichzeitig mit dieser Niederlage die militärische Karriere des Alkibiades in Diensten der Athener, wenngleich sich die Verluste offenbar in Grenzen hielten. Aus einer Stelle bei Xenophon ist ersichtlich, daß die Flotte den Spartanern immer noch weit überlegen war, weshalb Lysander sich auch zu keinem weiteren Kampf provozieren ließ.[110] Die drastische Reaktion aus der Heimat mag unter diesem Gesichtspunkt verwundern, doch wird die feindselige Grundstimmung dem neuen Oberbefehlshaber gegenüber durch einen solchen Auslöser offen ausgebrochen sein. Insgesamt bleibt festzuhalten, daß Alkibiades’ strategische Konzeptionen grundsätzlich richtig gewesen waren, wenngleich die Ausführung nicht nur an den widrigen Umständen, sondern auch aufgrund persönlicher Fehlentscheidungen scheiterte.

5.3 Kyme (407)

Bei Diodor und Cornelius Nepos, der die Schlacht von Notion in seiner Biographie nicht schildert, wird eine weitere Begebenheit vor der endgültigen Amtsenthebung Alkibiades’ erwähnt, die sich vor Kyme abspielte. Dem Bericht Diodors zufolge hatte Alkibiades, unter dem Vorwand falscher Anschuldigungen, begonnen das Gebiet um die Polis zu plündern und Gefangene zu nehmen, als er plötzlich von einem Ausfall der Kymeer überrascht wurde und sich schnell zurückziehen mußte. Mit neuen Truppen verstärkt versuchte er wenig später nochmals einen Kampf zu provozieren, was allerdings nicht gelang, so daß er sich mit Plünderungen in der näheren Umgebung begnügen mußte und schließlich abzog.[111]

Die darauffolgenden Ereignisse in Athen werden bei den beiden antiken Autoren unterschiedlich dargestellt. Cornelius Nepos behauptet, daß die athenischen Bürger vom Ausgang des Unternehmens enttäuscht gewesen waren „(…) und man redete davon, er habe Kyme nicht erobern wollen, weil er vom Großkönig mit Geld bestochen worden sei“[112]. Bei Diodor hingegen traf eine Gesandtschaft aus Kyme ein, um sich über das Verhalten des Alkibiades zu beschweren, da dieser eine verbündete Stadt grundlos angegriffen habe.[113] Aufgrund der Quellenlage ist nicht nachvollziehbar, ob die Athener den Angriff an sich oder nur das negative Ergebnis mißbilligten. Nachdem noch weitere Anschuldigungen gegen ihn vorgebracht worden waren und die Bürgerschaft ihm für jedes Mißlingen grundsätzlich Nachlässigkeit und Böswilligkeit unterstellte,[114] entschied man sich für seine endgültige Absetzung.[115] Kyme war demnach nur der Schlußpunkt einer Entwicklung, die schon mit der mißglückten Eroberung von Andros begann und mit der Wahl zehn neuer Feldherren, von denen Konon als Ersatz für Alkibiades fungieren sollte,[116] endete.

Über die militärischen Leistungen läßt sich in diesem Fall nur wenig sagen, da uns die Quellen kaum Auskunft erteilen können. Wir wissen leider nicht, ob ein strategisches Konzept hinter dem Angriff auf Kyme stand, oder ob es sich lediglich um einen Raubzug zur Beschaffung von Geldmitteln gehandelt hat. Für letzteres spricht vor allem die Tatsache, daß nur ein kleines athenisches Kontingent daran beteiligt war. Insofern war die Mission nicht erfolgreich, da die Gefangenen, für die man offensichtlich Lösegeld erpressen wollte, nach dem Überraschungsangriff der Kymeer zurückgelassen werden mußten. Alkibiades hatte hier die Stärke und den Mut seiner Gegner vermutlich unterschätzt und es versäumt geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Insgesamt war er demnach gescheitert, da die Plünderung der Umgebung natürlich keinen adäquaten Ersatz für die verpaßte Gelegenheit bieten konnte.

