Zschoche, Romy
Der Frankfurter Wachensturm vom 3. April 1833. „Eine Attacke einiger idealistisch-radikaler Brauseköpfe“?

Der Frankfurter Wachensturm war der Überfall ca. 40 bis 50 Aufständiger auf die Hauptwache und die Konstablerwache in Frankfurt am Main.

Die meist Intellektuellen, Studenten und Kaufleute wollten damit eine allgemeine Revolution auslösen. Sie scheiterten aber, da sie keine Unterstützung durch die Bevölkerung bekamen. Die Revolutionäre mussten ins Ausland fliehen oder wurden verhaftet und zu langen Zuchthausstrafen verurteilt.

Viel diskutiert ist die Frage, ob der Wachensturm nur ein schlecht organisierter Versuch einiger Weniger war und ob es noch nicht Zeit für eine Revolution war. Fraglich ist auch, ob Zeit und Ort die Falschen waren und die Revolutionäre die allgemeine Lage / Stimmung nicht richtig gedeutet haben.

Die geschichtliche Forschung hat unzählige Meinungen zum Wachensturm in Frankfurt hervorgebracht. Cornelia Förster hat die These aufgestellt, dass der Umsturzversuch vom Frankfurter Preßverein vorbereitet wurde und auch die Verantwortung dafür trägt. Nachforschungen haben aber ergeben, dass sich die Ziele zwar mit denen des Preßvereins deckten, die Vorgehensweise aber nicht mit der Vereinskonzeption zusammenpasste. Die Mitwirkung äußerte sich eher in Mitwisserschaft und privater Teilnahme einzelner Preßvereinsmitglieder, wie zum Beispiel von Dr. Gustav Bunsens.

Hans Ulrich Wehler und Wolfram Siemann vertreten beide ähnliche Ansichten. Wehler spricht von einem „Studentenstreich“ beziehungsweise einer „Attacke einiger idealistisch-radikaler Brauseköpfe“, Siemann von einer „dilettantisch anmutenden Vorbereitung und Durchführung und Mangel an revolutionärem Verstand“. Das die Wachenstürmer das revolutionäre Potential überschätzt haben, wurde deutlich als sie bei ihrem Versuch niemanden dazu bewegen konnten, sich am Aufstand zu beteiligen. Doch wenn man dem Aufsatz von Helmut Bock in „Aufbruch in die Bürgerwelt. Lebensbilder aus Vormärz und Biedermeier“ Glauben schenken will, dann sollte man die dilettantisch anmutende Vorbereitung noch einmal relativieren. Für die damaligen Verhältnisse und unter dem Druck, dass alles geheim bleiben musste, haben sich die Revolutionäre wochenlang darauf vorbereitet. Der Kontakt war fast ausschließlich über Briefe möglich. Von daher ist es nicht zu verachten, was und wie sie geplant haben. Letztendlich hatten sie aber doch zu viel Vertrauen in die eigene Sache und waren verblendet.

Thomas Nipperdey ist zudem davon überzeugt, dass Frankfurt nicht die richtige Stadt war, weil es nicht das Zentrum der Macht war. Auch Cornelia Förster ist dieser Meinung, da in Frankfurt vor allem Kaufleute und Akademiker lebten. Von denen war kein revolutionärer Umsturz zu erwarten. Bessere Orte wären Berlin oder Wien gewesen. Das waren die wirklichen politischen Zentren. Ein Beweis dafür ist, dass die Revolution von 1848 jeweils in Berlin und Wien ausgebrochen ist.

Wie Bock sagt, war der Frankfurter Wachensturm eine Durchgangsstufe der damaligen revolutionären Bewegung wie auch das Wartburgfest 1817, das Attentat auf Kotzebue 1819 und das Hambacher Fest 1832. Diese Ereignisse bestimmten die Zeit wesentlich mit und führten letztendlich zur Revolution von 1848. Doch ein Ereignis allein reichte nicht aus, um diese auszulösen. Umso größer der Druck seitens der Regierung wurde, umso mehr verspürte auch die Bevölkerung, dass sich etwas ändern musste. Dies geschah aber nicht von einem auf den anderen Tag.

Große Teile der Bevölkerung sympathisierten mit dem Frankfurter Wachensturm, hatten aber zu große Angst vor Repressalien um aktiv daran teilzunehmen!

Viele Menschen in Frankfurt gewährten den Revolutionären Unterschlupf auf ihrer Flucht oder wussten etwas zu dem Vorfall. Direkt nahm aber niemand von ihnen am Wachensturm teil. Zum einen mag das an der Bevölkerungsstruktur gelegen haben, zum anderen an den befürchteten Folgen. Vielen Menschen in Frankfurt ging es gut, besser als in anderen Städten.

Die möglichen Folgen schreckten viele ab.

Der Frankfurter Wachensturm wurde durch die späte Uhrzeit und das schlechte Wetter benachteiligt! Abgesehen davon, dass Frankfurt wahrscheinlich der falsche Ort war, wurde das Ereignis durch Regen und den Zeitpunkt von 22 Uhr nicht begünstigt. Um diese Uhrzeit haben sich weniger Menschen auf den Straßen befunden als am Tage und da das Wetter so schlecht war, wahrscheinlich noch weniger als an einem Abend ohne Regen. Das verminderte schon einmal die Masse an potentiellen Mitstreitern. Andererseits muss man auch sagen, wenn das revolutionäre Potential groß genug gewesen wäre, hätten diese Faktoren keine Rolle spielen dürfen. Da das nicht der Fall war, spielte es aber eine Rolle. Bei einer optisch größeren Masse hätten sich eventuell Einige getraut mitzumachen, da man dann in der sichereren Masse untergegangen wäre. Die Möglichkeit gab es nicht und die Angst vor Repressalien hielt die Bevölkerung davon ab mitzumachen.


Literatur:

Bock, Helmut: Revolution – ohne Volk? Frankfurter Wachensturm. In: Ders. / Renate Plöse (Hrsg.): Aufbruch in die Bürgerwelt. Lebensbilder aus Vormärz und Biedermeier. 1. Aufl., Münster 1994. S. 97-114.

Förster, Cornelia: Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/33. Sozialstruktur und Organisationsformen der bürgerlichen Bewegung in der Zeit des Hambacher Festes. (=Trierer Historische Forschungen Bd. 3) Trier 1982. S. 43-58.

Hardtwig, Wolfgang: Vormärz. Der monarchische Staat und das Bürgertum. (= Deutsche Geschichte der neuesten Zeit vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart) München 1985. S. 19f.

Huber, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Bd. II: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850. 3., wesentl. überarb. Aufl. Stuttgart. 1988. S. 164-167.

Husung, Hans-Gerhard: Protest und Repression im Vormärz. (=Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Band 54) Göttingen. 1983. S. 210f.

Kassandrus, N.B.: Die Entlarvung der reactionairen Umtriebe vom Wiener Kongress bis zum Frankfurter Wachensturm. Aspekte zu einer Verteidigung der liberal-demokratischen Bewegung. Giessen 1987. S. 211-231.

Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1994. S. 372.

Siemann, Wolfram. Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806-1871. (= Neue Deutsche Geschichte Bd. 7). München. 1995. S. 346f.