Schnupp, Stefan

Christian Häutle und die Münchner Residenz


Die Münchner Residenz kann mittlerweile auf eine über einhundert Jahre lange Forschungsgeschichte zurückblicken. Einen markanten Anfang machten dabei die Werke des Reichsarchivrates Dr. Christian Häutle. Vor ihm gab es über die bis dato 500jährige Residenzgeschichte noch keine wissenschaftlichen Arbeiten. Außer einigen Reise- und Baubeschreibungen, unter anderem von Ranuccio Pallavicino[1], Johannes Schmidt[2], Michael Wening[3] und Christoph Kalmbach[4] und Lorenz von Westenrieder[5], fand die Residenz nur Eingang in diverse Stadtführer des 19.Jahrhunderts[6]. Doch erst mit Häutle setzte die wissenschaftliche Erforschung des Bauwerkes ein, eine Aufgabe, die bis zum heutigen Tag noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Im Folgenden soll nun auf den Autor und seine Werke zur Münchner Residenz eingegangen werden

Christian Häutle[7] wurde 1826 im schwäbischen Affing geboren. Nach dem Besuch des Neuburger und des Münchner Wilhelm-Gymnasiums, begann er ein Jura-Studium an der Ludwigs-Maximilians-Universität. Er schloss es 1851 ab, nachdem er bereits ein Jahr zuvor in den Archivdienst eingetreten war. 1857 promovierte er in Erlangen zum Dr. utr. jur. 1860 wurde er Reichsarchivassessor und 1877 wurde er zum Reichsarchivrat am Allgemeinen Reichsarchiv in München ernannt, einem der Vorläufer des heutigen Bayerischen Hauptstaatsarchivs[8]. 1893 verstarb Häutle im Alter von 67 Jahren in München. Während seines Lebens verfasste er zahlreiche Werke über die Geschichte des Hauses Wittelsbach. Das Bedeutendste darunter dürfte seine „Genealogie des erlauchten Stammhauses Wittelsbach“[9] sein.

Gegen Ende seines Lebens verfasste er drei Werke zur Geschichte der Residenz. 1881 veröffentlichte er die Reisenberichte Philipp Hainhofers nach Eichstätt, München und Regensburg[10] und präsentierte damit eine der frühesten Beschreibung der Residenz überhaupt in einer edierten Fassung. Hieraus ergaben sich auch wertvolle Aufschlüsse über das Aussehen der Residenz in der Zeit wichtiger Umbaumaßnahmen unter Herzog Maximilian I. von Bayern. So berichtet Hainhofer als einziger über die Wohnräume des Herzogs und der Herzogin[11], die spätere Berichte außer Acht lassen. Auch wenn mittlerweile eine kritische Edition der Reiseberichte Hainhofers[12] vorliegt, so gehört Häutles Werk dennoch zur Standartliteratur bei der Residenzforschung. Nicht zuletzt aufgrund der Zitierung durch die Forschung bis zu Beginn der 1990er Jahre.

Zwei Jahre nach den Hainhoferschen Reisebeschreibungen wurde eine Baugeschichte der Residenz veröffentlicht[13]. Die Schrift war als Text- und Erläuterungsband zu Georg Seidels Stichwerk[14] erschienen. Häutle versuchte hiermit eine Baugeschichte der Residenz zusammenzustellen, die sich auf die umfangreichen Quellen der Münchner Archive stützen konnte. Darunter sind Hofkammerrechnungen, Baurechnungen und Hofkammerprotokolle zu nennen. Doch bei allem Quellenreichtum, gibt es ein Manko, dass bereits in den Kunstdenkmalen von 1902, wie folgt beschrieben wird: „Leider gibt Häutle seine Urkundenauszüge vielfach ohne genaue Angabe der Daten und ohne Quellenangabe, wodurch eine feste Bestimmung der Erbauungszeit einzelner Theile ohne erneute Durcharbeitung des gesammten Materiales (…) unmöglich wird.“[15] Erschwert wird dies durch die Vernichtung von 75 Prozent der Akten im Zweiten Weltkrieg.[16] Aber auch wenn Häutle in großen Teilen durch neuere Forschung ersetzt wurde, bleibt sein Werk als ganzes bis heute unersetzt.[17]

Besondere Aufmerksamkeit widmete Häutle dabei der Neuveste, jener Fluchtburg im Nordosten des Residenzareals, aus dem diese schließlich sukzessive hervorgegangen ist.[18] Leider ging er bei seiner Forschung von der Annahme aus, dass die Darstellung Wenzel Hollars aus dem Jahre 1623[19] die Neuveste korrekt wiedergab. Aufgrund dieser Fehlannahme ist seine Rekonstruktion der Neuveste falsch. Die Ausgrabungen der 1950er Jahre und darauf aufbauende Dissertation von Otto Meitinger[20] widerlegten Häutles Annahmen vollständig.