6. Ergebnisse

Über die erste Phase der militärischen Leistungen des Alkibiades werden wir lediglich durch den Bericht Plutarchs unterrichtet. Demnach war Alkibiades vor Potidaia, trotz guter kämpferischer Leistung, in Gefahr geraten und von Sokrates gerettet worden. In der Schlacht um Delion wenige Jahre später verhielt es sich genau umgekehrt, diesmal mußte Sokrates die Hilfe seines Freundes in Anspruch nehmen. Zur Bewertung der militärischen Leistungen des Alkibiades können diese beiden Fälle allerdings nicht beitragen, da er nicht als Befehlshaber, sondern als Soldat teilgenommen und daher keinen Einfluß auf die taktischen Konzeptionen hatte. Außerdem sind seine Einzelleistungen aus der Schilderung Plutarchs, kaum mit den Angaben bei den antiken Historikern zu verbinden, so daß die Auswirkung seiner Taten auf den Gesamtverlauf der Schlachten nicht nachzuvollziehen ist.

In die zweite Phase fällt zunächst die Schlacht bei Mantineia, welche entgegen der ursprünglichen Intention des Alkibiades zu einer Isolation Athens und der Stärkung Spartas geführt hatte, wodurch sie insgesamt ein Mißerfolg war. Auch wenn man ihm zugute halten muß, daß er bei den Kämpfen nicht persönlich anwesend war und somit nicht aktiv eingreifen konnte, bleibt dennoch seine falsche Beurteilung der politischen und militärischen Gesamtlage. Gleichzeitig spielte er dabei mit hohem Einsatz und ging ein entsprechend hohes Risiko ein. Im Falle der Sizilischen Expedition war sein Plan dagegen langfristig durchdacht und hatte wohl auch Aussicht auf Erfolg, wenngleich die Probleme mit Messene schon auf mögliche Schwierigkeiten hindeuteten. Durch seine Abberufung wurde ihm allerdings der Einfluß auf den Ausgang der weiteren Ereignisse verwehrt. Insgesamt war Alkibiades sowohl bei Mantineia als auch auf Sizilien für die Grundkonzeptionen verantwortlich, die aber in beiden Fällen zu einer Niederlage führten. Daß er nicht selbst als Feldherr vor Ort sein konnte, ist insbesondere seinem anstößigen Lebenswandel zuzuschreiben, so daß er hierfür ebenfalls in der Verantwortung steht.

Die dritte Phase beginnt mit der Seeschlacht vor Abydos, an deren Schlachtgeschehen Alkibiades nicht beteiligt war. Sein Beitrag bestand lediglich darin zur rechten Zeit am rechten Ort erschienen zu sein. Für die Kämpfe um Kyzikos ist sein besonderer Einsatz in der Landschlacht überliefert, wobei er sich die Lorbeeren allerdings mit den anderen Feldherren teilen muß. Insbesondere die Konzeption des Manövers zur See, welches überhaupt erst einen Erfolg der Athener ermöglichte, war keineswegs sein alleiniger Verdienst, sondern auf den Rat des Strategenkollegiums zurückzuführen. Bei Kalchedon hingegen hatte er entscheidenden Anteil am Erfolg in der Landschlacht, die aber nicht unmittelbar zu einer Kapitulation der Bewohner führte. Die Beendigung der Belagerung freilich konnten erst die anderen Feldherren durch geschicktes Verhandeln in seiner Abwesenheit bewerkstelligen. Sein in der Zwischenzeit durchgeführter Feldzug nach Selymbria war letztlich zwar erfolgreich, aber auch sehr gefährlich, so daß der glückliche Ausgang einzig seinem Verhandlungsgeschick zu verdanken war. Mit den anderen Befehlshabern vereint, zeigte Alkibiades vor Byzantion wiederum großes Können im Schlachtengetümmel, insbesondere durch sein Verhandlungsgeschick und seine militärischen Führungsqualitäten. Die Strategie war vorher bereits von allen Kommandierenden gemeinsam festgelegt worden. Somit war Alkibiades’ Einsatz in der Phase der großen Erfolge am Hellespont nicht alleine ausschlaggebend, da die Unternehmungen in Zusammenarbeit mit den anderen Generälen beschlossen wurden. Hierzu sei nochmals ausdrücklich auf Nepos verwiesen, der sich vom überschäumenden Empfang, den die Athener Alkibiades bei seiner Rückkehr 408 v. Chr. bereiteten, angesichts der Leistung der anderen Strategen verwundert zeigt:

„ Als er nun das Schiff verließ, geleiteten ihn [Alkibiades] alle in die Stadt und beschenkten ihn (…) mit Lorbeerkränzen und Binden, und dies, obwohl auch Thrasybulos und Theramenes den Oberbefehl innegehabt hatten und mit ihm zusammen im Piräus eingelaufen waren.“[117]

Offenbar wurde schon in der Antike die Rolle des Alkibiades, vor allem in Bezug auf die Planung der Strategien, überbewertet. Nichtsdestotrotz sind seine kämpferischen Leistungen auf den Schlachtfeldern, insbesondere in dieser Phase des Peloponnesischen Krieges, von herausragender Bedeutung für die Siege der Athener.

Der in der Heimat durchgeführte Zug nach Eleusis war ohne Zweifel ein Prestigeerfolg, wenngleich natürlich die athenischen Soldaten haushoch überlegen waren und eine Angriff der Spartaner ohnehin mehr als fahrlässig gewesen wäre. Dennoch hatte die Aktion für Alkibiades ungeahnte negative Folgen, da ein Großteil der einflußreichen Bürger ihm mißtraute und von solch publikumswirksamen Maßnahmen wenig angetan war. Sein baldiger Aufbruch hing direkt damit zusammen, daß ihn dieser Personenkreis so schnell wie möglich die Stadt verlassen sehen wollte, um seinen Einfluß auf das Volk zu unterbinden.

Mit der Schlacht vor Andros wird die vierte und letzte Phase eröffnet, die mit einem Sieg Alkibiades’ beginnt. Allerdings muß die Stadt belagert werden, da die Einwohner, wie in den meisten Fällen, sich nicht durch den Verlust einer Feldschlacht zur Kapitulation zwingen ließen. Alkibiades überließ diese Arbeit einem anderen Feldherren, und brach, um weiteren Zeitverlust zu vermeiden, Richtung Kleinasien auf. Vor Notion kam es dann in seiner Abwesenheit zu einer Niederlage, die er, zumindest wegen der fehlerhaften Wahl seines Stellvertreters, zu verantworten hatte. Dagegen war seine Entfernung von der Hauptflotte unter den gegebenen Umständen, wie bereits oben erläutert, durchaus vertretbar. Gleichzeitig hielten sich die Verluste an attischen Schiffen in Grenzen, so daß die Spartaner noch immer zahlenmäßig unterlegen waren. Ähnlich unerfreulich verlief auch der Raubzug nach Kyme, der aufgrund seiner mangelhaften Planung und Durchführung im Endeffekt scheiterte. So konnte Alkibiades nach seiner Berufung zum Oberkommandierenden mit sämtlichen Vollmachten keine neuerlichen Erfolge vorweisen und wurde deswegen letztlich abgesetzt.

Obwohl alle behandelten antiken Quellen, wie bereits in der Einleitung zitiert, ein positives Gesamturteil der militärischen Leistungen des Alkibiades beinhalten, lassen sich bei einer genaueren Untersuchung doch deutliche Unterschiede feststellen. Lediglich Plutarch sieht den Feldherren als alleinverantwortlich für die Erfolge der Athener, wohingegen Niederlagen grundsätzlich auf das schlechte Verhalten des Volkes zurückzuführen seien. Für ihn ist Alkibiades ein genialer Befehlshaber und Politiker, unter dessen Führung Athen alles hätte erreichen können, wenn man ihm nicht immer wieder aus Neid und Haß Steine in den Weg gelegt hätte. Bei Cornelius Nepos und Diodor hingegen werden die strategischen Entscheidungen einvernehmlich unter den Feldherren getroffen. Auch hinsichtlich der Kampfeinsätze werden die Auswirkungen Alkibiades’ persönlicher Taten stark relativiert, so daß die Entscheidung über den Ausgang einer Schlacht oftmals nicht auf ihn alleine zurückzuführen ist. Die gleiche Tendenz verfolgen auch die Berichte des Thukydides und Xenophons, wobei hier das Problem besteht, daß einerseits Thukydides nur für die Schlacht bei Mantineia und die Sizilische Expedition relevant ist, während sich Xenophon in seinen Schilderungen grundsätzlich sehr lakonisch ausdrückt, wodurch uns beide Autoren im Vergleich zu den anderen quantitativ wesentlich weniger Material liefern. Es bleibt daher festzuhalten, daß sich die positiven Gesamturteile nach der Untersuchung der einzelnen relevanten Textstellen nicht durchweg aufrechterhalten lassen.