Auch die Epoche Maximilians I. und die späteren Umbauten unter dessen Nachfolgern bis Max III. Joseph werden bei Häutle behandelt.

Sein letztes Buch überhaupt, ist die kleine Schrift „Die Residenz“[21], die als Auftakt der Reihe „Die fürstlichen Wohnsitze der Wittelsbacher in München“ erscheinen sollte. Der Tod Häutles im folgenden Jahr verhinderte eine Fortsetzung der Reihe. Im Prinzip bringt das Buch nichts Neues. Es basiert auf den Ergebnissen des Werkes von 1883, aber es ergänzte die Geschichte der Residenz um das 19. Jahrhundert, die im vorherigen Text ausdrücklich weggelassen wurde.

Mit dieser Ergänzung ergänzte Häutle die Baugeschichte der Residenz bis zu seinen Lebzeiten. Damit war eine Grundlage geschaffen, auf der sich auch heute noch die Wissenschaftler bei der Erforschung der Residenzgeschichte stützen. Auch wenn er bei manchen Annahmen irrte, so bleibt doch unbestritten, dass er mit seinen Arbeiten den Weg zur Erforschung der Residenz ebnete.

 


[1] Pallavicino, Ranuccio: I trionfi dell ‚ architettura nella sontuosa residenza di Monaco descritti e rappresentati all’Altezza Serren. di Ferdinando Maria Duca dell’ una e l’altra Baviera … Münchnen 1667. ND Augsburg 1680.

[2] Schmidt, Johannes: Triumphierendes Wunder-Gebaew Der Chur-Fuerstlichen Residnez zu München.München 1685.

[3] Wening, Michael: Historico-Topographic Descriptio … Bd.1 Rentamt München. München 1701. Residenzbeschreibung S. 3-8

[4] Kalmbach, Christoph: Truimphierendes Wunder-Gebäu Der Chur-Fürstlichen Residenz zu München. München 1719.

[5] Westenrieder, Lorenz v.: Beschreibung der Haupt- und Residenzstadt München. München 1782. Residenzbeschreibung S. 51-53.

[6] Eine genaue Literaturauflistung findet sich in: Brunner, Herbert u.a.: Residenz München. Amtlicher Führer. München 1996. S. 197-203.

[7] Malisch, Kurt: Häutle, Christian, in: Bosls bayerische Biographie hrsg. v. Karl Bosl. Regensburg 1983. S. 293.

[8] Siehe Geschichte des BayHStA auf: http://www.gda.bayern.de/archive/hauptstaatsarchiv/102.php (2.3.2008)

[9] Häutle, Christian: Genealogie des erlauchten Stammhauses Wittelsbach. Von dessen Wiedereinsetzung in das Herzogthum Bayern (11.Sept. 1180) bis hierab auf unsere Tage. München 1870.

[10] Häutle, Christian: Die Reisen des Augsburger Philipp Hainhofers nach Eichstätt, München und Regensburg in den Jahren 1611, 1612 und 1613, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 8 (1881). S. 1- 316.

[11] Erichsen, Johannes: Öffentliche und Private Sphäre – Die Räume Maximilians I. und seiner Gemahlinnen in der Münchner Residenz, in: Pracht und Zeremoniell. Die Möbel der Residenz München, hrsg. von Brigitte Langer. München 2002. S.45-49. S. 45-46.

[12] Langenkamp, Anne: Philipp Hainhofers Münchner Reisebeschreibungen. Eine kritische Ausgabe. Berlin 1990.

[13] Häutle, Christian: Geschichte der Residenz in München von ihren frühesten Zeiten bis herab zum Jahre 1777. Leipzig 1883.

[14] Seidel, Georg Friedrich: Die Königliche Residenz in München. Leipzig 1880.

[15] Halm, Philipp: Königliche Residenz, in: Die Kunstdenkmale des Regierungsbezirkes Oberbayern. IV. Theil. Stadt München, Bezirksamt Erding. München 1902 (ND München u. Wien 1984). S.1070-1171. S.1071.

[17] Diemer, Dorothea u. Diemer Peter: Das Antiquarium Herzog Albrecht V. von Bayern. Schicksale einer fürstliche Antikensammlung der Spätrenaissance, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 58 (1995). S. 55-104. S. 56 Anm. 8.

[18] Häutle Residenz 1883. S. 1-25.

[19] Hollar, Wenzel Stadtplan Münchens von 1623, abgebildet in: Meitinger, Otto: Die baugeschichtliche Entwicklung der Neuveste, in: Oberbayerisches Archiv 92 (1970). S. 1-295. S. 236 u. S. 237 .

[20] Meitinger, Otto: Die baugeschichtliche Entwicklung der Neuveste, in: Oberbayerisches Archiv 92 (1970). S. 1-295.

[21] Häutle, Christian: Die Residenz. Bamberg 1892.