Insgesamt waren Alkibiades’ strategische Konzepte grundsätzlich durchdacht und hatten größtenteils auch Aussicht auf Erfolg, wenngleich seine militärischen Leistungen nicht von denen der anderen Feldherren zu trennen sind. Wie gesehen war er in der Phase seiner größten Erfolge keinesfalls alleine für die Planung und Durchführung verantwortlich, sondern in den Rat der Strategen eingebunden. Offenbar waren seinen Möglichkeiten aber Grenzen gesetzt, sobald er sich nicht auf die Unterstützung anderer Militärexperten verlassen konnte. An seiner Qualifikation als Heerführer bleiben allerdings keine Zweifel, da er in den verschiedenen Kampfhandlungen seine herausragenden Fähigkeiten durchaus unter Beweis stellen konnte. Was ihn letztlich aber von anderen großen Feldherren der Vergangenheit unterscheidet, liegt in der mangelnden Begabung begründet in wichtigen Situationen die richtigen Entscheidungen treffen zu können und vor allem kleine Fehler zu vermeiden, die eine gesamte wohlgeplante Unternehmung zugrunde richten können. Zu oft scheiterten seine Konzeptionen an solchen Detailfragen.


[1] Ferguson, William Scott: The Cambridge Ancient History, V. Cambridge 1927, 354.

[2] Kahler, Erich v.: Man, the Measure. A new approach to history. New York 1956, 94.

[3] Ehrenberg, Victor: From Solon to Socrates. Greek history and civilization during the sixth and fifth centuries B.C. London 1968, 319.

[4] Parry, Hugh: The Individual and his Society. Alcibiades – Greek Patriot or Traitor? Toronto 1969, 1.

[5] Bengtson, Hermann: Zu den strategischen Konzeptionen des Alkibiades. München 1979, 4f.

[6] MacGregor, Malcolm Francis: The Genius of Alkibiades. In: Phoenix 19 (1965), 27-46.

[7] Ellis, Walter M.: Alcibiades. (Classical lives). London /New York 1989.

[8] Für eine ausführliche Auflistung der wichtigsten Autoren siehe Bloedow, Edmund F.: „An Alexander in the wrong place“. Alcibiades „the ablest of all the sons of Athens“. In: SCO 41 (1991), 191-3 mit Fn. 1-18.

[9] Plut. Alk. 43(4),1.

[10] Nep. Alc. 1,2.

[11] Diod. 13,68,5.

[12] Thuk. 6,15,4.

[13] Vgl. Bloedow, Edmund F.: Alcibiades reexaminded. (Historia Einzelschriften, 21). Wiesbaden 1973; Ders.: „Not the son of Achilles, but Achilles himself“. Alcibiades’ entry on the political stage at Athens, II. In: Historia 39 (1990), 1-19; Ders.: Alexander. Ders.: Alcibiades „brilliant“ or „intelligent“? In: Historia 41 (1992), 139-157.

[14] Vgl. Thuk. 1,56,2.

[15] Vgl. Thuk. 1,62,6; Diod. 12,37,1.

[16] Vgl. Thuk. 2,70,4.

[17] Vgl. Thuk. 1,87,6.

[18] Plut. Alk. 7,3-4.

[19] Vgl. Thuk. 4,90,1.

[20] Vgl. Diod. 12,69,4-70,3; Thuk. 4,96,6-7.

[21] Vgl. Diod. 12,70,6; Thuk. 4,101,1.

[22] Plut. Alk. 7,6.

[23] Vgl. Diod. 12,77,2.

[24] Vgl. Thuk. 5,64,5; Diod. 12,79,3.

[25] Vgl. Thuk. 5,73,3; Diod. 12,79,7.

[26] Vgl. Thuk. 5,78,1 u. 81,1; Diod. 12,80,1-2.

[27] Vgl. Diod. 12,79,1.

[28] Vgl. Plut. Alk. 15,1.

[29] Plut. Alk. 15,2.

[30] Vgl. Diod. 12,83,6; Thuk. 6,1; Plut. Alk. 17,1; Nep. Alc. 3,1.

[31] Vgl. Thuk. 6,47.

[32] Thuk. 6,48.

[33] Vgl. Thuk. 6,49.

[34] Vgl. Thuk. 6,50,1; Plut. Alk. 20,3.

[35] Thuk. 6,50,1.

[36] Thuk. 6,51,2. Siehe auch Plut. Alk. 20,3.

[37] Vgl. Thuk. 6,53,1; Diod. 13,5,2; Nep. Alc. 4,3. Plut. Alk. 20,3.

[38] Nep. Alc. 4,3.

[39] Vgl. Diod. 13,46,2; Plut. Alk. 27,3; Xen. Hell. 1,1,5.

[40] Plut. Alk. 27,2.

[41] Vgl. Xen. Hell. 1,1,5.

[42] Diod. 13,46,2.

[43] Plut. Alk. 27,4-5.

[44] Diod. 13,46,3.

[45] Xen. Hell. 1,1,6.

[46] Vgl. Xen. Hell. 1,1,11; Plut. Alk. 28,2.

[47] Plut. Alk. 28,6.

[48] Xen. Hell. 1,1,15.

[49] Diod. 13,50,1.

[50] Vgl. Diod. 13,50,4; Xen. Hell. 1,1,17.

[51] Vgl. Diod. 13,50,5-51,6; Xen. Hell. 1,1,18; Plut. Alk. 28,8.

[52] Plut. Alk. 28,8.

[53] Xen. Hell. 1,1,18.

[54] Diod. 13,51,5.

[55] Diod. 13,51,6.

[56] Plut. Alk. 28,10.

[57] Vgl. Plut. Alk. 28,9; Diod. 13,51,8; Xen. Hell. 1,1,20.

[58] Vgl. Plut. Alk. 29,6.

[59] Vgl. Diod. 13,66,1.

[60] Vgl. Plut. Alk. 29,6; Xen. Hell. 1,3,2-3.

[61] Vgl. Plut. Alk. 30,1; Xen. Hell. 1,3,5. Bei Diodor wird eine Beteiligung des persischen Satrapen an der Schlacht nicht erwähnt.

[62] Plut. Alk. 30,2.

[63] Diod. 13,66,2.

[64] Xen. Hell. 1,3,6.

[65] Vgl. Plut. Alk. 30,3; Diod. 13,66,3; Xen. Hell. 1,3,8.

[66] Plut. Alk. 31,1.

[67] Xen. Hell. 1,3,8-9.

[68] Diod. 13,66,3.

[69] Vgl. Diod. 13,66,4; Xen. Hell. 1,3,10. Xenophon bestätigt lediglich die Einnahme Selymbrias durch Alkibiades ohne nähere Angaben dazu zu machen.

[70] Plut. Alk. 30,4.

[71] Diod. 13,66,4.

[72] Vgl. Plut. Alk. 30,5-10.

[73] Vgl. Xen. Hell. 1,3,10-22; Plut. Alk. 31,3-8.

[74] Vgl. Diod. 13,66,3.

[75] Vgl. Plut. Alk. 31,3; Xen. Hell. 1,3,16; Diod. 13,66,6.

[76] Plut. Alk. 31,3.

[77] Diod. 13,66,6.

[78] Xen. Hell. 1,3,16.

[79] Xen. Hell. 1,3,20-21.

[80] Vgl. Diod. 13,67,1-5; Plut. Alk. 31,3-4.

[81] Plut. Alk. 31,5.

[82] Diod. 13,67,5.

[83] Vgl. Diod. 13,67,7.

[84] Nep. Alc. 5,6.

[85] Vgl. Plut. Alk. 33,1.

[86] Vgl. Plut. Alk. 33,2; Nep. Alc. 7,1; Xen. Hell. 1,4,20; Diod. 13,69,3. Plutarch und Diodor bezeichnen ihn als „αὐτοκράτωρ στρατηγός“, Xenophon als „ἁπάντων ἡγεμὼν αὐτοκράτωρ“. Cornelius Nepos geht sogar soweit ihm auch die Entscheidungsgewalt über zivile Angelegenheiten zu übertragen: „(…) totaque res publica domi bellique tradita (…)“. Damit wurde Alkibiades eine Machtfülle zugestanden, die weit über die aller anderen Amtsträger hinausreichte und den hergebrachten athenischen Institutionen widersprach.

[87] Xen. Hell. 1,4,20.

[88] Vgl. Plut. Alk. 34,6.

[89] Vgl. Plut. Alk. 34,5.

[90] Plut. Alk. 34,7.

[91] Vgl. Plut. Alk. 35,1.

[92] Vgl. Plut. Alk. 35,1-2; Diod. 13,69,3-4; Nep. Alc. 7,1. Xenophon 1,4,21 präzisiert die Angaben auf 1.500 Hopliten, 150 Reiter und 100 Schiffe, wobei ihm die Feldherren Aristokrates – nicht Thrasybulos – und Adeimantos zur Führung des Landkriegs beigegeben wurden.

[93] Vgl. Diod. 13,69,4; Xen. Hell. 1,4,22; Plut. Alk. 35,2.

[94] Vgl. Diod. 13,69,5; Xen. Hell. 1,4,23; Plut. Alk. 35,3. Laut Xenophon führte Konon die Belagerung fort.

[95] Vgl. Plut. Alk. 35,2.

[96] Vgl. Xen. Hell. 1,5,1; Diod. 13,70,1; Plut. Alk. 35,5.

[97] Vgl. Xen. Hell. 1,5,3-10; Diod. 13,70,3-4; Plut. Alk. 35,5.

[98] Vgl. Diod. 13,71,1.

[99] Vgl. Plut. Alk. 35,6; Xen. Hell. 1,5,11; Diod. 13,71,1.

[100] Plut. Alk. 35,5.

[101] Diod. 13,71,1.

[102] Xen. Hell. 1,5,11.

[103] Vgl. Diod. 13,71,2-4; Xen. Hell. 1,5,12-14; Plut. Alk. 35,6-7. Nach Diodor verloren die Athener dabei 23 Schiffe, nach Xenophon nur 15. Ursprünglich war Antiochos laut Diodor mit zehn Schiffen ausgelaufen, nach Xenophon und Plutarch lediglich mit zweien.

[104] Vgl. Diod. 13,71,4; Xen. Hell. 1,5,15; Plut. Alk. 35,8.

[105] Xen. Hell. 1,5,16.

[106] Plut. Alk. 36,4.

[107] Vgl. Plut. Alk. 35,6; Diod. 13,71,2.

[108] Vgl. Plut. Alk. 35,6.

[109] Plut. Alk. 36,2.

[110] Vgl. Xen. Hell. 1,5,15.

[111] Vgl. Diod. 13,73,3-5.

[112] Nep. Alc. 7,2.

[113] Vgl. Diod. 13,73,6.

[114] Vgl. Nep. Alc. 7,2; Diod. 13,73,6.

[115] Vgl. Diod. 13,74,1; Nep. Alc. 7,3.

[116] Vgl. Diod. 13,74,1. Auch Xen. Hell. 1,5,16 nennt Konon als ersten der zehn neuen Feldherren.

[117] Nep. Alc. 6,3.


Marx, Benjamin
Presseerzeugnisse im Vormärz (1815 bis 1848) im Spiegel der Ereignisgeschichte

Betrachtet man die Entwicklung des deutschen Pressewesens in der Zeit zwischen dem Wiener Kongress 1815 und dem Ausbruch der Revolution im März 1848, so lassen sich parallel zu den politischen Ereignissen dieses Zeitraumes verschiedene Entwicklungsphasen ausmachen. Nach der Verabschiedung der Bundesakte 1815, die ja in einem eigenen Artikel “gleichförmige Verfügungen über die Preßfreyheit“ in Aussicht stellte, kam es zu einer ersten Periode des Aufschwunges, in der das Pressewesen schnell anwuchs. Vier Jahre später jedoch wurde der erhofften Freiheit in Gestalt der repressiven Karlsbader Beschlüsse ein Riegel vorgeschoben und es folgte ein Jahrzehnt der massiven Unterdrückung und Verfolgung jeglicher freier journalistischer Aktivitäten. Anfang der Dreißiger Jahre war, bedingt durch die Julirevolution in Paris 1830 und die Ereignisse in Polen 1830/31, kurzzeitig eine erneute Stimmung des Aufschwungs zu bemerken, die aber bald wieder den altbekannten Zuständen strikter staatlicher Zensur weichen musste. Erst zu Beginn der Vierziger Jahre sammelte man wieder neuen Mut und im Zuge der zunehmenden Politisierung der Gesellschaft trat auch die kritische politische Berichterstattung allmählich in den Vordergrund. Der Bundesbeschluss vom 3. März 1848, der die allgemeine Pressefreiheit gewährte, bildete den vorläufigen Schlusspunkt dieser Epoche.

Durch den Einfluss der Zensur beschränkten sich große Teile der Pressepublikationen dieser Zeit auf unpolitische, harmlose Gebiete. Beliebt waren zum Beispiel die vielen belletristischen Journale, die explizit der Unterhaltung, Bildung und Belehrung dienen sollten, und Rezensionszeitschriften, die sich mit der Veröffentlichung und Besprechung zeitgenössischer Literatur und Wissenschaft beschäftigten. Ebenfalls sehr erfolgreich und bei den Lesern beliebt waren die durch die neuesten Bildreproduktionstechniken begünstigten illustrierten Zeitschriften, die sich an ein eher ungebildetes Massenpublikum wendeten.

Der große Erfolg derartiger Blätter sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich zur gleichen Zeit trotz aller Drangsal auch eine Anzahl deutlich politisch motivierter Publikationen zu etablieren begann. Obwohl man zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einer Tendenz- oder gar Parteienpresse sprechen kann, so gab es doch einige Zeitschriften und Zeitungen, deren politische Motivation unverkennbar war. Ob man sich bewusst parteilos gab oder lose Verbindungen zu den liberalen Gruppierungen der Parlamente unterhielt, anfangs war das Pressewesen eindeutig eine Bastion des liberalen Spektrums. Sämtliche spätere Zeitschriften- und Zeitungsgründungen konservativer Kreise sind als Reaktion auf die zunehmende Vereinnahmung der Presse durch liberale Kräfte zu verstehen. Lehnte man nämlich hier das Prinzip des Journalismus erst gänzlich ab, so erkannte man doch bald die immense Wichtigkeit dieses Mediums. Besonders in Preußen und Sachsen waren sie sogar Teil einer neuen aktiven, die Zensur ergänzenden, Pressepolitik der jeweiligen Regierungen. Neben den zahlreichen Blättern in staatlicher Hand gab es auch etliche, die von der Obrigkeit finanziell unterstützt und teilweise sogar trotz mangelndem Interesse der Öffentlichkeit am Leben erhalten wurden. Somit stand das Mittel der Presse allen gesellschaftlichen und politischen Lagern zu Verfügung und trug erheblich zur Verbreitung neuer Ideen bei. Besonders das Aufkommen überregionaler Presseorgane hat zur Einigung und Verständigung der bislang stark regional zersplitterten liberalen Bewegung beigetragen. Der Einfluss der Presse auf die deutsche Nationsbildung ist somit nicht zu unterschätzen.

Obwohl man vielen der im Vormärz entstandenen Zeitschriften und Zeitungen ihre politische Ausrichtung bereits ansah, war man von einer Parteienpresse, wie sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägend war, noch weit entfernt. Das Fehlen organisierter Parteien und der stark hemmende Einfluss der Zensur ließen dies noch nicht zu. Dass das Pressewesen einen immensen Anteil an der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung hatte und aus der gesellschaftlichen Realität nicht mehr wegzudenken war, zeigte spätestens die Explosion der Publikationstätigkeit im März 1848 nach der Einführung der Pressefreiheit.


Literatur:

Breil, Michaela: Die Augsburger „Allgemeine Zeitung“ und die Pressepolitik Bayerns. Ein Verlagsunternehmen zwischen 1815 und 1848. Tübingen. 1996.

Koszyk, Kurt: Deutsche Presse im 19.Jahrhundert (= Geschichte der deutschen Presse Teil 2). Berlin. 1966.

Obenaus, Sibylle. Literarische und politische Zeitschriften 1830 – 1848. Stuttgart. 1986.

Stöber, Rudolf: Deutsche Pressegeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 2., bearb. Aufl.. Konstanz. 2005.